# taz.de -- Kommentar Liberias Präsident: Schluss mit der Verteufelung
       
       > Das differenzierte Urteil gegen Liberias Expräsidenten Charles Taylor hat
       > Maßstäbe gesetzt. Nun ist klar, wie in anderen Verfahren mit der
       > Schuldfrage umzugehen ist.
       
       Mit dem Schuldspruch gegen Liberias Expräsidenten Charles Taylor vor dem
       internationalen Sierra-Leone-Tribunal schreibt die internationale Justiz
       Rechtsgeschichte. Zum ersten Mal wird ein ehemaliger Staatspräsident der
       Mitverantwortung für Kriegsverbrechen während seiner Amtszeit schuldig
       befunden.
       
       Die Feststellung, dass die strafrechtliche Verantwortung für
       Kriegsverbrechen Landesgrenzen überschreiten kann, ist wichtig für den
       internationalen Kampf gegen Straflosigkeit. Das gilt, obwohl die Richter
       Taylor lediglich der Beihilfe für schuldig gesprochen haben, nicht jedoch
       der Anstiftung und der Kommandoverantwortlichkeit.
       
       Und doch ist dieser Prozess in vielerlei Hinsicht fragwürdig gewesen. Die
       Anklageerhebung gegen Taylor erfolgte mitten in einem fragilen
       Friedensprozess in Liberia und torpedierte diesen zunächst. Taylors
       Festnahme brach vorherige Zusagen der Straffreiheit.
       
       Die Anklage gegen Taylor, die ihm wegen Unterstützung von Rebellen in
       Sierra Leone auch die komplette Verantwortung für deren Verbrechen
       zuordnet, war gewagt und konstruiert, denn sie erklärte letztendlich die
       sierra-leonischen Rebellen zu bloßen Marionetten eines dämonisierten
       Warlords. Eine umfassende Aufarbeitung der Konflikte in Liberia und Sierra
       Leone kann aber nicht lediglich ein paar Hauptverantwortliche aburteilen
       und ansonsten die vorliegenden Empfehlungen lokaler Wahrheitskommissionen
       ignorieren.
       
       International hat man längst aufgehört, zu differenzieren. Kampagnen gegen
       „Blutdiamanten“ und eine hollywoodeske Dämonisierung afrikanischer
       Kindersoldaten haben es leicht gemacht, komplexe Konflikte als irrational
       abzutun. Das Bild von Charles Taylor als teuflischem Bösewicht war für alle
       anderen Kriegsverbrecher Westafrikas sehr praktisch, hatte aber mit
       Wahrheitsfindung wenig zu tun.
       
       Heute haut die internationale Kampagne „Kony 2012“, die den noch flüchtigen
       ugandischen Warlord Joseph Kony zur Strecke bringen soll, in einem anderen
       Teil des Kontinents in die gleiche Kerbe. Wenn aus dem Taylor-Verfahren ein
       Präzedenzfall werden soll, ist mehr Sachlichkeit geboten. Weitere
       internationale Verfahren gegen Expräsidenten stehen an – gegen Laurent
       Gbagbo aus der Elfenbeinküste, vielleicht bald auch gegen Omar al-Bashir
       aus Sudan.
       
       Zum Glück hat das differenzierte Urteil gegen Taylor Maßstäbe gesetzt, wie
       auch in diesen Verfahren mit der Schuldfrage umzugehen ist.
       
       26 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sierra Leone
       
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