# taz.de -- Eurovision Song Contest: Das Festival des politischen Liedes
       
       > Treffen der Schnulzenbarden? Von wegen. Die Songs der Interpreten in Baku
       > sind voller versteckter politischer Botschaften – eine Top Ten.
       
 (IMG) Bild: Die Großmuttertruppe tritt für Russland an.
       
       Platz 1: Russland, Buranowskije Babuschki, „Party for everybody“ 
       
       [1][Originaltext]: „I will be putting a white tablecloth / I will be
       waiting for kids coming back home / The dough is rising joyously / And my
       heart is cheering“ 
       
       Deutsch: „Ich werde weißes Tischtuch legen / Ich werde warten, dass Kinder
       nach Hause kommen / Der Teig geht freudig auf / Und mein Herz jubiliert“
       
       Die russische Großmuttergruppe geht aufs Ganze. Täuscht die Zensoren mit
       folkloristischen Kostümen, selbstgebackener Lyrik und ungelenkem Englisch.
       Dabei ist offensichtlich: Weißes Tuch! Bring the Boys back home! Deutlicher
       kann die Kritik an der Lage in Tschetschenien gar nicht sein. Und
       Friedenslieder kommen immer gut an beim Songcontest. Der Sieg dürfte den
       Babuschkas damit sicher sein.
       
       Platz 2: Montenegro, Rambo Amadeus, „Euro Neuro“ 
       
       [2][Originaltext]: „Euro neuro, euro neuro / monetary break dance / euro
       neuro, euro neuro / give me chance to re-finance.“ 
       
       Deutsch: „Euro neuro, Euro neuro / Währungsbruchtanz / Euro neuro, Euro
       neuro/ gib mir die Chance zur Refinanzierung“ 
       
       Der 48-Jährige geht mit der Startnummer 1 ins Rennen, wird am Ende aber
       nicht ganz vorn landen. Zwar liefert sein Text, die brandaktuelle Hymne zur
       Eurokrise. Aber zu direkt. Zu platt. Er meint das tatsächlich ernst.
       
       Platz 3: Aserbaidschan, Sabina Babajewa, „When the music dies“ 
       
       [3][Originaltext]: „I still wanna keep us alive / But it’s cold, cold,
       cold, cold when the music dies / It’s all black and white and there’s no
       sunrise“ 
       
       Deutsch: „Ich will uns am Leben halten / Aber es ist kalt, kalt, kalt,
       kalt, wenn die Musik stirbt / Alles schwarz-weiß und kein Sonnenaufgang“
       
       Der Schmachtfetzen der 32-Jährigen ist eine eindringliche Warnung, was in
       Aserbaidschan mit der Opposition passieren wird, wenn das Liederfestival
       endet und Baku wieder aus dem Licht der internationalen Öffentlichkeit
       rückt. Traurig, aber wahr.
       
       Platz 4: Österreich, Trackshittaz, „Woki mit deim Popo“ 
       
       [4][Originaltext]: „Dei Popo hot Gefühle / Dei Popo is a Teil von dir /
       Sitz erm ned auf die Stühle / Dei Popo hot a Meinung yeah“ 
       
       Deutsch: „Dein Gesäß hat Gefühle / Dein Gesäß ist ein Teil von dir / Setz
       es nicht auf die Stühle / Dein Gesäß hat eine Meinung, jawohl“
       
       Die Austria-Rapper überraschen mit einer körperbetonten Hymne auf
       unterdrückte Minderheiten. Wird von dummen Diktatoren gern als
       „Meinungsfreiheit ist doch was für´n Arsch“ missverstanden. Gerade deshalb
       gut!
       
       Platz 5: Zypern, Ivi Adamou, „La La Love“ 
       
       [5][Originaltext]: „Oh oh oh, feel the energy between you and me / baby
       it’s so right / […] / How I’ve been waiting for this / lalalalalalalala
       love“ 
       
       Deutsch: „Oh oh oh, fühl die Energie zwischen dir und mir / Baby, es ist so
       richtig / […] / Wie habe ich hierauf gewartet / lalalalalalalala Liebe“ 
       
       Lala-Lyrik zu harmlosem Disco-Pop? Nein! Offensichtlich trägt die Zypriotin
       hier metaphorisch die Bitte vor, ihre immer noch in eine griechische und
       eine türkische Hälfte geteilte Heimat wiederzuvereinigen.
       
