# taz.de -- 75.-76. TAG KONGO-KRIEGSVERBRECHERPROZESS: „Gott beschützt uns“
       
       > Ein Telefonat zwischen den beiden Angeklagten vor ihrer Verhaftung
       > enthüllt, wie sie sich auf ihren Prozess vorbereiteten. Sie sehen sich
       > als Opfer, aber zugleich als von Gott geschützt.
       
 (IMG) Bild: Klinik für Vergewaltigungsopfer in Goma: Die FDLR sagt, Kongolesinnen lügen, wenn sie behaupten von der Miliz vergewaltigt worden zu sein.
       
       STUTTGART taz | FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Vize Straton
       Musoni, die seit jetzt über einem Jahr in Stuttgart vor Gericht stehen,
       wussten schon lange vor ihrer Verhaftung am 17. November 2009, dass ihnen
       ein Kriegsverbrecherprozess blüht. Am 18. Juli 2009 rief Murwanashyaka bei
       Musoni an und erklärte ihm in Detail, wie man sich gegen die zu erwartenden
       Vorwürfe zu verteidigen habe. Das Telefongespräch wurde am 9. Mai im
       Gerichtssaal des OLG Stuttgart vorgespielt - gegen den Widerstand der
       Verteidigung.
       
       „Du siehst die Anklage, die sie uns gaben“, fängt der FDLR-Präsident an.
       „Was sind die Vorwürfe, die sie uns machen? Nicht viele. Zuerst
       Vergewaltigung, das habe ich schon erzählt. Der andere Vorwurf gegen uns
       sind alle diese Massaker. Ein anderer Vorwurf gegen uns ist Ausbeutung des
       Reichtums des Kongo. Der andere Vorwurf ist Ablehnung der Entwaffnung. Es
       sind diese vier Punkte.“
       
       Es sei relativ schwer, sich dagegen zu wehren. Die Gerichte würden sich auf
       Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch sowie taz-Redakteur
       Dominic Johnson „stürzen“. „Was du tun sollst, ist Gegenargumente suchen“,
       rät Murwanashyaka seinem Stellvertreter. „Wenn man Vorwürfe, die man uns
       macht, berücksichtigt, kannst du nicht gewinnen, weil es sich um im Vorfeld
       vorbereitete Leute handelt.“
       
       Denn Angehörige feindlicher Gruppen würden behaupten, von der FDLR
       vergewaltigt worden zu sein, „und sie haben Beweise dafür. Oder jemand, der
       nach Ruanda zurückgekehrt ist, man kann sie hier herbringen und man hat
       ihnen im Vorfeld Geld gegeben und er sagt aus, dass Musoni selbst Befehle
       gegeben hat per Telefon, damit Leute vergewaltigt werden. Verstehst du?“
       
       ## „Man muss es bestreiten, das ist normal“
       
       Murwanashyaka erklärt weiter, wie er sich den Prozess vorstellt: „Sie
       sagen, in Masisi wurde ein Mädchen vergewaltigt, das war die FDLR.
       Gegenargumente zu haben ist nicht möglich, das sind Sachen wo es schwierig
       ist zu beweisen... Wenn man sagt, die Kongolesinnen, die von FDLR
       vergewaltigt wurden, man kann auch 100.000 haben und sie sagen, dass wir es
       sind, weil die FDLR gehasst wird. Es reicht aus, dass die kongolesischen
       Behörden sagen: Geht hin um auszusagen.“
       
       Wie soll man sich also verteidigen? „Man muss es zunächst bestreiten, das
       ist normal. Sie müssen zuerst Beweise finden. Man beschäftigt sich damit.
       Die Leute, die auf Terrain direkt dort sind, was können sie für uns
       machen?“ Vielleicht könnte ein FDLR-Kommandant aus dem Kongo als Zeuge der
       Entlastung auftreten. Aber „praktisch geht das nicht, mit welchem Pass kann
       ein Kommandant aus dem Wald reisen?“
       
       ## „Glaubst du, du kannst dich mit Merkel vergleichen?“
       
       Musoni versteht nicht, warum die FDLR-Führer in Deutschland vor Gericht
       sollen, weil ein FDLR-Kämpfer im Kongo eine Vergewaltigung begeht. „Reicht
       das aus, dass man dafür bestraft wird? Du zum Beispiel als Präsident der
       FDLR? Wenn ein französischer Soldat vergewaltigen würde...“
       
       Murwanashyaka kennt nun offenbar das Prinzip der Führungsverantwortlichkeit
       nicht, unter dem er jetzt vor Gericht steht - oder er ignoriert es.
       „Glaubst du, du kannst dich mit dem Franzosen oder dem Amerikaner
       vergleichen? Oder mit Merkel? Wenn ein US-Soldat vergewaltigt oder jemanden
       in Bagdad tötet, sagt keiner, dass es der Präsident der USA war, aber bei
       uns sagt man, es ist die FDLR, der Präsident.“
       
