# taz.de -- Roman Lob beim ESC: „Ich besitze keine Deutschlandfahne“
       
       > Roman Lob wird Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten. Ein
       > Gespräch über Zuhause, Piraten und Aserbaidschan.
       
 (IMG) Bild: Hier singt die deutsche Hoffnung in Baku: Kristallhalle.
       
       taz: Herr Lob, sind Sie schon einmal so weit wie nach Aserbaidschan
       verreist? 
       
       Roman Lob: Noch nie, nein.
       
       Wie geht es Ihnen wenige Tage, ehe es nach Baku zum Eurovision Song Contest
       losgeht? 
       
       Muss ich ehrlich sagen – ich bin schon ziemlich aufgeregt. Es wird, glaube
       ich aber, ein geiles Ding.
       
       Sie haben doch bestimmt Einflüsterer, die Sie zu beruhigen suchen, oder? 
       
       So würde ich die nicht nennen. Es sind Freunde, Menschen, die hinter mir
       stehen. Alle sagen sie mir, ich soll doch einfach mein Ding durchziehen.
       Ich glaube, das ist wichtig, das eigene Ding. So sein, wie man ist. Sonst
       sieht es wie eine Fassade aus.
       
       Haben Sie eine Idee davon, was das sein könnte – Ihr Ding? 
       
       Auf die Bühne gehen, 100 Prozent geben, Spaß haben. Das ist die Hauptsache,
       und dann warte ich ab, wie die Leute vor dem Fernseher drauf sind.
       Vielleicht sagen sie: 12 Punkte!
       
       Was ist für Sie der Eurovision Song Contest? 
       
       Verschiedene Kulturen treffen aufeinander, eine riesige Klassenfahrt auf
       europäisch, wo Musik gemacht wird. Ich hab das bei Backstageberichten mit
       Lena vor zwei Jahren gesehen – so sah das aus.
       
       Möglicherweise eine Fassade – doch Sie haben keine Furcht, in einer
       riesigen Halle plötzlich sich klein zu fühlen, etwa, wie es bei Max Mutzke
       vor acht Jahren aussah, als der beim ESC mitmachte? 
       
       Ich werd mich nicht erschrecken. Vielleicht werde ich überwältigt sein.
       Könnte sein, dass ich denke, wenn ich die Bühne in Baku das erste Mal
       betrete: Boah, die ist ja viel größer als groß. Ich werde es angehen!
       
       Der Rummel um Sie ist heftig, Ihr Leben, das eines musizierenden
       Industriemechanikers, hat sich ziemlich geändert. Haben Sie schon mal
       bereut, sich beim Casting für „Unser Star für Baku“ beworben zu haben? 
       
       Auf keinen Fall. Bis jetzt hat alles super viel Spaß gemacht. Ich habe
       nicht das Gefühl, dass ich als Person aufgefressen werde.
       
       Was Sie empfindlich stören würde? 
       
       Erstens das, ja klar. Aber das würde auch gar nicht gehen. Ich bin immer
       Roman Lob, mal genervt, mal gut drauf. Eigentlich immer super drauf.
       
       Sie wirken mit Ihren Käppis und Mützen sehr modisch. 
       
       Ja, ich habe mehrere davon, Mützen, Basecaps, die habe ich auch getragen,
       als es noch kein „Unser Star für Baku“ gab. Ich bin nicht so ein Fan von
       meinen Haaren, muss ich ehrlich zugeben. Eigentlich habe ich immer so einen
       bad hair day. 
       
       Bitte? 
       
       Na, meine Haare sitzen nie. Und wenn ich sie mit Gel oder irgendwas sonst
       style, bin ich nie zufrieden. Da können andere sagen, dass es auch ohne
       Mütze gut aussieht – seit der achten Klasse trage ich ständig Kappen.
       
       Bis zu welcher Temperaturgrenze? 
       
       Für die heißen Tage gibt es ja Indoor-Mützen.
       
       Mischen sich Ihre Eltern in Ihr Styling ein? 
       
