# taz.de -- U-Ausschuss zur NSU hört Zeugen: Selbst das FBI wurde ignoriert
       
       > Bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie ignorierte die Polizei Hinweise
       > des FBI, dass es sich um Neonazis handeln könnte. Nun müssen die
       > Ermittler vor dem Bundestag aussagen.
       
 (IMG) Bild: Erst als die NSU-Mitglieder sich selbst umbrachten, entdeckte sie die Polizei.
       
       BERLIN taz | „Familienkrach“ notierte sich das Bundeskriminalamt im April
       2007 zu einem Krisentreffen der „OFA-Gemeinde“ in Mainz-Kastel. OFA steht
       für „Operative Fallanalyse“, besser bekannt unter dem neudeutschen Wort
       „Profiling“. Der Umgang miteinander sei „rufschädigend“, schrieb der
       BKA-Mann, eine Klärung nötig.
       
       Zum Krach in der Profilergemeinde hatten zwei sich völlig widersprechende
       Fallanalysen zu den Ceska-Morden geführt. Im Mai 2006 hatte der bayerische
       Polizeiprofiler Alexander Horn zum ersten Mal die Mörder von neun Migranten
       nicht in der organisierten Kriminalität vermutet, sondern glaubte, der oder
       die Täter könnten aus Fremdenhass zugeschlagen haben und vor dem ersten
       Mord im Jahr 2000 in der rechten Szene unterwegs gewesen sein – ein im
       Rückblick ziemlich präzises Profil der Terroristen des
       „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Der einzige Fehler: Weil Horn
       von einem „Ankerpunkt“ in Nürnberg ausgegangen war, beschränkte sich die
       Suche auch auf den Großraum Nürnberg und verlief im Sand.
       
       Nur wenige Monate später wurden dann baden-württembergische Polizeiprofiler
       gebeten, eine weitere Fallanalyse zu erstellen. An rechtsextreme Täter
       glaubten sie in ihrem im Januar 2007 vorgelegten Bericht aber nicht. Sie
       vermuteten eine kriminelle Bande aus Südosteuropa hinter den Morden, der
       die Opfer in die Quere gekommen seien. Ihre steile These: Die Killer
       hielten sich im Winter im Ausland auf, um dann vorzugsweise im Sommer in
       Deutschland zuzuschlagen.
       
       Der Fall zeigt, dass es sich beim Profiling offenkundig nicht um eine
       exakte Wissenschaft handelt. „Um zukünftig Friktionen zu vermeiden und
       einem uneinheitlichen Erscheinungsbild der OFA vorzubeugen“, lud das BKA
       die Fallanalytiker-Gemeinde im April 2007 nach Mainz-Kastel. Das Ergebnis:
       Sollte es zu einem „Fall 10“ in der Mordserie kommen, werde ein gemischtes
       Team gebildet, dem neben den Bayern und den Baden-Württembergern ein
       „Moderator“ angehören solle.
       
       ## Missionsgeleitete Türkenhasser?
       
       Ironie der Geschichte: Das Treffen, bei dem die Polizeiprofiler dies
       beschlossen, fand genau an dem Tag statt, an dem die Mörder des NSU in
       Heilbronn zum zehnten Mal zuschlugen und die Polizistin Michèle Kiesewetter
       ermordeten – der Zusammenhang zur Ceska-Mordserie an neun Migranten kam
       aber erst viereinhalb Jahre später ans Licht.
       
       Dabei hätte es noch eine zweite Chance für eine entscheidende Wende in den
       Ermittlungen gegeben. Im Juni 2007 legten Profiler der US-Bundespolizei FBI
       nach einem Besuch bei den bayerischen Kollegen eine kurze Einschätzung der
       Ceska-Morde vor. Sie kamen zu der These, dass der Täter „missionsgeleitet“
       sei, einen tiefen Hass gegen Türken hege und Gegenden mit einer hohen
       Migrantenrate frequentiere, um nach Opfern Ausschau zu halten.
       
       Doch selbst die Meinung der Experten aus dem Mutterland des Profiling
       führte nicht dazu, dass nochmals verstärkt die Spur in Richtung
       Rechtsextremismus aufgenommen wurde. Aus dem FBI-Papier würden sich „keine
       neuen Ermittlungsansätze“ ergeben, befand die oberste Steuerungsgruppe der
       für die Ermittlungen zuständigen Soko „Bosporus“.
       
       26 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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