# taz.de -- Debatte um die EM in der Ukraine: Menschenfreunde unter sich
       
       > Der Deutsche Fußball-Bund lässt sich von der Politik instrumentalisieren:
       > Kritisiert werden Menschenrechtsverletzungen nur dann, wenn es passt.
       
 (IMG) Bild: Kann der Fußball sich politisch raushalten? In Kiew ist er jedenfalls voll präsent.
       
       BERLIN taz | Es ist ein eingespieltes Ritual. Immer wenn die Spieler der
       deutschen Fußballnationalmannschaft auf eine Partie eingestimmt werden,
       dann bekommen sie nicht nur eine Unterrichtsstunde in Taktik, sondern auch
       landeskundliche Infos. Philipp Lahm und Kollegen lernen dann, dass Spanier
       stolz, aber fair, oder Argentinier heißblütig und fies sein können. Vor der
       Europameisterschaft, die im Juni beginnt, bekommen sie nun Unterricht in
       Sachen Ukraine, wo sie alle drei Vorrundenspiele bestreiten werden.
       
       „Das gehört zu einer professionellen Vorbereitung dazu“, sagt DFB-Präsident
       Wolfgang Niersbach. Die Spieler sollen wissen, wo der Deutsche Fußball-Bund
       in der Frage der Menschenrechte im EM-Gastgeberland Ukraine steht. Die
       Haltung des Verbandes hat Niersbach deutlich zum Ausdruck gebracht: „Der
       DFB steht ein für die Einhaltung der Menschenrechte, die Unabhängigkeit der
       Justiz und die Meinungs- und Pressefreiheit.“
       
       Über diese Haltung haben sich nicht wenige gewundert. Wie kann es sein,
       dass die deutsche Fußballprominenz plötzlich zu Menschenrechtsaktivisten
       wird? Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des deutschen Fußballmeisters
       Borussia Dortmund, hat mit seiner Ankündigung, EM-Spiele in der Ukraine zu
       boykottieren, eine wahre Lawine losgetreten. Man könne die zahlreichen
       Interviewanfragen nicht mehr bearbeiten. Derweil fordert Uli Hoeneß, Boss
       des FC Bayern, Michel Platini, den Präsidenten der Europäischen
       Fußball-Union Uefa, im Spiegel dazu auf, die Ukraine deutlich zu
       kritisieren. Auch die Spieler sollten ruhig das Wort ergreifen.
       
       Undenkbar wäre so etwas vor vier Jahren gewesen, als der Deutsche
       Olympische Sportbund vor den Olympischen Spielen in Peking seinen Athleten
       regelrecht verboten hatte, sich während der Spiele kritisch zum KP-Regime
       in Peking und der Tibetfrage zu äußern. Deutsche Politiker, von Rot über
       Grün bis zu Gelb und Schwarz, hatten keine Probleme, in den Stadien und
       Hallen in Peking gute Miene zu den Spielen zu machen.
       
       ## Bundesregierung macht Druck
       
       Doch die Lage in diesen Tagen ist eine gänzlich andere. Die Bundesregierung
       will die Ukraine unter Druck setzen und erwirken, dass die inhaftierte
       ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die sich im Hungerstreik
       befindet, zur notwendigen ärztlichen Betreuung in die Bundesrepublik
       überstellt wird. Wie der Spiegel berichtet, wolle Bundeskanzlerin Angela
       Merkel den Spielen der deutschen Nationalmannschaft in der Ukraine wohl
       fernbleiben, falls Timoschenko bis zur EM nicht freigelassen werde. Das
       Kanzleramt bestätigte dies am Sonntag indirekt.
       
       Merkels Sprecher Steffen Seibert hatte einen möglichen Boykott der
       Regierungsmannschaft bereits am Freitag angedeutet. Eine Ausnahme könnte
       für Innen- und Sportminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gelten. „Der
       Minister ist eben Sportminister und großer Fan der deutschen
       Nationalmannschaft“, erläuterte sein Sprecher am Freitag.
       
       Zuvor hatte sich die Regierung die Unterstützung der Fußballfunktionäre für
       ihr Projekt längst gesichert. Wolfgang Niersbach sagt dazu: „Der Fußball
       muss sich an die Seite der Politik stellen, wenn es um Grundwerte im
       menschlichen Miteinander geht.“ Seit mehreren Wochen steht der DFB in engem
       Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Menschenrechtsbeauftragten der
       Bundesregierung, Markus Löning.
       
       Thomas Bach, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, scheint
       das Engagement des DFB nicht ganz geheuer zu sein. Zwar würdigt er die
       Rolle der Fußballer im Fall Timoschenko, er sagt aber auch: „Der Sport darf
       nicht zum Knüppel der Politik werden.“ Für ihn muss der Sport neutral sein,
       wenn er „in politischen und Menschenrechtsfragen nachhaltig positiv wirken
       will“.
       
       ## Zwingende Nichteinmischung
       
       So sehen es auch die Veranstalter von der Uefa. Aus der DFB-Zentrale in
       Frankfurt heißt es, der Verband bemühe sich, Michel Platini zu einer
       kritischen Haltung der Ukraine gegenüber zu bewegen. Vergeblich. Auf
       Anfrage der taz schickte die Uefa ihre wohlbekannte Stellungnahme zum
       Thema: „Die Nichteinmischung in politische Angelegenheiten einerseits und
       der Schutz der Nationalverbände vor jeglicher politischer Einmischung
       andererseits ist eine zwingende Voraussetzung, um einen reibungslosen
       Ablauf von Wettbewerben zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass der
       Fußball jedermann zugänglich ist und überall gespielt werden kann.“
       
       Basta! Kein Wort zur Situation in der Ukraine, die jetzt sogar Russlands
       Nochpräsident Dmitri Medwedjew kritisiert, indem er den Umgang mit
       Oppositionsführerin Timoschenko als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet hat.
       
       Menschenfreunde unter sich. Dass der Verband über sein Ukraine-Engagement
       nicht zu einer Menschenrechtsorganisation geworden ist, wurde indes am
       Freitag deutlich. Der DFB verkündete, sich nicht für die Austragung der
       Fußball-EM 2020 zu bewerben. Die Türkei bleibt damit einziger Bewerber. Die
       Gelegenheit, das Land für seine massiven Menschenrechtsverletzungen zu
       kritisieren, ließ der DFB ungenutzt.
       
       Und die Vergabe der WM 2022 nach Katar wird vom DFB zwar kritisiert, dabei
       geht es aber allein um die klimatischen Bedingungen und keineswegs um die
       Grundrechte, um die es im Emirat nicht gerade gut bestellt ist. Wenn sich
       der Sport nicht von der Politik instrumentalisieren lässt, verhält er sich
       so unpolitisch wie eh.
       
       29 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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