       Tun sie, ja. Die Frage ist nur, ob ich darauf höre. Die wollen, dass es mir
       gut geht, und ich will auch, dass es mir gut geht. Meine Mutter und mein
       Vater wollen, dass ich mein Ding mache. Meine Mum sagt, konzentrier dich,
       kehr in dich, such deine innere Ruhe – dann passt es.
       
       Wohnen Sie noch im Elternhaus? 
       
       Nee, ich bin vor kurzem ausgezogen. In eine eigene Wohnung, aber in der
       Nähe meiner Familie. Das mag ich, ich bin gern, wo auch meine Freunde und
       meine Familie sind.
       
       Warum? 
       
       Ich war jetzt lange auf Promoreise, zu Radiostationen, ich kenne jetzt alle
       deutschen Flughäfen – und heute Abend freue ich mich, mal wieder im eigenen
       Bett zu schlafen. Es ist nicht so, dass Hotels schlecht sind, da waren
       schon gute dabei, aber zu Hause ist es ja immer am besten.
       
       Nochmal zu den Mützen: Wie viele haben Sie von denen? 
       
       So sieben bis acht Mützen, Kappen so zwölf. Manche sammeln Briefmarken oder
       Geldmünzen, ich Kopfbeckungen. Ist ein Hobby.
       
       Würde man in vierzig Jahren eine Fotogalerie dieses Jahres aufblättern und
       sähe Sie, könnte man denken: Der hat bestimmt die Piraten gewählt.
       Beleidigt Sie das? 
       
       Ich wie ein Piratenwähler?
       
       Ja, so ein bisschen mützig … 
       
       … finde ich überhaupt nicht beleidigend. Jeder kann doch eine Meinung
       haben, die Piraten haben eine, andere andere Meinungen. Aber ob das nach
       Aussehen geht? Ich könnte auch die CDU wählen oder die Grünen – das weiß
       doch niemand, von außen betrachtet. Das wäre oberflächlich. Sehe ich einen
       Obdachlosen auf der Straße, denke ich doch auch nicht, das ist ein
       unfreundlicher Mensch.
       
       Sie sind schon des Öfteren zur Politik in Aserbaidschan befragt worden, zu
       Menschenrechtsfragen. Wie sehen Sie diese Diskussion? 
       
       Ich sage ehrlich, dass ich nach Aserbaidschan als Musiker gehe, und ich
       glaube, die anderen Länder auch. Im ESC sehe ich eine große Chance für
       Aserbaidschan – da wird sich was tun nach all den Diskussionen.
       
       Ist Lena mit ihrem Sieg in Oslo vor zwei Jahren ein Vorbild für Sie? 
       
       Ja, weil ich selbst auch die Idee bekam, mich zu bewerben. Ich wollte
       einfach das Feeling spüren, das war meine Inspiration.
       
       Geht es um Sie oder um Deutschland? 
       
       Ich vergleich den ESC immer mit dem Fußball und der Nationalmannschaft,
       obwohl ich wahrscheinlich nicht sagen sollte, ich bin die
       Nationalmannschaft für Deutschland.
       
       Weshalb denn nicht? 
       
       Eigentlich ist es so. Ich trete für Deutschland an, ich will alle glücklich
       machen und den bestmöglichen Platz holen. Das ist ja auch der Zweck der
       Sache, dass man da hingeht und dass hinterher Deutschland stolz auf mich
       ist.
       
       Aber an Jogi Löw sind die Erwartungen höher gespannt als an Sie? 
       
       Bei Jogi Löw ist alles höher geschraubt, klar.
       
       Gucken Sie auch Fußball? 
       
       Ich würde lieber einen Musikcontest gucken als Fußball, muss ich sagen. Ich
       bin nicht so der Riesenfan von Fußball, mir liegt Handball näher. Habe ich
       auch gespielt. Ich gucke gern Fußball bei Länderspielen, aber sonst nicht
       so.
       
       Viele werden zur Europameisterschaft im Fußball eine schwarz-rot-goldene
       Fahne aus dem Fenster hängen – Sie auch? 
       