       Platz 6: San Marino, Valentina Monetta, „The social network song“ 
       
       [6][Originaltext]: „Beep Beep Uh Oh Oh? / How about a little chat? / Oo oo
       network fans / Meet ya @ the internet!“ 
       
       Deutsch: „Piep piep uh oh oh... / Wie wär’s mit einem Schwätzchen? / Oh oh,
       Netzwerk-Fans / Treffen wa uns @ Internet!“ 
       
       „Piep piep uh oh oh“, das klingt banal. Aber nicht, wenn man die Geschichte
       dieses Songs kennt. Ursprünglich sollte hier Facebook besungen werden. Aber
       die Nennung des Network-Giganten fiel der ESC-Zensur zum Opfer. So wird das
       Lied zum Hochgesang auf die Freiheit im Internet. Auch wenn es nicht zum
       Sieg reicht, jede Menge Klicks sind sicher.
       
       Platz 7: Israel, Izabo, „Time“ 
       
       [7][Originaltext]: „Feel free to turn me on / Feel free to change my song“ 
       
       Deutsch: „Sei so frei, mich anzumachen / Sei so frei, mein Lied zu
       verändern“
       
       Während in Osteuropa noch um Freiheit an sich gekämpft wird, ist die
       Debatte in westlich orientierten Ländern weiter. Das zeigt das Lied der
       israelischen Indie-Pop-Band: ein zeitgenössischer Beitrag zur
       Urheberrechtsdebatte.
       
       Platz 8: Ukraine, Gaitana, „Be my guest“ 
       
       [8][Originaltext]: „I’m always here for you / And you know I care for ya /
       Just remember / I love forever you / Yeah!“ 
       
       Deutsch: „Ich bin immer für dich da / Und du weißt, ich sorge mich um dich
       / Vergiss nicht / Ich liebe dich / Juhu“
       
       Ein Meisterwerk der Camouflage-Lyrik. „Sei mein Gast“ wirkt auf dem ersten
       Blick wie das einladende Werk des EM-Gastgeberlandes. Bei genauem Hinsehen
       wird aber überdeutlich: Die Sängerin versetzt sich in die Rolle von Angela
       Merkel und sendet in ihrem Namen eine Botschaft an die in der Ukraine
       inhaftierte Julia Timoschenko. Subtiler geht es gar nicht.
       
       Platz 9: Ungarn, Compact Disco, „Sound Of Our Hearts“ 
       
       [9][Originaltext]: „Harmony can be achieved / (Just) find some way to get
       connected / Differences may not be wrong / They enrich (the) things that we
       know“
       
       Deutsch: „Harmonie ist möglich / finde einen Weg, um verbunden zu werden /
       Unterschiede müssen nicht falsch sein / Sie bereichern die Dinge, die wir
       kennen“ 
       
       Wow, ein in soften Elektropop verpacktes Plädoyer für Multikulti und
       genaues Hinsehen. Und das aus einem Land, dessen Präsident extrem nach
       rechs driftet, Justiz und Presse maßregelt. Klingt, als müsse man sich
       Sorgen machen um die offenherzigen Jungs.
       
       Platz 10: Weißrussland, Litesound, „We are the heroes“ 
       
       [10][Originaltext]: „No matter what they say, no matter what they do / I’ll
       make it alright, I’ll make it for you / Whe’re breaking down the walls / We
       are the heroes“ 
       
       Deutsch: „Egal was sie sagen, egal was sie tun / Ich mach es richtig, ich
       mach es für dich / Wir brechen die Mauer ein / Wir sind die Helden“ 
       
       Die Boygroup um die Brüder Dmitri und Wladimir Kariakin geht mit poppigen
       Anspielungen auf die DDR-Revolution 1989 an den Start. Für einen Beitrag
       aus der letzten richtigen Diktatur Europas mehr als gewagt („Wir sind
       Helden“) in den meisten Ländern kaum verstanden werden. Daher kaum mehr als
       Platz 10.
       
       8 May 2012
       
       ## LINKS
       
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