# taz.de -- Massenverhaftungen in Syrien: „Sie versuchen, uns alle zu schnappen“
       
       > Über 1.200 Aktivisten der syrischen Protestbewegung sind bereits
       > verhaftet worden. Darunter die gut vernetzten Medienaktivisten Noura al
       > Jizawi und Ali Othmans.
       
 (IMG) Bild: In Syrien ist keiner mehr sicher.
       
       BEIRUT taz | Es ist etwa zehn Uhr morgens, als Ali Mahmoud Othmans Telefon
       klingelt. Der Anruf macht ihn nicht misstrauisch, er hat darauf gewartet.
       Noura al-Jizawi ist dran. Die beiden kennen sich aus ihrer Heimatstadt
       Homs. Sie vereinbaren ein Treffen; Othman macht sich auf den Weg.
       
       Doch am Treffpunkt steht nicht Noura al-Jizawi, sondern der Geheimdienst.
       Die Frau war bereits um sechs Uhr früh verhaftet worden. Das war Mittwoch
       vor einer Woche. Von den Aktivisten fehlt jede Spur.
       
       Nach dem Sturm der syrischen Regierungstruppen auf das Viertel Baba Amr in
       der Protesthochburg Homs Anfang März ist es in der Stadt zu massiven
       Verhaftungswellen gekommen. Der syrische Menschenrechtler Wissam Tarif hat
       in den vergangenen vier Wochen 1.200 Festnahmen in Homs dokumentiert. Bei
       der überwiegenden Mehrheit handele es sich um willkürliche Verhaftungen von
       Männern zwischen 16 und 86 Jahren, sagt er: „Zugleich allerdings werden die
       Aktivisten gezielt verfolgt, vor allem diejenigen, die an der Arbeit im
       Medienzentrum von Baba Amr beteiligt waren.“
       
       Ali Mahmoud Othman, von Beruf Gemüsehändler, wird in Baba Amr „Großvater“
       genannt, weil er mit 34 Jahren deutlich älter ist als die anderen
       Aktivisten. „Er war wie ein großer Bruder für uns“, sagt Abu Bakr, ein
       Aktivist aus Baba Amr, der vor wenigen Wochen in den Libanon geflohen ist.
       Othman hatte viel Zeit in dem Medienzentrum verbracht. Er sprach von dort
       mit Medien in aller Welt und arbeitete eng mit den Reportern zusammen, die
       sich nach Homs hatten einschmuggeln lassen.
       
       Als zwei westliche Journalisten bei einem Raketenangriff auf das
       Medienzentrum starben, zog er umgehend los, um das zerstörte Gebäude zu
       filmen. „Er war unglaublich mutig“, sagt Abu Bakr. „Auch wenn es gefährlich
       war, ging er mit seiner Kamera raus und übermittelte Livebilder an
       internationale Fensehsender.“
       
       ## Schlüsselrolle in Homs
       
       Auch Noura al-Jizawi spielte in Homs eine Schlüsselrolle. Die 24-jährige
       studiert Literatur. Eigentlich wollte sie ihr Studium in Frankreich
       fortsetzen. Doch dann brachen die Proteste aus. Al-Jizawi lehnte ihr
       Stipendium ab und begann stattdessen, die Gewalt in ihrer Heimatstadt zu
       dokumentieren. Außerdem beschaffte sie Kameras, Handys und Medikamente, die
       sie unter den Bewohnern des belagerten Viertels verteilte.
       
       „Sie hat auch mit den Familien von Frauen gearbeitet, die von Soldaten oder
       Milizionären vergewaltigt worden sind“, sagt Manhal, ein Aktivist in Hama.
       Denn oft werden die Opfer verstoßen oder sogar getötet. „Noura hat
       versucht, die Leute zu überzeugen, dass sie ja immer noch ihre Töchter und
       Schwestern sind.“
       
       Auch in anderen Städten haben die Verhaftungen in dieser Woche noch einmal
       drastisch zugenommen. Das Regime hat dem UN-Syrienbeauftragen Kofi Annan
       zugesagt, ab Dienstag eine Waffenruhe einzuhalten. Beobachter vermuten,
       dass die Sicherheitskräfte die Protestbewegung bis dahin zerschlagen
       wollen. „Sie versuchen, es schneller hinzukriegen“, sagt der
       Menschenrechtler Wissam Tarif. „Deswegen sehen wir nun diese hohe Zahl von
       Verhaftungen.“
       
       Die meisten Aktivisten aus Baba Amr sind längst geflohen. Ali Mahmoud
       Othman war nach Aleppo im Norden Syriens gegangen. Dort wollte er ein neues
       Medienzentrum aufbauen. „Deswegen bat er Noura, ihm in Damaskus
       Digitalkameras zu besorgen. Als sie sich auf den Weg nach Aleppo machte,
       wurde sie verhaftet“, sagt Mohammed, ein Aktivist, der eng mit ihr
       zusammengearbeitet hat.
       
       Er selbst hält sich auf einem Bauernhof außerhalb von Homs versteckt. „Sie
       versuchen, uns alle zu schnappen“, sagt er. „Sie haben eine lange Liste mit
       unseren Namen.“ Seit der Festnahme von Noura al-Jizawi und Ali Mahmoud
       Othman ist die Angst noch gewachsen. Beide waren in der Bewegung bestens
       vernetzt. Offenbar zwingen die Geheimdienste sie nun, ihre Kontakte
       preiszugeben. Berichten zufolge hat al-Jizawi neben Othman elf weitere
       Aktivisten angerufen und zu Treffen gedrängt. Sie alle sollen festgenommen
       worden sein.
       
       6 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriela M. Keller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
       
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