# taz.de -- Mieten: Tropfen auf den heißen Stein
       
       > Nicht nur die Opposition kritisiert im Parlament die von CDU-Senator
       > Czaja vorgelegten neuen Sätze für Hartz-IV-Bezieher. Auch in der SPD gibt
       > es Vorbehalte.
       
 (IMG) Bild: Mario Czaja (CDU), Berlins Sozialsenator.
       
       Begeistert wirkt Ülker Radziwill nicht, als sie ans Rednerpult des
       Parlaments geht. Als SPD-Sozialpolitikerin von der CDU ersonnene Regeln zu
       Mietzuschüssen für Hartz-IVler zu verteidigen, ist tatsächlich kein
       Traumjob. Mieterverein und Linke hatten scharf kritisiert, was
       Sozialsenator Mario Czaja (CDU) jüngst vorgelegte. Auch an diesem
       Donnerstagnachmittag bemüht die Linksfraktion die schweren Kaliber wie
       „Skandal“ und „realitätsfern“. Eher schwach klingt es aber, wenn Radziwill
       nun sagt, die Fraktionen trügen die Sache mit. Und: Wenn der
       Senatsbeschluss nicht die Erwartungen erfülle, werde sie eine andere
       Möglichkeit prüfen lassen.
       
       Das ist nicht gerade das, was man sich als zuständiger CDU-Senator vom
       Koalitionspartner erwartet. Umso mehr, weil Radziwill auf Kritik der
       Linksfraktion hin ausdrücklich bestreitet, Czajas Rechtsverordnung zu
       bejubeln, die ab 1. Mai gilt. „Das Tempo des Senats hat auch mich
       überrascht“, sagt sie stattdessen. Das klingt weniger wie ein Lob für
       schnelles Handeln als vielmehr nach Kritik, nicht einbezogen worden zu
       sein. Glaubt man einem Oppositionsredner, hat Czaja die SPD-Fraktion
       schlicht außen vor gelassen.
       
       Wenn dem so ist, dann erschließt sich auch, warum Radzwill die Gelegenheit
       am Mikro nutzt, in einem Aufwasch auch die von der Bundes-CDU
       verantworteten Hartz-IV-Sätze zu kritisisieren – tags zuvor hatte das
       Berliner Sozialgericht diese Sätze als zu niedrig eingestuft und das
       Bundesverfassungsgericht angerufen. „Die Kritik an der Berechnungsgrundlage
       ist berechtigt“, sagt Radziwill, „denn sie spiegelt nicht die
       Lebensrealität der Betroffenen.“
       
       Und weil sie gerade dabei ist, erledigt Radziwill gleich noch das
       bundesweite Thema Betreuungsgeld, von Kritikern als „Herdprämie“ abgetan.
       Czaja solle sich auf Bundesebene gegen diese Idee stark machen, fordert
       sie. Und falls die Sache denn nicht mehr zu verhindern sei, dann müsse sie
       eben allen Familien zugute kommen – die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte
       sich darauf verständigt, dass Hartz-IVler das Betreuungsgeld zwar bekommen,
       es ihnen aber gleich wieder abgezogen wird. SPD-Bildungssenatorin Sandra
       Scheeres hatte sich zuvor bei einer Grünen-Anfrage um eine Festlegung
       gedrückt und sich damit herausgeredet, es liege noch kein Gesetzentwurf
       vor.
       
       Czaja zeigt sich von all dem äußerlich ungerührt, beschränkt sich darauf,
       die Rechtsverordnung nochmals vorzustellen, auf einige Kritikpunkte
       einzugehen und sich ein bisschen zu loben: „Wir haben einen jahrelangen
       Stillstand beendet.“ Auf Radziwills Skepsis und Forderungen in Sachen
       Betreuungsgeld und Hartz-IV-Sätze geht er nicht ein.
       
       Das ist schade, denn es wäre schon interessant, was er von der Alternative
       hält, die Radziwill bei unbefriedigender Entwicklung prüfen lassen will:
       eine Regionalisierung der Zuschüsse. Das hieße, dort mehr zuzahlen, wo der
       Mietdruck höher ist.
       
       Czaja geht davon aus, dass es durch seine Rechtsverordnung künftig weniger
       Zwangsumzüge gibt. 2011 mussten nach seinen Angaben rund 1.300 der weit
       über 300.000 sogenannten Bedarfsgemeinschaften umziehen, also Familien oder
       Paare, die eine Grundsicherung erhalten. [1][Erst jüngst hatte das Berliner
       Sozialgericht die Klage einer sechsköpfigen Familie abgewiesen, die
       Wohnkosten komplett zu erstatten].
       
       Grünen, Linke, Piraten – sie alle halten die Richtwerte für viel zu niedrig
       – weil es gar nicht ausreichend günstige Wohnungen gebe, die sich davon
       bezahlen ließen. 380.000 Bedarfsgemeinschaften, aber nur 370.000 Wohnungen
       in der so genannten einfachen Wohnlage, an der sich die Zuschüsse
       orientieren, rechnet die Linke Elke Breitenbach vor. Czaja hält andere
       Zahlen dagegen, „etwas Vernünftiges“ nennt er seine Verordnung. „Vernünftig
       ist etwas anderes“, kontert der Grüne Martin Beck, der das Schlusswort hat.
       Schade, dass von der Zuschauertribüne aus nicht der Gesichtsausdruck von
       SPD-Frau Radziwill zu sehen ist.
       
       26 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hohe-Mieten/!91592/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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