# taz.de -- Gewalt im Kongo: Eine Mahlzeit aus Blättern ist Luxus
       
       > Die Regierungsarmee bekämpft Tutsi-Rebellen, ruandische Hutu-Milizen
       > verstärken ihre Angriffe im Landesinneren. Die humanitäre Situation wird
       > immer dramatischer.
       
 (IMG) Bild: Kongolesische Regierungssoldaten kommen von der Front in Bunagana zurück, wo sie gegen Rebellen kämpfen.
       
       BERLIN taz | Die kongolesischen Flüchtlinge, die aus den Bergen hinunter in
       die Kleinstadt Minova am Kivu-See kamen, waren am Ende iher Kräfte. Jedes
       fünfte Kind hatte Durchfall, fast zwei Drittel der Menschen zu wenig zu
       essen, stellte ein Team des Hilfswerks International Rescue Commitee (IRC)
       fest. „Die Flüchtlinge haben nichts, ihr Besitz wurde bei Kämpfen
       geplündert oder angezündet“, so der IRC-Bericht.
       
       Sie hätten weder Kochutensilien noch Kleidung zum Wechseln, Zugang zu
       Latrinen oder Medikamenten gebe es nicht. Um zu überleben, müssten sie auf
       den Feldern der Einheimischen arbeiten, aber nur eine Minderheit bekäme
       auch nur einmal am Tag eine Mahlzeit aus Blättern und Süßkartoffeln.
       
       IRC schloss seine Untersuchung am 7. Mai ab, aber noch immer ist humanitäre
       Hilfe für die mindestens 17.000 Flüchtlinge in Minova sowie entlang der
       Landstraße Richtung Süden erst im Planungsstadium. Nothelfer in den
       ostkongolesischen Kivu-Provinzen haben derzeit kaum noch einen Überblick,
       wer alles vor Kämpfen und Übergriffen auf der Flucht ist. Zehntausende
       Menschen sind in den letzten Wochen nach Ruanda und Uganda geflohen, aber
       innerhalb Ostkongos steigt die Zahl der Vertriebenen ebenfalls stark an.
       
       ## Die Regierungsarmee hat sich gespalten
       
       Grund ist die zeitgleiche Eskalation einer Reihe lokaler Konflikte. Längst
       ist Ostkongo nicht mehr wie in den vergangenen Jahren einfach ein
       Flickenteppich aus Kongos Regierungsarmee, lokalen
       Selbstverteidigungsmilizen und der ruandische Hutu-Miliz FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Die Regierungsarmee hat sich
       gespalten: Unter Führung von Tutsi-Offizieren ist im April eine
       Rebellenarmee „Bewegung 23. März“ entstanden, die sich mit den
       Regierungstruppen täglich schwere Gefechte in den dicht besiedelten
       Grenzgebieten zu Uganda liefert.
       
       Die Regierungsarmee konzentriert sich auf diese Rebellen und überlässt den
       Großteil des Landesinneren den anderen bewaffneten Gruppen: der ruandische
       FDLR sowie lokalen kongolesischen Milizen. Diese tragen Namen wie
       „Patriotische Allianz für einen freien und souveränen Kongo“, „Front
       kongolesischer Patrioten“ oder „Raia Mutomboki“. Die beiden Letzteren
       greifen regelmäßig die FDLR an. Diese schlägt regelmäßig zurück. Fast jeden
       Tag werden FDLR-Überfälle auf ostkongolesische Dörfer mit vielen Toten
       gemeldet. Das war auch der Hauptgrund für die Massenflucht nach Minova.
       
       ## Massaker im Distrikt Masisi
       
       Besonders schlimm soll die Lage in einer Region in der Provinz Nord-Kivu
       sein, wo die FDLR bereits 2009 eine Reihe besonders schwerer
       Kriegsverbrechen verübte. Drei Jahre später werden jetzt neue Massaker mit
       über 100 Toten in derselben Region des Distrikts Masisi gemeldet. Lokale
       Milizen hätten die FDLR am 14. Mai angegriffen, woraufhin diese am 19. Mai
       an mehreren Orten zurückschlugen, zitierte der UN-finanzierte
       Rundfunksender Radio Okapi am Dienstag lokale Gemeindechefs: 5 Tote in
       Bitoyi, 36 Tote in Kibua, 39 Tote in Kibati, 47 Tote in Kilina Nyakiosi.
       Die Zahlen sind noch nicht verifiziert. Der gewählte Provinzabgeordnete
       Robert Senminga verlangte die Entsendung einer unabhängigen
       Untersuchungskommission, die Distriktverwaltung forderte die
       Regierungsarmee zur Rückkehr auf.
       
       Kongos Regierung ist aber offensichtlich überfordert: Für sie ist die
       Tutsi-Rebellion an der ugandischen Grenze die größere Herausforderung. Sie
       versucht nun, den mächtigen Nachbarn Ruanda zu Hilfe zu holen. Bei einem
       Treffen in der ruandischen Grenzstadt Gisenyi vereinbarten die
       Verteidigungsminister Kongos und Ruandas am 12. Mai, innerhalb von zehn
       Tagen einen „gemeinsamen Plan für Operationen gegen die FDLR“ zu
       erarbeiten. Eine Regierungskommission beider Länder bekräftigte am 19. Mai
       den Willen Kongos und Ruandas, „gemeinsam zu arbeiten, um der Existenz
       bewaffneter Gruppen in der Region ein Ende zu setzen“.
       
       23 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
       
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