# taz.de -- Mögliche Waffenruhe in Syrien: Was danach passiert, ist Geheimsache
       
       > Die Rebellen der Free Syrian Army misstrauen einem möglichen
       > Waffenstillstand ab dem 10. April. Eine Reportage aus der
       > türkisch-syrischen Grenzstadt Antakya.
       
 (IMG) Bild: Gerettet! Ein Kind schaffte die Flucht aus Syrien. Ist am 10. April wirklich Waffenstillstand?
       
       ANTAKYA taz | „Baschar al-Assad ist ein Lügner“, sagt Abu Seif* über das
       aktuelle Waffenstillstandsabkommen zwischen Syriens Präsident Assad und der
       Free Syrian Army (FSA). „Es wird keinen Waffenstillstand geben. Baschar
       wird sich nicht dran halten.“
       
       Der 29-jährige Kämpfer der Free Syrian Army sitzt im Wohnzimmer eines
       kleinen Apartments im Herzen Antakyas. Die Stadt ist eine der Drehscheiben
       der syrischen Opposition. In der Sofaecke neben ihm debattieren ein halbes
       Dutzend Männer über die Lage in ihrem Heimatland. Hinter ihnen liegen
       halboffene Reisetaschen und Bettdecken. An das Friedensabkommen glaubt hier
       keiner. „Der Annan-Plan gibt Assad bloß mehr Zeit, um uns zu töten“, sagt
       Abu Seifs Kamerad Abu Ahmed Marajani. Die beiden haben in ihrer Heimatstadt
       Idlib gegen die syrische Armee gekämpft.
       
       Der Annan-Plan sieht vor, dass die syrische Armee ab Dienstag, den 10.
       April, alle Attacken beendet. 48 Stunden später sollen dann auch die
       FSA-Rebellen ihre Angriffe einstellen.
       
       ## Nur Theater
       
       „Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft sind nur Theater“, sagt
       Marajani, während er auf seinem Laptop scheinbar unbeteiligt Videos von
       Kämpfen aus jüngster Zeit anschaut. „Die machen das alles nur, damit sie
       sagen können: Seht her! Wir tun etwas für Syrien!“
       
       Trotz des Misstrauens will sich die Rebellenarmee aber an das Abkommen
       halten. Angesichts der militärischen Lage in Syrien hat die FSA in
       Marajanis Augen keine andere Wahl: „Wenn sich ein großer und ein kleiner
       Bruder prügeln, und der große hört auf, denkst du, dass der kleine
       weitermacht?“, sagt er.
       
       Syriens Regierungssoldaten sind seit Anfang des Jahres auf dem Vormarsch,
       während es der Opposition zunehmend an Waffen und Munition mangelt. „Wir
       können die Truppen des Regimes überhaupt nicht mehr angreifen“, sagt Abu
       Seif.
       
       Er selbst hat von dem Geld, das er eigentlich für seine Hochzeit gespart
       hatte, eine Kalaschnikow von einem korrupten Offizier der syrischen Armee
       gekauft. „Wir brauchen Waffen von der internationalen Gemeinschaft! Zum
       Gehen braucht man Füße, verstehst du?“, sagt er. Abu Seif wurde vor einigen
       Monaten von einem großkalibrigen Geschoss in den Magen getroffen. Er musste
       fünfmal operiert werden, sein Bauch ist eine tellergroße Narbe. „Alles was
       wir derzeit tun können, ist, den Vormarsch von Assads Truppen zu
       verlangsamen, damit die Menschen Zeit haben zu fliehen“, sagt er.
       
       „Unter dem Schutz des neuen Abkommens hat Assad die größte Kampagne seit
       dem Beginn der Revolution gestartet“, sagt Ahmed Beidar. Beidar ist
       Verbindungsoffizier zwischen dem zivilen Rat der Revolution und der
       Rebellenarmee in der nordsyrischen Stadt Jisr al-Shughour. Er und mehrere
       andere Aktivisten und Kämpfer sind nur für einen Tag in Antakya, um sich zu
       beraten. Danach geht es zurück.
       
       Auch Beidar glaubt, dass Assad sich nicht an das Abkommen halten wird.
       „Douma, Homs, Hama, Idlib, Taftanaz, Aleppo“, zählt er Städte auf, die
       zuletzt angegriffen wurden. „Die Situation ist so schlimm, dass wir die
       Toten in Massengräbern bestatten müssen.“
       
       ## Überleben ohne Unterstützung
       
       Neben ihm sitzt Ala ad-Deen, der in Jisr al-Shughour nach eigenen Angaben
       1.000 FSA-Kämpfer befehligt. „Der Konflikt kann nur militärisch entschieden
       werden“, sagt ad-Deen. „Dennoch haben wir den Kofi-Annan-Plan akzeptiert
       und unsere Kämpfer zurückgezogen. Wir warten ab, bis zum 10. April.“ Was
       danach passiert, fügt er hinzu, ist Geheimsache. „Wir können auch ohne die
       Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für unbestimmte Zeit
       überleben und den Kampf weiterführen.“
       
       Die beiden Rebellen aus Idlib, Abu Seif und Marajani, sehen ebenfalls keine
       andere Möglichkeit: „Selbst wenn es kein Friedensabkommen gibt und wir
       nicht gewinnen können, können wir jetzt nicht aufhören zu kämpfen. Baschars
       Sicherheitsdienste würden uns jagen und töten“, sagt Abu Seif.
       
       Marajani blickt kurz von seinem Laptop auf. Seine Augen wandern durch den
       Raum. „Ich habe Angst“, sagt er leise, bevor er wieder sein Kämpfergesicht
       aufsetzt. „Falls uns die internationale Gemeinschaft nicht mit Waffen
       versorgt, werden wir sie selber herstellen. Es ist einfach, aus Dünger und
       einem Kochtopf eine Bombe zu bauen. Es wird ein Guerillakrieg.“
       
       *Alle Namen im Text geändert
       
       9 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raphael Thelen
       
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 (DIR) Schwerpunkt Syrien
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