# taz.de -- Energieexperte über Netzausbau: „Weniger Leitungen sind möglich“
       
       > Der Energieexperte des Bundesverbraucherverbandes, Holger Krawinkel, über
       > mehr Windstrom aus Süddeutschland, Neubautrassen und Kostensenkung.
       
 (IMG) Bild: Neben neuen Leitungen für den Ferntransport des Stroms, müssen auch die Verteilungsnetze modernisiert werden, findet Energiefachmann Holger Krawinkel.
       
       taz: Der neue Netzentwicklungsplan geht davon aus, dass bis zum Jahr 2022
       rund 3.800 Kilometer Höchstspannungsleitungen neu gebaut werden müssen, um
       die Energiewende zu schaffen. Brauchen wir so viele neue Leitungen? 
       
       Holger Krawinkel: Nein. Denn die Frage ist, wofür wir sie brauchen. Sie
       sind geplant, um die große Menge an Strom, die in den neu zu errichtenden
       Windkraftanlagen auf hoher See produziert werden sollen, in die Regionen
       mit hohem Verbrauch in Süddeutschland zu transportieren. Würde in
       Baden-Württemberg und Bayern selbst deutlich mehr Windstrom erzeugt,
       brauchte man auch weniger Leitungen von Nord nach Süd. Dies wäre auch
       effektiver, da die Erzeugung von Windstrom auf See hohe Kosten verursacht
       und technologisch risikoreich ist.
       
       Geplant sind vier große Neubautrassen von Nord nach Süd, die in den
       betroffenen Regionen auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Auf wie
       viele könnte man verzichten? 
       
       Die vier Leitungen braucht man, wenn man die geplante Leistung von zwölf
       Gigawatt auf See errichtet und der Ausbau der Windenergie an Land in
       Norddeutschland voranschreitet. