# taz.de -- Kolumne Bitches in Baku #1: Prestigeprojekte allüberall
       
       > Baku ist gerüstet für den Eurovision Songcontest. Aus den Sümpfen wurde
       > eine Halle gestampft, die LED-Lämpchen glühen und die Skyline mutet
       > dubaiesk an.
       
       Es schmeckt ein wenig nach Tankstelle. Nach Parkhaus. Wenn es weht – und
       das tut es oft -, liegt ein Hauch von Petrolischem in der Luft.
       
       Das ist natürlich kein Wunder, Baku ist eine Art Klondike (einer der
       größten Goldräusche der Geschichte, Anm. d. Red.) des ölproduzierenden
       Gewerbes am Rande Europas. Hier wird der Treibstoff der Welt aus dem
       Erdreich unter dem Boden des Kaspischen Meeres geborgen, und in Baku selbst
       sieht man den nachsowjetischen Reichtum in Form einer dubaiesk anmutenden
       Skyline. Drei Hochhäuser, architektonisch wie in den Himmel lodernde
       Flammen realisiert, ragen empor und werden nachts mit einem Gewitter an
       LED-Lämpchen illuminiert.
       
       Man erkennt: Es ist Eurovision Song Contest in der Stadt! Was jetzt nicht
       fertig ist, soll kein Provisorium bleiben. Bis in die frühen Morgenstunden
       werkeln Tausende von Arbeitern an nachgerade allem, was Baku noch schöner,
       noch moderner, noch mehr erkennen lässt als Metropole mit Geld.
       
       Ein Experte, der seit neun Monaten mit der Planung des ESC betraut ist,
       eigens als Logistiker aus Deutschland angeheuert, zeigt mit seiner Hand von
       der Crystal Hall auf die Häuserlinie am Ufer des Kaspischen Meeres: „Die
       Platten, die Ankunftshalle, die gepflasterten Straßen, die Marina vor der
       Halle – vor einem Jahr war das alles noch Militärgelände, sumpfig, dreckig,
       verloddert, frei, um Neues zu gestalten. Das ist der Charme von politisch
       straffen Zügeln wie in Aserbaidschan: Hier beschließt man, mit vollen
       Konten im Hintergrund und dem Öl, das nie versiegen wird, dass hier, an
       dieser Stelle, ein Eurovision Song Contest stattfinden kann.”
       
       Nachdem das Jungmann/Frau-Duo Ell/Nikki in Düsseldorf den Wettbewerb im Mai
       2011 gewonnen hatte, hieß es: Na, die Azeris haben ja nicht einmal eine
       Halle, keine Verkehrsinfrastruktur, die ein solches Event bewältigen
       könnte, auch auf Gäste, die Freisinn und einen gewissen Modus von
       Schwuppigkeit in die Stadt tragen könnten, sei man nicht eingerichtet. Nun,
       offenbar doch.
       
       In Deutschland, sagt der Experte weiter, sei eine Halle in dieser kurzen
       Zeit nicht aus den Sümpfen zu realisieren möglich. Bebauungspläne,
       Kommunalausschüsse, Ausgleichsvorschläge für Menschen, die der Neubauten
       wegen umziehen, Ökozuschläge: Nein, das gibt jeder hier in Baku zu, dieser
       drakonische Wille, dem televisionären Europa zu zeigen, was diese reiche
       Republik am Saum des Morgenlandes so kann, funktioniert nur in
       Verhältnissen, die auf feintarierte Balancen im Politischen eher wenig
       Rücksicht nehmen müssen.
       
       Die Proben gehen derweil weiter. In der Halle selbst muss manche Panne
       beklagt werden. Mal fällt der Ton aus, dann wieder funktionieren
       Lichteraccessoires der Künstler nicht. Fotografieren war bis vorgestern
       verboten, selbst kleinste Strecken auf Straßen, die gleich geteert werden,
       könnten so sehr nach Befehl und bar allen Glanzes aussehen, dass man
       lieber, mit Hilfe von Ordnungskräften, darauf drängt, nichts abgebildet zu
       sehen. Schade, gerade dieses Unfertige hat die Anmut von frischer Energie
       und Weltbehauptung.
       
       15 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
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