       „Unsere Organisation hat Gesetze, denen sie folgt“, wendet Musoni ein. „Du
       sollst begreifen, dass die Justiz unsere Gesetzenicht berücksichtigt“,
       stellt Murwanashyaka klar. „Ignace, du tust so, als ob du weniger Wert
       hast!“ erwidert Musoni. „Auch unsere Organisation folgt Gesetzen.“
       Murwanashyaka: „Die Justiz hier berücksichtigt die nicht.“
       
       Offenbar glauben die FDLR-Führer, sie werden zu Unrecht verfolgt, weil die
       FDLR nicht als Staat anerkannt wird - der sie ja gerne wäre. Andererseits
       fühlt sich Murwanashyaka sehr sicher, wenn auch aus anderen Gründen: Die
       FDLR werde jetzt nur verfolgt, weil sie durch die kongolesisch-ruandischen
       Militäroffensiven Anfang 2009 geschwächt sei. Vorher ließ der Kongo sie in
       Ruhe.
       
       „Nur die Logik des Stärkeren wird akzeptiert“, sagt der FDLR-Präsident.
       „Was man alles über Kagame schrieb: Wenn man so über ihn wie über dich als
       Schwächeren schrieb, man hätte ihn längst verhaftet. Sie verhafteten auch
       Bemba: Weil er die Wahlen verlor, konnte man alles mit ihm machen. Ist
       Kabila nicht kriminell? Warum verhaftete man nicht Kabila?“
       
       ## 
       
       An anderer Stelle meint Murwanashyaka: „Ich frage mich manchmal, warum sie
       uns nicht verhaften. Sie schreiben mehr über uns als über Bemba und andere,
       als sie Guerillakrieg geführt haben. Man muss Gott danken, dass man lebt
       und nicht verhaftet ist. Gott löst viele Probleme. Gott ist mitten in
       unseren Angelegenheiten.“
       
       Und gegen Ende wird der FDLR-Präsident theatralisch. „Ich kann dir nur
       sagen: Sei beruhigt. Wir werden die Gerichtsprozesse, falls es dazu kommen
       sollte, gewinnen. Gott, der uns bis jetzt beschützte - wenn es jemand
       anderes wäre, hätte man ihn längst verhaftet - dass man uns noch nicht
       verhaftete ist nicht, dass sie keine Argumente gefunden hätten. Jemand kann
       hier kommen und sagen, du Murwanashyaka oder du Musoni hast immer wieder
       Mudacumura angerufen oder einen Kommandanten und gesagt, wir sollen Frauen
       vergewaltigen. Glaubst du nicht, dass sie jemanden finden können unter den
       Rückkehrern, der das sagt? Dass sie das noch nicht taten ist, weil Gott uns
       schützt... Alles was auf dieser Welt passiert, ist nicht einfach. Du sollst
       zu Gott beten, morgens früh und abends vorm Schlafen, zum Gottesdienst
       gehen. Du musst Gott danken. Wir verdanken ihm, dass wir noch leben; es ist
       nicht, weil diese Welt es will.“
       
       ## Verteidigungsstrategie vorweggenommen
       
       Die Verteidigung hatte vergeblich beantragt, dieses Gespräch
       zurückzustellen, weil es auf ein anderes Gespräch folgen würde, das noch
       nicht eingebracht wurde, und der Zusammenhang wichtig sei. Aber der Senat
       folgt diesem Argument nicht. In diesem Prozess werden die abgehörten
       Telefonate sowieso nicht chronologisch eingebracht.
       
       Man kann verstehen, warum die Verteidiger das wollten: Murwanashyaka nimmt
       vier Monate vor seiner Verhaftung ziemlich komplett die
       Verteidigungsstrategie vorweg. Bereits am 7. Mai hatte die Verteidigung
       beantragt, eine Reihe von Zeuginnen zu laden und Textnachrichten
       einzuführen, die beweisen sollen, dass Kongolesinnen von Soldaten der
       kongolesischen Armee gezwungen wurden, zu sagen, dass sie von der FDLR
       vergewaltigt wurden.
       
       All dies ereignete sich vor der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 14.
       Mai aufgrund eines Befangenheitsantrags der Verteidigung gegen den Senat.
       Der Antrag wurde schließlich als unzulässig zurückgewiesen und die
       Verhandlung am 21. Mai fortgesetzt.
       
       Redaktion: Dominic Johnson
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bianca Schmolze
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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