# taz.de -- Großmann verlässt RWE: Das Ende des Atom-Sauriers
       
       > Vorstandsvorsitzender Jürgen Großmann nimmt Abschied beim Energiekonzern
       > RWE. Auf der Jahreshauptversammlung schimpft er auf die Energiewende.
       
 (IMG) Bild: Hat wie kein anderer Manager gegen den Atomausstieg gekämpft: RWE-Chef Jürgen Großmann.
       
       KÖLN taz | Der Abschied fällt Jürgen Großmann sichtlich schwer. Der
       RWE-Vorstandsvorsitzende nutzte seinen letzten großen Auftritt auf der
       Jahreshauptversammlung des Stromriesen am Donnerstag in Essen, um noch
       einmal seinem Unmut über den Atomausstieg und die Energiewende Luft zu
       machen.
       
       „Wir alle sind Teil eines ökonomischen und gesellschaftlichen Experiments,
       das in dieser Form nur hier bei uns in Deutschland durchgeführt wird“,
       beklagte sich Großmann. Die Energiewende „verabschiedet Althergebrachtes,
       ohne dass sich das Neue bereits bewährt hätte“. Eine Ära geht zu Ende, der
       letzte große Atom-Dinosaurier tritt ab.
       
       Wie kein anderer Manager hatte Großmann für die Atomenergie gekämpft.
       Anstatt frühzeitig umzusteuern, setzte der bullige Zwei-Meter-Mann
       unverdrossen weiter auf die Hochrisikotechnologie. Jetzt muss der Essener
       Energiekonzern für seine Starrköpfigkeit die Zeche zahlen.
       
       „Das sofortige Aus für Biblis und der beschleunigte Ausstieg aus der
       Kernenergie sowie die Steuer auf Kernbrennstoffe haben das betriebliche
       Ergebnis mit rund 1,3 Milliarden Euro belastet“, sagte Großmann in seiner
       Abschiedsrede. Insgesamt habe sich das nachhaltige Nettorergebnis um 34
       Prozent auf 2,5 Milliarden Euro gesunken.
       
       ## 30 Milliarden Nettoschulden
       
       Die Nettoschulden seien hingegen bis zum Jahresende auf knapp 30 Milliarden
       Euro gestiegen. „Wir akzeptieren das Primat der Politik, aber wir halten
       die Beschlüsse der Bundesregierung rund um die Kernenergie nicht für
       rechtens“, sagte Großmann.
       
       So hält der zweitgrößte deutsche Energieversorger weiter an seinen Klagen
       gegen das Atomoratorium vom vergangenen Jahr und die Kernbrennstoffsteuer
       sowie die Verfassungsbeschwerde gegen die Novellierung des Atomgesetzes
       fest. Er halte es „nach wie vor für richtig, dass RWE als erster den Mut
       hatte, diese Klagen gegen massiven politischen und öffentlichen Druck
       anzustrengen“, sagte der 60-jährige Milliardär, der zum 1. Juli die Leitung
       des Konzerns an seinen Nachfolger Peter Terium übergibt.
       
       Es ist ein Rückzugsgefecht. Dass der Atomausstieg wieder gekippt werden
       könnte, daran glauben selbst die AKW-Betreiber nicht mehr. Es geht nur noch
       ums Geld. „Zu klären ist, wie der entstandene Schaden für das Unternehmen
       ausgegelichen wird“, sagte Großmann. Im Falle, dass die Verfahren, die
       mehrere Jahre dauern werden, zu ihren Gunsten ausgehen, hoffen RWE, EON &
       Co. auf auf Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe.
       
       Dass RWE die Auseiandersetzungen um die Atomkraft offenkundig für verloren
       hält, zeigte sich auch an der Ankündigung Großmanns, „den Neubau von
       Kernkraftwerken in Großbritannien nicht weiter zu verfolgen“. Das
       finanzielle Risiko sei zu hoch. RWE prüfe jetzt „den Verkauf unserer
       möglichen Kernenergiestandorte in Großbritannien“. Ansonsten seien auch
       sonstwo keinerlei AKW-Neubauten geplant.
       
       ## Zwischen Kernschmelze und Klimakatastrophe
       
       Großmann habe einen „Kurs zwischen Kernschmelze und Klimakatastrophe“
       gefahren, kritisierten Vertreter des Dachverbandes der Kritischen Aktionäre
       auf der Versammlung. Sie warfen RWE vor, den Braun- und Steinkohleanteil
       bei der Stromproduktion weiter erhöhen zu wollen. Schon jetzt sei der
       Konzern der größte CO₂-Emittent in Europa.
       
       Auch forderten die Kritischen Aktionäre die Stillegung der
       Urananreicherungsanlage in Gronau, die nachwievor jedes zehnte AKW weltweit
       mit Brennelementen beliefert. Ihr Antrag, Vorstand und Aufsichtsrat
       aufgrund der verantwortungslosen Klimapolitik von RWE nicht zu entlasten,
       scheiterte allerdings erwartungsgemäß.
       
       Akkustisch unterstützt von Sambagruppen protestierten vor der Grugahalle
       knapp 150 Demonstranten der Kampagne „RWE Unplugged – dem Energieriesen den
       Stecker ziehen“. Ihr Versuch, den Zugang zum gut gesicherten Tagungsort zu
       blockieren, scheiterte am großen Polizeiaufgebot. Nach Angaben der Kampagne
       wurden zehn Umweltaktivisten vorläufig festgenommen.
       
       Auf die Proteste ging Großmann nur indirekt ein. Er beklagte, dass das
       „Beschimpfen von Energieversorgern in manchen Kreisen zum guten Ton“
       gehören würde. Ansonsten versprach er, dass an RWE die Energiewende nicht
       scheitern werde. Bis 2020 wolle das Unternehmen den Anteil der erneuerbaren
       Energien an der Erzeugungskapazität auf mindestens 20 Prozent steigern.
       
       19 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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