# taz.de -- Niederlage vorm DFB-Bundesgericht: Hertha jetzt noch abgestiegener
       
       > Im Streit um die Wertung der Bundesliga-Relegation unterliegt Hertha BSC
       > auch vorm DFB-Bundesgericht. Die Berliner entscheiden erst nach Pfingsten
       > über einen erneuten Einspruch.
       
 (IMG) Bild: Es ist zum Verzweifeln: Hertha-Manager Michael Preetz und sein erfolgloser Anwalt Christoph Schickhardt.
       
       FRANKFURT/MAIN dpa | Nach der erneuten juristischen Niederlage von Hertha
       BSC ist auch an Pfingsten keine endgültige Entscheidung über den Aufstieg
       in die Fußball-Bundesliga in Sicht. Die Berliner wollen erst ihre
       Mitgliederversammlung am Dienstag abwarten, um danach über einen möglichen
       Einspruch gegen das Urteil des DFB-Bundesgerichts zum Relegationsspiel bei
       Fortuna Düsseldorf zu entscheiden. „Über Pfingsten wird in der Richtung
       nichts passieren“, sagte Clubsprecher Peter Bohmbach am Samstag auf
       dpa-Anfrage.
       
       Zunächst müsse „in Ruhe“ die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet und
       darüber beraten werden. Der mögliche Einspruch werde ein Thema bei der
       Versammlung sein, es gehe darum, ein „Stimmungsbild“ der Mitglieder zu
       gewinnen. Der Club habe unterdessen die Spieler informiert, dass sie
       zunächst in Urlaub gehen könnten. „Das ist aber kein Hinweis in die eine
       oder andere Richtung“, betonte Bohmbach. Die Profis sollten „zur Ruhe
       kommen“.
       
       Für die Düsseldorfer Fußball-Profis besteht hingegen weiter eine interne
       Urlaubssperre. „Es gibt vorerst keinen Urlaub, das wurde der Mannschaft am
       Samstagmorgen bei einem Treffen mitgeteilt“, sagte Club-Sprecher Tom
       Koster. Erst wollen die Düsseldorfer die Mitgliederversammlung der Berliner
       abwarten. „Bis Mittwoch sind unsere Spieler aber vom Training befreit, dann
       werden wir neu entscheiden, wie es weitergeht“, sagte Koster.
       
       Nach dem Urteil des Bundesgerichts herrschte zunächst aber Erleichterung
       bei den Rheinländern. „Ich bin froh und glücklich über diese Entscheidung“,
       sagte Finanzvorstand Paul Jäger nach der quälend langen, mehr als
       zehnstündigen Verhandlung in der Frankfurter Zentrale des Deutschen
       Fußball-Bundes. „Von heute an fühle ich mich wie ein Bundesligist. Jetzt
       feiere ich im Bistro.“
       
       ## Hertha-Präsident Gegenbauer kündigt Beratungen an
       
       Wie lange die Glücksgefühle anhalten, ist allerdings ungewiss. Berlins
       Präsident Werner Gegenbauer kündigte Beratungen an, ob das Ständige
       Schiedsgericht als nächsthöhere Rechtsinstanz angerufen wird. Dafür hat
       Hertha laut Lizenzierungsordnung des Ligaverbands mindestens eine Woche
       Zeit. Damit könnte der Hauptstadtclub den Sturz in die Zweitklassigkeit
       vielleicht noch abwenden.
       
       Das DFB-Bundesgericht hatte am späten Freitagabend in Frankfurt am Main
       nach einer mehr als zehnstündigen Sitzung die Berufung der Berliner gegen
       ein Urteil des DFB-Sportgerichts vom vergangenen Montag zurückgewiesen.
       „Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters stand nicht in Zweifel. Eine
       Schwächung der Mannschaft ist nicht erwiesen“, begründete der Vorsitzende
       Richter Goetz Eilers die Entscheidung.
       
       Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes hatte zuvor in erster Instanz
       den Einspruch von Hertha gegen die Wertung der Partie abgewiesen. Sollte
       der Urteilsspruch des Bundesgerichts bestehen, kehrt die Fortuna nach 15
       Jahren in die Bundesliga zurück. Die Berliner würde nach nur einer Saison
       wieder in die Zweitklassigkeit abstürzen.
       
       Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt zeigte sich nach dem Urteil
       „enttäuscht“, auf der Gegenseite herrschte dagegen Zufriedenheit. „Wir sind
       erleichtert. Das Bundesgericht hat richtig entschieden. Das ist eine sehr
       gute Sache für den Sport, weil der Fall ausführlich behandelt worden ist“,
       sagte Fortunas Rechtsbeistand Horst Kletke. Nach zwei Instanzen sei der
       Fall „ordentlich und gründlich entschieden worden“, sagte der Jurist.
       Kletke hofft nun auf Einsicht auf Berliner Seite und den Verzicht auf einen
       Gang vor das Ständige Schiedsgericht des DFB: „Jetzt ist es an der Zeit,
       sich der Entscheidung zu stellen“, empfahl Kletke.
       