       Ich besitze gar keine Deutschlandfahne, ich bin jetzt auch nicht so’n
       Riesenfan, dass ich eine Fahne raushängen müsste. Und wenn Deutschland
       nicht gewinnt, geht für mich auch nicht die Welt unter.
       
       Ihre Welt geht weiter, auch wenn Sie in Baku nicht so okay abschneiden? 
       
       Was soll ich denn machen, wenn ich schlecht abschneide? Ich gehe raus auf
       die Bühne und gebe mein Bestes. Danach geht mein Leben weiter, wo auch
       immer ich mich in der Tabelle wiederfinde. Ich überlege mir, wie es mit
       einem neuen Album weitergeht, wie das sein soll – und wenn irgendwann die
       Leute keinen Bock mehr auf Roman Lob haben, weil der den ESC verhauen hat,
       dann ist es das eben so.
       
       Sie machen sich nur wenige Gedanken … 
       
       … doch, mache ich. Ich wäre natürlich nicht glücklich, sollte ich als
       Letzter nach Hause fahren. Aber man kann dann nichts daran ändern. Man muss
       halt weitermachen.
       
       Als Industriemechaniker? 
       
       Auch, das habe ich ja gelernt. Aber erst einmal mit Musik. Ich gucke mal,
       was geht. Und wenn es dort nicht mehr weitergeht, dann weiß ich, was ich
       kann.
       
       Sie waren beim Casting für „Unser Star für Baku“ ein Paradiesvogel – als
       einziger Arbeiter unter lauter Lehramtsstudenten. 
       
       Ich war nie so der Lerntyp. Man muss ja auch kein Schulspitzentyp sein. Ich
       will jetzt einfach Musik machen – nicht theoretisch, sondern praktisch. Ich
       bin eher so ein praktischer Typ.
       
       16 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Eurovision Song Contest in Baku: Schnulzenkult trifft auf Personenkult
       
       In Aserbaidschan sorgt der Alijew-Clan mit Prestigeprojekten für seinen
       Machterhalt. Der Eurovision Song Contest kommt da recht. Aber die Oppositin
       hat auch Pläne.
       
 (DIR) Kolumne Bitches in Baku #2: Staub statt Standards
       
       Keine Fahrradfahrer, kein Öko-Zeug, Baustaub, Frauen auf Highheels und
       Männer mit spitzen Schuhen: Das sind nicht nur Klischees, das ist wirklich
       Baku!
       
 (DIR) Kolumne Bitches in Baku #1: Prestigeprojekte allüberall
       
       Baku ist gerüstet für den Eurovision Songcontest. Aus den Sümpfen wurde
       eine Halle gestampft, die LED-Lämpchen glühen und die Skyline mutet
       dubaiesk an.
       
 (DIR) Debatte um Menschenrechte und ESC: Ein Auge aufs Astreine haben
       
       Die ARD reagiert auf die Debatte um Menschenrechte und das Pop-Event: Der
       Unterhaltungskoordinator der ARD will künftig die Zugangsbedingungen zum
       ESC prüfen lassen.
       
 (DIR) Thomas D vor dem Eurovision Song Contest: Der Chefrocker vom Eifelhof
       
       Thomas D fliegt nächste Woche nach Baku und wird dort sehr viel reden
       müssen. Er hofft auf seinen Schützling Roman Lob. Bei Menschenrechtsfragen
       bleibt er nüchtern.
       
 (DIR) Eurovision Song Contest: Das Festival des politischen Liedes
       
       Treffen der Schnulzenbarden? Von wegen. Die Songs der Interpreten in Baku
       sind voller versteckter politischer Botschaften – eine Top Ten.
       
 (DIR) Umstrittene Eurovision in Asberbaidschan: „Europäische Lieder singen reicht nicht“
       
       Nicht nur Geschäfte machen: Westliche Staaten müssen konsequenter für die
       Menschenrechte in Asberbaidschan eintreten, fordert die
       Menschenrechtsaktivistin Leila Alieva.