# taz.de -- Kommentar China: Störfeuer aus der Provinz
       
       > Chinas Regierung hat gelernt: Dissidenten im Exil schädigen das Image des
       > Regimes weniger als Dissidenten in heimischen Gefängnissen.
       
       Es klang einfach zu schön: Nach Tagen in der US-Botschaft stimmte der
       chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng am Mittwoch zu, die Vertretung
       „freiwillig“ zu verlassen. Dafür soll Chinas Regierung zugesagt haben, ihn
       samt Familie unbehelligt zu lassen und ihm ein Studium zu ermöglichen. Die
       US-Regierung soll versprochen haben, Chen im Auge zu behalten.
       
       Doch der Deal platzte ganz schnell: Chen will nun doch samt Familie
       ausreisen, weil man in China bedroht werde. Zugleich wirft er US-Vertretern
       vor, ihn zu dem Deal gedrängt, aber schon im Krankenhaus allein gelassen zu
       haben.
       
       Chens Meinungsumschwung erklärt sich daraus, dass er – wie auch die USA und
       China – widerstrebende Interessen hat: Eigentlich möchte er in China
       bleiben, weil er sich dort für die Menschenrechte in seiner Heimat am
       effektivsten einsetzen kann. Da er und seine Familie dort aber immer wieder
       misshandelt werden, sind sie nur im Ausland sicher.
       
       Die USA ihrerseits möchten Chen schon helfen, haben aber kein Interesse,
       die wichtigen Beziehungen zu China ganz von der Menschenrechtsfrage in
       Beschlag nehmen zu lassen. Vor allem wollen die USA eine schnelle Lösung,
       die den Besuch der MinisterInnen Clinton und Geithner nicht belastet.
       
       Chinas Regierung hat gelernt, dass Dissidenten im Exil das Image des
       Regimes weniger schädigen als in heimischen Gefängnissen. Peking will
       Präzedenzfälle vermeiden, ist aber sonst flexibel. Anders sind die
       Interessen von Shens Heimatprovinz Schandong. Sie will ihn loswerden und
       vermeiden, dass Peking den Fall an sich reißt und gegen Schandongs
       Interessen handelt.
       
       Drohungen aus Schandong gegen Chens Frau bewirkten jetzt dessen
       Meinungswandel. Offenbar haben die US-Diplomaten und Peking den Deal
       gemacht, ohne mit Störfeuer aus der Provinz zu rechnen.
       
       3 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Chinas Bürgerrechtler Chen Guangcheng: „Es gibt wieder mehr Sippenhaft“
       
       Der blinde Rechtsanwalt Chen Guangcheng ist aus China geflohen. Er spricht
       über die Menschenrechte in der Volksrepublik unter Präsident Xi Jinping.
       
 (DIR) Von Yahoo verraten: Dissident nach zehn Jahren frei
       
       Dissident Wang Xiaoning ist nach zehn Jahren aus der Haft entlassen worden.
       Die Zusammenarbeit von Yahoo mit den chinesischen Behörden hatte zu seiner
       Verhaftung geführt.
       
 (DIR) Chinesischer Aktivist angeblich erhängt: Mysteriöser Tod eines Bürgerrechtlers
       
       Nach Jahren in Haft soll der Arbeiter- und Demokratieaktivist Li Wangyang
       nun im Krankenhaus Selbstmord begangen haben. Seine Füße berührten
       allerdings den Boden.
       
 (DIR) Chen Guangcheng: Wahlkampf mit blindem Bürgerrechtler
       
       Chen Guangcheng ist in den USA zum Wahlkampfthema geworden. Die
       China-Kommission des Kongresses kümmert sich um den Fall. China stellt eine
       Ausreise in Aussicht.
       
 (DIR) Blinder Dissident in China: Chen will in die USA
       
       Aus Sorge um seine Sicherheit: Chen Guangcheng will nun doch ausreisen.
       Immer noch ungeklärt ist, ob er freiwillig die US-Botschaft in Peking
       verlassen hat.
       
 (DIR) Menschenrechtsexperte zum Fall Chen: „Der Hausarrest war reine Willkür“
       
       China wirft den USA „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. Doch dem
       Experten von Human Rights Watch zufolge haben die US-Diplomaten
       gesetzestreu gehandelt.
       
 (DIR) Kommentar zu Chen Guangcheng: Aufatmen für Chen
       
       Der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng wollte auf die Willkür
       seiner Peiniger aufmerksam machen. Auch wenn er erpresst wurde, hat er sein
       Ziel erreicht.
       
 (DIR) Chinesischer Bürgerrechtler Chen: In die „Sicherheit“ entlassen
       
       Der chinesische Bürgerrechtler Chen harrte sechs Tage in der US-Botschaft
       aus. Nun ist er wieder bei seiner Familie – nachdem diese von Behörden
       bedroht wurde.