# taz.de -- Protest gegen Umgang mit Timoschenko: EM möglicherweise ohne Merkel
       
       > Die Kanzlerin bleibt vielleicht zu Hause – wenn Julia Timoschenko bis zum
       > Start der Fußball-EM nicht frei kommt. Der Druck auf die Ukraine wird
       > immer größer, die Sorge um die Politikerin auch.
       
 (IMG) Bild: „Retten Sie das Leben meiner Mutter" – der Appell von Julia Timoschenkos Tochter Eugenia richtet sich auch an Deutschland.
       
       KIEW/BERLIN dapd/dpa/rtr | Bundeskanzlerin Angela Merkel erwägt einem
       Magazinbericht zufolge einen politischen Boykott der
       Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. Sei die im Gefängnis erkrankte
       Oppositionsführerin Julia Timoschenko bis dahin nicht freigelassen worden,
       wolle Merkel ihren Ministern empfehlen, den Spielen fernzubleiben,
       berichtete Der Spiegel am Sonntag. Allenfalls für Innenminister Hans-Peter
       Friedrich in seiner Funktion als Sportminister könnte eine Ausnahme gelten.
       Friedrich hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass er eine Reise zum
       EM-Spiel Deutschland gegen die Niederlande an einen Besuch Timoschenkos
       knüpfen wolle.
       
       Merkel hatte es am Freitag offengelassen, ob sie in die Ukraine reisen
       wird. In die Entscheidung werde aber die Entwicklung in der Ukraine und der
       Fall Timoschenko einfließen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
       Regierungskreisen zufolge wurde dem ukrainischen Vize-Außenminister Pawlo
       Klimkin vor wenigen Tagen im Kanzleramt signalisiert, dass ein Besuch
       Merkels zur EM in der Ukraine keinesfalls sicher sei. Zuletzt mehrten sich
       in Deutschland die Forderungen, dass Politiker die EM in der Ukraine
       boykottieren sollten, die das Land gemeinsam mit Polen ausrichtet.
       
       Bundespräsident Joachim Gauck ist dem Spiegel zufolge nicht das einzige
       europäische Staatsoberhaupt, das an dem Treffen der zentraleuropäischen
       Präsidenten Mitte Mai im ukrainischen Jalta nicht teilnehmen wird. Auch der
       österreichische und der slowenische Präsident hätten dem ukrainischen
       Gastgeber Viktor Janukowitsch abgesagt, berichtete das Magazin unter
       Berufung auf Regierungskreise. Gaucks Kollegen aus Estland und Lettland
       hätten bislang noch keine Entscheidung getroffen.
       
       Eugenia Timoschenko, die Tochter der inhaftierten ukrainischen
       Oppositionsführerin Julia Timoschenko, hat sich indes in einem dramatischen
       Appell an die Bundesregierung gewandt. „Retten Sie das Leben meiner Mutter,
       bevor es zu spät ist“, sagte die 32-Jährige der Frankfurter Allgemeinen
       Sonntagszeitung. „Das Schicksal meiner Mutter und meines Landes sind jetzt
       eins. Wenn sie stirbt, stirbt auch die Demokratie“, sagte die Tochter.
       
       ## Starkes Solidaritätssignal von Gauck
       
       Ohne den internationalen Druck auf die Regierung in Kiew wäre die frühere
       Regierungschefin der Ukraine bereits tot, ist Eugenia Timoschenko
       überzeugt. „Ich bin sicher, wenn der Druck aus Europa nicht wäre, wäre
       meine Mutter heute nicht mehr am Leben“, sagte sie der Bild am Sonntag.
       Julia Timoschenko befindet sich seit gut einer Woche im Hungerstreik. Nach
       Aussagen ihrer Tochter ist sie „sehr schwach“. „Sie trinkt nur Wasser. Ihre
       Rückenschmerzen sind viel schlimmer geworden, seitdem sie gegen ihren
       Willen mit Gewalt ins Krankenhaus gebracht wurde“, so die Tochter. Ihre
       Mutter sei vom Direktor der Strafkolonie in Charkow mit einem Faustschlag
       niedergestreckt worden, sagte sie der FAS.
       
       Die [1][Absage einer Reise in die Ukraine von Bundespräsident Joachim
       Gauck] wertete Eugenia Timoschenko als „sehr starkes Signal der
       Unterstützung“ und „Solidaritätssignal an die gesamte Opposition und alle
       politischen Gefangenen“. Deutschland sei das Schlüsselland, um in Europa
       Druck auf die Ukraine auszuüben. Eugenia Timoschenko appellierte an andere
       europäische Spitzenpolitiker, es Gauck gleich zu tun: Kein europäischer
       Staatsmann mit Selbstrespekt könne sich neben den ukrainischen Präsidenten
       Viktor Janukowitsch stellen. „Er sollte boykottiert werden.“
       
       Laut einer Umfrage des Instituts Emnid sind mehr als die Hälfte der
       Deutschen der Meinung, Merkel und ihre Ministert sollten nicht zu den
       deutschen EM-Spielen in die Ukraine fahren. Das berichtet die Bild am
       Sonntag. Zudem seien 50 Prozent der Befragten dafür, dass die Spiele der
       Fußball-Europameisterschaft, die in der Ukraine ausgetragen werden sollen,
       in ein anderes europäisches Land verlegt werde, heißt es.
       
       ## Timoschenko gilt als Opfer politischer Rachejustiz
       
       Die unter starken Rückenschmerzen leidende Timoschenko protestiert seit dem
       20. April mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen. Timoschenko
       wirft dem Staat Foltermethoden vor. Der Machtapparat bezeichnete sie
       dagegen als Simulantin. Timoschenko war im Vorjahr in einem international
       umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt
       worden. Sie gilt als Opfer politischer Rachejustiz im Auftrag des
       gegenwärtigen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. 2004 hatte sie
       die gegen Janukowitsch gerichtete Orangene Revolution angeführt.
       
       Die EM beginnt am 8. Juni. Die Ukraine richtet sie gemeinsam mit dem
       Nachbarland Polen aus. Die Vorrundenspiele der deutschen Nationalmannschaft
       werden in der Ukraine ausgetragen.
       
       29 Apr 2012
       
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