# taz.de -- Menschenrechtsexperte zum Fall Chen: „Der Hausarrest war reine Willkür“
       
       > China wirft den USA „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. Doch dem
       > Experten von Human Rights Watch zufolge haben die US-Diplomaten
       > gesetzestreu gehandelt.
       
 (IMG) Bild: „Freiheit Guangcheng, Demokratie China“.
       
       taz: Herr Kine, die Pekinger Regierung reagiert sehr verärgert darauf, dass
       die US-Botschaft in Peking den Bürgerrechtler Chen eine Woche lang in ihren
       Räumen beherbergte. Haben die Diplomaten gegen chinesische Gesetze
       verstoßen? 
       
       Phelim Kine: Die amerikanischen Diplomaten haben nicht gegen chinesische
       Gesetze verstoßen. Chen floh nicht vor der chinesischen Justiz und er
       betrat die US-Botschaft aus freiem Willen. Er wurde nicht wegen eines
       Verbrechens gesucht.
       
       Chen stand bis letzte Woche unter Hausarrest. Wer hat den Arrest verhängt?
       Gegen welche Gesetze hatte Chen verstoßen? 
       
       Chen wurde von der lokalen Provinzbehörde Schandong rechtswidrig für 19
       Monate festgehalten. Chen und seine Familie waren unter illegalem
       Hausarrest von dem Tag an, als er im September 2010 aus dem Gefängnis
       entlassen worden war. Es gab keine rechtliche Grundlage dafür, dass Chen
       und seine Familie festgehalten wurden. Es war reine Willkür, die noch
       dadurch übertroffen wurde, dass Chen, seine Frau und seine Mutter von ihren
       Überwachern immer wieder geschlagen wurden
       
       Funktionäre sagen, Chen habe die Stabilität Chinas bedroht. Was hat er
       getan? 
       
       Chen hat nicht anderes getan, als die Rechte von Frauen in der Provinz
       Schandong zu vertreten, die Opfer von Zwangsabtreibungen und erzwungener
       Sterilisation geworden waren, die von den lokalen Behörden für
       Familienplanung durchgeführt wurden.
       
       Nach Informationen aus Peking will Chen in China bleiben. Ist er dort
       sicher? 
       
       Solange die chinesische Regierung nicht bestätigt, wo und wie Chen
       Guangcheng und seine Familie in China „sicher leben können“, sind sie in
       Gefahr, Opfer von Vergeltungsmaßnahmen der lokalen Regierungsbehörden von
       Schandong zu werden, die für das Leid Chens und seiner Familie
       verantwortlich waren, ohne strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu
       werden.
       
       Welche Folgen hat diese Affaire Ihrer Ansicht nach für die
       Bürgerrechtsbewegung in China? 
       
       Chen ist ein Symbol für Widerstand und Mut. Er hat sich für
       Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte eingesetzt.
       
       Was bedeutet es für das Rechtssystem in China? 
       
       Dies ist nur ein Fall. Es bleibt abzuwarten, ob dies zu einer Änderung in
       der chinesischen Haltung führt, die geprägt ist von massivem Vorgehen gegen
       Verteidiger der Menschenrechte und von der Einschränkung fundamentaler
       Rechte, die durch das Völkerrecht und Chinas eigene Verfassung garantiert
       sind.
       
       3 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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