# taz.de -- Wie die Berliner sich wieder aufführen: Hertha, du alte Lusche
       
       > Worüber Borussen und Bayern lachen können, wird an der Spree – klar – zum
       > „Skandalspiel“: Es ist immer das Gleiche mit der Hauptstadt und ihren
       > Männern.
       
 (IMG) Bild: Nee, da kann der Berliner so janich drüber lachen.
       
       Was die schon wieder haben! Wenn das „Skandalspiel“ jetzt nicht gegen
       Hertha, sondern, man darf ja mal träumen, gegen eine vom Abstieg bedrohte
       bayerische Mannschaft stattgefunden hätte? Die Bayern, egal welche, hätten
       doch nur dreimal kurz gelacht angesichts der drängelnden Düsseldorfer und
       mit süddeutscher Gemütlichkeit bei einem Weißbier abgewartet, dass es
       weitergeht.
       
       Oder wenn die Borussen von der Fortuna mit Wunderkerzen beworfen worden
       wären? Oder, zugegeben etwas realistischer, die Kölner? Einen Rheinländer
       würde so was nicht im Traum stören! Der ist vom Karneval ganz andere
       Kaliber gewohnt! Der frühstückt doch Rosenmontags drei Bengalos, bevor er
       loszieht! Auch Hanseaten hätten keine „Todesangst“ empfunden. Das empfinden
       die aus Prinzip nie. Wessen Ahnen die Meere bereisten, der fürchtet weder
       Pyrotechnik noch Teufel (St. Pauli, übrigens, hätte selbstredend einfach
       zurückgeschossen).
       
       Aber Berlin wieder. Irgendwie passt es zur Stadt: erst großmäulig, später
       kleinlaut. Erst mal motzen, erst mal alles auf die anderen schieben, später
       dann die Hände heben, die Mundwinkel runterziehen und nichts gewusst haben.
       Es gibt sogar einen passenden Witz dazu: Zwei Berliner machen Urlaub in
       Bayern. Sie sitzen auf einer Bank und lästern laut über Landschaft und
       Leute. Plötzlich kommen zwei kräftige Bajuwaren auf sie zu. Lass uns lieber
       abhauen, sagt der eine Berliner zum anderen. Die sind zu zweit. Und wir
       beide sind ganz alleine! Überhaupt, seit wann hat man hier Schwierigkeiten,
       wenn es etwas ruppig wird? Seit wann mag der Berliner keine
       Menschenaufläufe? Wer feierte denn tagelang an der gefallenen Mauer? Wer
       steht denn besoffen Silvester am Brandenburger Tor und prostet den Massen
       zu? Wer schunkelt sich denn die Fanmeile rauf und runter? Wer pisst denn zu
       Tausenden in den Tiergarten und läuft dann klebrige Schulter an klebrige
       Schulter hinter dem Love-Parade-Lkw her?
       
       Und wer singt denn: „Auf der Schönholzer Heide / da jab’s ne Keilerei / und
       Bolle jar nicht feige / war mittenmang dabei / hat’s Messer rausjezojen /
       und fünfe massakriert / aber dennoch hat sich Bolle / janz köstlich
       amüsiert“?
       
       Also. Natürlich ist es schön, wenn die Herthaner urplötzlich ihre sensiblen
       Seiten entdecken, die ihnen in den letzten zehn Jahren professionellen
       Sportlebens im Fußballinternat und beim Training ausgetrieben worden sind.
       Allein das Timing macht stutzig. Sogar in der aktuellen Werbekampagne des
       größten Autoherstellers Europas wird Fairplay thematisiert: Beim Rugby
       entschuldigen sich ineinander verkeilte Schränke permanent für etwaige
       Beulen, beim Elfmeter sagt der Schütze dem Torwart vorher an, in welche
       Ecke er spielt. „So fair war Sport noch nie“, lautet die Tagline, und
       vielleicht müsste man das „noch“ mit einem angenehm-unauffälligen,
       tieffrequenten Störton wegixen, sodass es auch jeder richtig versteht. Vor
       allem die Hertha.
       
       Und wo wir gerade so schön lästern: Wie viele gebürtige Berliner sind
       eigentlich momentan im Kader? Ähem. Na ja. Dit muss man aba ooch nich so
       eng sehn.
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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