# taz.de -- Pannenserie bei NSU-Aufklärung: Den Ermittlern fehlte die Fantasie
       
       > Früh gab es Hinweise, dass die Mordserie an Migranten mit einem Anschlag
       > 2004 in Köln zusammenhängen könnte. Im BKA hielt man das für ein
       > Hirngespinst.
       
 (IMG) Bild: Ratlosigkeit bei der Polizei: Nach dem Anschlag in der Kölner Keupstraße.
       
       BERLIN taz | Immer wieder gab es Vermutungen, dass der Nagelbombenanschlag
       in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004 mit der bundesweiten Mordserie an
       Migranten zusammenhängen könnte. Doch im Bundeskriminalamt (BKA) in
       Wiesbaden hielt man offenbar nicht viel von dieser These. Heute weiß man:
       Sie stimmte.
       
       Ein gutes Jahr nach dem Anschlag im Kölner Stadtteil Mühlheim zitierte die
       Nachrichtenagentur dpa einen Kölner Polizisten, in beiden Fällen seien die
       möglichen Täter mit Fahrrädern gesehen worden; dem gehe man nun nach. „Ist
       im Ticker unter ’Vermischtes‘ erschienen“, schrieb ein BKA-Beamter zu der
       Meldung in einer internen E-Mail. „Wenn da mal nicht wirklich was vermischt
       wird …“. Und ein anderer BKA-Mann kommentierte: „Auch das legen wir ab. Der
       Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
       
       Die Sätze stammen aus den Akten, die der Untersuchungsausschuss des
       Bundestags zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) momentan
       durcharbeitet. Und sie sind nur ein Beispiel von mehreren, das zeigt, wie
       oberflächlich eine mögliche Verbindung zwischen der Mordserie mit der
       Ceska-Pistole und dem Kölner Anschlag, bei dem damals 22 Menschen verletzt
       wurden, geprüft wurde.
       
       An diesem Donnerstag wird ein Polizeiprofiler vor den
       Untersuchungsausschuss geladen, der sich intensiv mit der Mordserie an acht
       türkisch- und einem griechischstämmigen Migranten befasst und im Frühjahr
       2006 ebenfalls empfohlen hatte, einen Zusammenhang mit dem Anschlag in Köln
       in einer „Straße mit eindeutig erkennbarem Schwerpunkt türkischer
       Geschäfte“ zu prüfen – was aber nie konsequent passierte.
       
       ## „Äpfel nicht mit Birnen vergleichen“
       
       Im September 2006 sah es erst noch so aus, als nehme man die Parallelen
       ernst. Die Ermittler beider Fallkomplexe trafen sich in Franken. Da eine
       Zeugin, die in der Nähe eines der Mord-Tatorte zwei Radfahrer gesehen
       hatte, Ähnlichkeiten mit Überwachungsbildern der Kölner Bombenleger erkannt
       hatte, regten die Ermittler eine vergleichende „Operative Fallanalyse“ des
       Anschlags in Köln und der bundesweiten Ceska-Mordserie an Kleinunternehmern
       an.
       
       Doch dazu kam es nicht. Bei einer Besprechung im März 2007 in München
       entschieden die Ermittler plötzlich, „dass eine Vergleichsanalyse zwischen
       dem Nagelbombenattentat in Köln und der vorliegenden Serie nicht gefertigt
       werden wird“, da „Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden können“. Es habe
       sich in der Kölner Keupstraße „nicht um eine gezielte Aktion in Richtung
       Einzelperson gehandelt, sondern sei eben eine Art Globalvorstoß gegen
       Türken gewesen“.
       
       Aber mit welchem Motiv? Drogenhandel, Streit im Zuhältermilieu,
       Verbindungen zur kurdischen PKK: All diesen Vermutungen ging die Polizei
       nach, sogar ein verdeckter Ermittler wurde in die Kölner Keupstraße
       eingeschleust.
       
       Einen rechtsterroristischen Hintergrund des Anschlags aber hatten die
       Ermittler gleich in den ersten Tagen ausgeschlossen und offenbar nie mehr
       ernsthaft in Erwägung gezogen. Der Generalsbundesanwalt, Deutschlands
       oberster Ermittler in Sachen Staatsschutz, prüfte zwei Tage nach dem
       Anschlag, ob er zuständig sein könnte – und verneinte.
       
       ## Ex-Innenminister Schily räumt Verantwortung ein
       
       „Ein terroristischer Hintergrund wurde von Seiten der Polizei
       ausgeschlossen“, heißt es in den Unterlagen zur Begründung. So habe es auch
       die Kölner Staatsanwaltschaft gesehen. Und schließlich habe sich auch der
       damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) öffentlich entsprechend
       geäußert – wofür er bisher als einziger, der einst an entscheidender Stelle
       saß, eine „politische Verantwortung“ einräumte.
       
       Unter Rechten scheint man die Tat hingegen schon früh richtig eingeordnet
       zu haben. Ein knappes halbes Jahr nach dem Anschlag lag in der
       Straßenbahn-Linie 16 in Köln ein Flugblatt eines offenkundigen
       Sympathisanten. „Es war mehr als ein Bombenanschlag, es war ein Zeichen von
       Protest“, hieß es dort – gegen die vielen Ausländer. „Wenn Sie mich fragen,
       war das erst der Anfang“, heißt es weiter. „Deutsche, wehrt euch!“
       
       Die Ermittler lasen das Flugblatt ganz anders. Ausländerfeindlichkeit sei
       dem Schreiben „nicht entnommen worden“, schreibt der Kölner
       Generalstaatsanwalt in internen Akten, vielmehr sei es als Aufforderung
       verstanden worden, sich „gegen den Fremdenhass zu wehren“.
       
       10 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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