# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Öffentlichkeit außer Kontrolle
       
       > Der Skandal ist nicht das „Skandalspiel“ zwischen Düsseldorf und Hertha,
       > sondern das mediale Gedöns danach. Was ist schlimm an einem Platzsturm
       > feiernder Fans?
       
 (IMG) Bild: Die Düsseldorfer Fans haben 15 Jahre auf diesen Moment warten müssen.
       
       Die Aufregung ist groß. Der Boulevard hyperventiliert, schreibt vom
       „Riesen-Skandal“. Allerorten: rhetorischer Alarmismus. Und dann auch noch
       das: Die ARD sendet einen Brennpunkt. Das ZDF nimmt ebenfalls das
       Erregungspotenzial auf und verlängert seine heute-Nachrichten.
       
       In keiner Fernsehsendung, in keinem Artikel dürfen sie fehlen, die
       Kennzeichnungen der Fans als Chaoten, Randalierer und Unbelehrbare. Ganz
       vorn dabei: die ARD-Kommentatoren Beckmann und Scholl sowie der Deutsche
       Fußball-Bund. Der DFB sei bestürzt und besorgt, lässt er wissen.
       
       Nach den Übergriffen in dieser Saison sei ein Punkt erreicht, „an dem neue
       Wege gegen Gewalt im Umfeld von Fußballspielen gegangen werden“ müssten.
       Auch die Polizei dreht an der Skandalisierungsschraube. Beamte hätten ein
       „Blutbad“ befürchtet. Der Hertha-Anwalt spricht von „Todesangst“, die die
       Profis aus der Hauptstadt ausgestanden hätten.
       
       Als Beweis der außer Kontrolle geratenen Zustände dient der Platzsturm im
       Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin am
       Dienstagabend. Schauen wir uns die Szene noch einmal genauer an: Die
       Nachspielzeit läuft. Es steht 2:2. Fortuna steht bei diesem Spielstand als
       Aufsteiger in die Bundesliga fest.
       
       ## Mühsam hochgekämpft
       
       Die Düsseldorfer Fans haben 15 Jahre auf diesen Moment warten müssen. Von
       der vierten Liga haben sie sich mühsam hochgekämpft. Entsprechend
       euphorisiert sind die Fans. Sie können es kaum erwarten, das in ihren Augen
       historische Ereignis zu feiern. Sie wollen zu ihren Aufstiegshelden auf den
       Rasen, sie umarmen und über den Platz tragen, Grasbatzen ausstechen für zu
       Hause und Teile des Tornetzes als Andenken mitnehmen. Ein Pfiff ertönt.
       
       Sie halten ihn für den Schlusspfiff. Eine Gruppe setzt sich in Bewegung.
       Andere folgen. Die Masse stürmt den Platz. Einmal in Bewegung, gibt es kein
       Halten mehr. Die Orgie beginnt. Doch es kommt zum Coitus interruptus. Das
       Spiel ist noch nicht zu Ende. Der Schlusspfiff war gar kein Schlusspfiff.
       
       Kommando zurück. Das Feld wird geräumt. Nach gut 20 Minuten geht es weiter.
       Sieht so ein Skandal aus, der am Folgetag republikweit breitgetreten wird
       und wichtiger erscheint als der Rauswurf eines Ministers durch die
       Bundeskanzlerin? Man fragt sich, was so schlimm an der Verkennung der
       Situation durch die Fans ist – und ist geneigt zu antworten: gar nichts.
       
       Was ist grundsätzlich schlimm an einem Platzsturm feiernder Fans? Auch
       nichts, denn sie wollen ja nur ihre Freude mit den Kickern ihrer Mannschaft
       teilen. In so einer Situation geht es nicht darum, gegnerische Spieler zu
       vermöbeln. Platzsturm ist nicht gleich Platzsturm. Wenn Gefahr für Herthas
       Spieler bestand, dann hätte sie von den eigenen blau-weißen Fans ausgehen
       können.
       
       ## Böller und Bengalos
       
       Aber die waren von Ordnern und Polizisten gut abgeschirmt in ihrem Eck und
       zündeten bisweilen Böller und Bengalos, die aus Sicht der Ultras zur
       Fankultur gehören und aus Sicht der Fußballverwalter in keine der
       antiseptischen Multifunktionsarenen moderner Prägung.
       
       Früher war es an der Tagesordnung, dass Plätze von jubelnden Anhängern
       gestürmt wurden. Das war bei der ersten deutschen Meisterschaft in der
       Bundesrepublik, 1949, so, als der VfR Mannheim Meister wurde. Das war auch
       beim Sieg von Manchester City am vergangenen Wochenende so.
       
       In England hat sich kein Mensch über die City-Fans aufgeregt, die die
       englische Meisterschaft feierten, nur ein paar City-Spieler rannten in die
       Katakomben, als seien die Ultras von Manchester United hinter ihnen her –
       ein Hinweis auf die Entfremdung der Fußballlegionäre von ihren Fans.
       
       ## Harmloses Ergebnis intrumentalisiert
       
       Man gewinnt den Eindruck, dass in der Causa Fortuna ein vergleichsweise
       harmloses Ereignis instrumentalisiert wird – und zwar nicht nur von Hertha
       BSC, das nach einem Einspruch auf eine Spielwiederholung hofft. Die Folge
       dieser hysterischen Nachberichterstattung dürfte sein, dass noch mehr
       reglementiert und der Fan in seine Schranken gewiesen wird.
       
       Es ist schlichtweg nicht mehr vorgesehen, dass er aus seiner Rolle des
       braven, auf seinem Sitzplatz verharrenden Jubelkomparsen schlüpft.
       Überwindet er aber die fast schon hermetische Trennung zwischen Spieler und
       Anhänger und überrascht dann die VIPs und VIP-VIPs mit unvorhergesehener
       Fußballemotion, dann tritt der Wächterrat auf den Plan. Er rekrutiert seine
       Mitglieder aus den Reihen des DFB, der Fußball-Profiliga DFL und geneigter
       Redaktionen. Es ist eine Koalition der Spielverderber.
       
       17 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
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