# taz.de -- Chinesischer Aktivist angeblich erhängt: Mysteriöser Tod eines Bürgerrechtlers
       
       > Nach Jahren in Haft soll der Arbeiter- und Demokratieaktivist Li Wangyang
       > nun im Krankenhaus Selbstmord begangen haben. Seine Füße berührten
       > allerdings den Boden.
       
 (IMG) Bild: 7. Juni: Demonstration in Hong Kong für Li Wangyang.
       
       BERLIN taz | Er hat sich in 22 Jahren bitterster Behandlung im Gefängnis
       nicht selbst getötet, warum sollte er Suizid begehen, nachdem er seine
       Freiheit wiedergewonnen hat?“, fragt die Gruppe [1][Chinese Human Rights
       Defenders] angesichts des Todes von Li Wangyang.
       
       Der 62-jährige Arbeiter- und Demokratieaktivist aus dem zentralchinesischen
       Shaoyang war Mittwoch früh im Krankenzimmer seines Hospitals mit einer
       Schlinge am Fenster hängend tot aufgefunden worden. So jedenfalls sahen ihn
       seine Schwester und ihr Mann, bevor gegen deren Willen die Polizei den
       Leichnam wegschaffte.
       
       Die Angehörigen wundern sich, warum Lis Füße den Boden berührten, wenn er
       sich laut Polizei doch selbst erhängt haben soll. „Letzte Nacht waren wir
       noch bei ihm. Li zeigte keinerlei Anzeichen eines bevorstehenden
       Selbstmordes“, sagte sein Schwager Zhao Baozhu laut der Nachrichtenagentur
       afp.
       
       Bürgerrechtler fragen, wie die Selbsttötung überhaupt möglich gewesen sein
       soll. Der kranke Li sei dafür selbst viel zu schwach gewesen. Auch wurde er
       ständig bewacht. „Wir können nicht ausschließen, dass seine Bewacher ihn zu
       Tode folterten und das als Suizid darstellten“, erklärte das
       Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in China.
       
       ## Streikaufruf nach dem Tiananmen-Massaker
       
       Ein Grund für den Zorn der Bewacher könnte ein Interview gewesen sein, dass
       Li kürzlich einem Hongkonger Sender zum 23. Jahrestag der gewaltsamen
       Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung gab. Darin erklärte er,
       seine damaligen Aktivitäten nicht zu bereuen.
       
       Im Juni 1989 hatte Li Arbeiter nach dem „Tiananmen-Massaker“ zum Streik
       aufgerufen. Dafür kam er elf Jahre ins Gefängnis. Später begann er einen
       Hungerstreik und wurde gefoltert. Als er nach seiner Freilassung versuchte,
       seine hohen Arztkosten von der Justiz erstattet zu bekommen, wurde er zu
       weiteren zehn Jahren Haft verurteilt. Erst 2011 kam er frei – taub, blind
       und humpelnd. Doch laut seinen Angehörigen weiter unbeugsam.
       
       In Hongkong forderten am Donnerstag Demonstranten von Chinas
       Zentralregierung eine Untersuchung der Todesumstände. Laut Lis Schwager,
       der inzwischen mit seiner Frau unter Polizeiaufsicht steht, haben die
       Behörden jetzt eine Autopsie zugesichert.
       
       7 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://chrdnet.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Riesendemonstration in Hongkong: Ein Frust, zwei Systeme
       
       15 Jahre nach der Rückkehr steckt die ehemalige Kolonie in einer
       politischen Krise. Gegen Peking und seine Statthalter demonstrieren in
       Honkong Hunderttausende.
       
 (DIR) G-20-Gipfel in Mexiko: Streber mit begrenzter Kraft
       
       Auf den Finanzmärkten wird wild spekuliert, zugleich fallen ganze
       Exportmärkte aus. Die wichtigsten Politiker der Welt setzen auf China. Doch
       das Land hat eigene Probleme.
       
 (DIR) Online-Blockade in Iran und China: Hochrüsten gegen die Netzfreiheit
       
       Werkeln am Parallelnetz: Iran und China entwickeln immer trickreichere
       Technologien, um das Internet überwachen und blockieren zu können.
       
 (DIR) Protest gegen China: Tibetische Mönche zünden sich selbst an
       
       Erstmals Selbstverbrennungen in Lhasa: Zwei Mönche haben sich in der
       tibetischen Hauptstadt mit Benzin übergossen und selbst verbrannt. Einer
       der Männer überlebte schwer verletzt.
       
 (DIR) China weist Korrespondentin aus: Angst vor dem Frühling
       
       Erstmals seit 14 Jahren weist die chinesische Regierung eine
       Korrespondentin aus. Der Druck auf ausländische Journalisten im Land
       verstärkt sich generell.
       
 (DIR) Chen Guangcheng: Wahlkampf mit blindem Bürgerrechtler
       
       Chen Guangcheng ist in den USA zum Wahlkampfthema geworden. Die
       China-Kommission des Kongresses kümmert sich um den Fall. China stellt eine
       Ausreise in Aussicht.
       
 (DIR) Kommentar China: Störfeuer aus der Provinz
       
       Chinas Regierung hat gelernt: Dissidenten im Exil schädigen das Image des
       Regimes weniger als Dissidenten in heimischen Gefängnissen.
       
 (DIR) Blinder Dissident in China: Chen will in die USA
       
       Aus Sorge um seine Sicherheit: Chen Guangcheng will nun doch ausreisen.
       Immer noch ungeklärt ist, ob er freiwillig die US-Botschaft in Peking
       verlassen hat.
       
 (DIR) Menschenrechtsexperte zum Fall Chen: „Der Hausarrest war reine Willkür“
       
       China wirft den USA „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. Doch dem
       Experten von Human Rights Watch zufolge haben die US-Diplomaten
       gesetzestreu gehandelt.