       Schickhardt sprach in seinem Plädoyer von einem entstandenen „Totalschaden
       für den deutschen Fußball“ und forderte „eine Umdrehung des
       Spielergebnisses zu unseren Gunsten“ oder eine Neuansetzung. Der
       DFB-Kontrollausschuss empfahl dem Gericht, die Berufung zurückzuweisen.
       
       ## Rehhagel erzählt vom Krieg
       
       Das DFB-Bundesgericht befasste sich mit der Berufung des Berliner Clubs
       gegen das Urteil des Sportgerichts. Insgesamt wurden elf Zeugen gehört. Mit
       drastischen Worten hatte Hertha-Trainer Otto Rehhagel als Zeuge vor dem
       Bundesgericht für eine Wiederholung des Relegationsspiels plädiert. „Für
       mich war das alles irregulär“, meinte der 73-Jährige zum Fan-Auflauf in der
       Schlussphase des Spiels, „das war ein Ausnahmezustand, wie ich ihn in 40
       Jahren als Bundesligatrainer nicht erlebt habe.“
       
       „Wenn die Meute losrennt, gibt es kein Halten mehr“, berichtete Rehhagel.
       Er habe jedoch schon schlimmere Momente erlebt. Auf die Frage, ob er in der
       hitzigen Schlussphase Furcht gehabt habe, meinte Rehhagel: „Halb Angst …
       Ich habe 1943 in einem Keller im Ruhrgebiet gesessen, als uns die
       Amerikaner bombardiert haben.“ Nach 44 Minuten verließ der zu Anekdoten
       aufgelegte Trainer um 16.18 Uhr wieder den Sitzungssaal. Düsseldorfs Anwalt
       Horst Kletke entgegnete Rehhagel, es gebe „keinen Anlass, das Spiel mit
       Bombenwürfen aus dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. Hier wurde niemand
       verletzt.“
       
       Der Hauptstadtclub hatte nach dem 2:2 am 15. Mai in Düsseldorf Protest
       gegen die Spielwertung eingelegt. Weil Fortuna-Anhänger schon vor dem
       Abpfiff den Rasen stürmten, hatte Schiedsrichter Wolfgang Stark das Spiel
       für 21 Minuten unterbrochen. Als die Fans den Rasen wieder verlassen
       hatten, pfiff der Referee die Partie noch einmal für 93 Sekunden an.
       
       ## Folgenloser Paragraf 17
       
       Hertha berief sich nun auf Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung
       des DFB. Demnach können Einsprüche gegen die Spielwertung unter anderem
       erhoben werden, wenn die eigene Mannschaft geschwächt wird „durch einen
       während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit
       dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“.
       
       Aus diesem Grund führte Hertha-Anwalt Schickhardt dem Gericht eine
       77-sekündige Fernseh-Aufzeichnung vor. „Die TV-Bilder sollen zeigen, dass
       der Platzsturm erfolgte, als das Spiel noch lief, also als der Ball noch im
       Spiel war“, erklärte der Jurist. Zudem präsentierte er neues Bild-Material:
       Insgesamt 16 Fotos sollten die bedrohliche Ausnahmesituation rund um das
       Spiel belegen. Düsseldorfs Anwalt Kletke hielt seinerseits Aufnahmen
       entgegen – diese sollten zeigen, das in der Schlussphase keine Gefahr für
       Leib und Leben bestand.
       
       Um 12.52 Uhr hatte Eilers als ersten Zeugen von DFB-Seite Schiedsrichter
       Stark geladen. Der Richter wollte vor allem erfahren, wie gefährlich sich
       die Schlussphase der Chaospartie in Düsseldorf dargestellt hatte. „Ich
       hatte keine Angst, dass die Fans was von mir oder den Spielern wollten“,
       meinte Stark.
       
       ## Weitere Ermittlungen stehen noch aus
       
       Richter Eilers rekonstruierte anhand der Zeugenaussagen in ruhiger, aber
       bestimmter Weise die chaotischen Umstände in der Schlussphase der
       Begegnung. Bis zum Abend hörte Eilers unter anderen noch Hertha-Co-Trainer
       Ante Covic und Berliner Spieler, unter anderen Raffael. Er habe Angst „auch
       um meine Familie gehabt“, sagte der Brasilianer im Rückblick auf die
       Partie.
       
       Gegen beide Vereine, die Berliner Profis Lewan Kobiaschwili, Christian
       Lell, Thomas Kraft und André Mijatovic sowie Fortunas Andreas Lambertz
       ermittelt unterdessen noch der DFB-Kontrollausschuss. Diese Fälle werden
       voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.
       
       Hertha muss mit einer Geldstrafe rechnen, weil Fans Bengalos gezündet und
       auch aufs Spielfeld geworfen hatten. Düsseldorf droht sogar ein
       Geisterspiel oder eine Platzsperre. Auch Fortuna-Kapitän Lambertz steht
       Ärger bevor, weil er im Innenraum des Stadions ein Bengalisches Feuer in
       der Hand hielt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt indes gegen
       Zuschauer und Spieler beider Teams.
       
       26 May 2012
       
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