# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Vom DFB gibt's ein Schlüsselband
       
       > Kickende Autoren aus Deutschland, Polen und der Ukraine wollen sich die
       > EM nicht vermiesen lassen. An Einsatz mangelt es den versammelten
       > Feingeistern nicht.
       
 (IMG) Bild: „Fritz-Walter-Wetter“, forderte Schriftsteller Norbert Kron bei der Mini-EM der Autoren. Geregnet hat es nicht. Die deutschen Schreiberlinge gewannen trotzdem.
       
       Als der polnische Trainer seinen Spielern zehn Minuten vor Beginn der
       Mini-Europameisterschaft vorführt, wie ein regelgerechter Einwurf
       ausgeführt wird, ist klar: Hier spielen keine Profis. Zusammengekommen auf
       dem sattgrünen Rasenplatz des SC Westend in der Berliner Jungfernheide sind
       die Autoren-Nationalmannschaften aus Deutschland sowie den
       EM-Gastgeberländern Polen und der Ukraine.
       
       Es ist die erste Station eines Dreiländerkampfes, der die dichtenden Kicker
       auch nach Krakau und Lwiw führen wird. Ergänzt wird der sportliche
       Wettstreit durch gemeinsame Lesungen – eine Disziplin, die alle Beteiligten
       deutlich besser beherrschen.
       
       Dem Nachhilfeunterricht zum Trotz, an Einsatz wird es den versammelten
       Feingeistern an diesem Nachmittag nicht mangeln. Dabei müssen viele Spieler
       mit Handicaps auskommen, die dem ganz großen Sport im Wege stehen: Nicht
       wenige schleppen das ein oder andere Kilo zu viel über den Platz oder
       können der obligatorischen Pausenzigarette nicht widerstehen.
       
       Doch jeder der filigranen Wortartisten möchte ebenso filigran den Ball
       streicheln oder sich wenigstens nicht mangelnde Courage vorwerfen lassen
       müssen. Besonders die deutsche Mannschaft überlässt dabei nichts dem
       Zufall. Trainer Klaus Döring hat, so erfährt man von den Spielern, seine
       Truppe akribisch auf ihren ersten Gegner Polen eingestimmt, Zuordnungen
       festgelegt und den „Systemfußball“ beschworen.
       
       ## Schlenzer mit dem Außenrist
       
       Mehr taktische Anweisungen sind nicht nötig. Dass das notwendig ist,
       beweist die erste Halbzeit des Eröffnungsspiels der beiden EM-Ausrichter,
       die Polen mit 5:0 für sich entscheidet. Serhij Zhadan, Bestsellerautor
       („Depeche Mode“, „Hymne der demokratischen Jugend“) und Torhüter der
       Ukrainer, rutschen innerhalb von zehn Minuten zwei Bälle durch die Hände,
       die auch mit gutem Willen nicht als Torschüsse bezeichnet werden können.
       
       Die weiteren Treffer sind dagegen auf das Vermögen der polnischen Stürmer
       zurückzuführen, darunter ein Schlenzer mit dem Außenrist ins lange Eck. Ein
       Tor, das Robert Lewandowski zu allen Ehren gereicht hätte. Angesichts
       strahlenden Sonnenscheins und der eindrucksvollen polnischen Leistung wird
       im deutschen Lager gemutmaßt, wie den östlichen Nachbarn beizukommen sei.
       
       „Fritz-Walter-Wetter wäre gut“, mutmaßt Norbert Kron („Autopilot“), bevor
       ihm ernüchternd einfällt: „Ach, nein, die haben ja einen
       Matschfußballweltmeister in ihren Reihen.“ Vielleicht liegt es also am erst
       nach Spielende einsetzenden Wolkenbruch, dass die Deutschen ihre
       Auftaktpartie souverän mit 2:0 für sich entscheiden.
       
       Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dem Team seine Erfahrung zugutekommt. Die
       Ball-Literaten kicken seit Jahren zusammen, treffen sich gar zum
       wöchentlichen Training, während sich die Mannschaften der EM-Gastgeber erst
       jüngst formierten.
       
       ## Gemeinsame Erklärung
       
       Wenig überraschend verliert die Ukraine auch das abschließende Spiel gegen
       die Elf der DFB-Kulturstiftung durch zwei Tore des brandgefährlichen
       Wolfram Eilenberger („Finnen von Sinnen: Von einem, der auszog, eine
       finnische Frau zu heiraten“) und beendet das Turnier damit auf dem letzten
       Platz.
       
       Dennoch gehören der Mannschaft alle Sympathien. Mittelfeldmotor Jan
       Böttcher („Nachglühen“, „Das Lied vom Tun und Lassen“) schwärmt von der
       Möglichkeit sich mit seinen Zunftkollegen aus dem in dieser Zeit viel
       gescholtenem Land auszutauschen und abseits des Platzes ihre Geschichten
       und Erlebnisse zu hören. Der Diskussion um den Boykott begegnet er mit
       Argwohn: „Man darf den Menschen dort nicht auch noch die EM versauen.“
       
       Um gemeinsam Stellung zu beziehen, bereiten die drei Mannschaften eine
       gemeinsame Erklärung vor: Darin soll gegen Menschenrechtsverletzungen
       einerseits und gegen den Boykott des Turniers andererseits Stellung bezogen
       werden. Profihafter als zu Beginn bringen die Spieler das Turnier zu Ende.
       
       Nach einer freundlichen Laudatio nehmen sie die Glückwünsche und ein edel
       anmutendes DFB-Etui entgegen. Wie sich nach einem ersten Blick in die
       Schachtel herausstellt, hat ihnen der größte Sportverband der Welt ein
       Schlüsselband zum Dank überreicht. Die Polen und Ukrainer schmunzeln
       verlegen, allerdings nur für einen kurzen Moment. Dann beklatschen sie die
       Sieger.
       
       25 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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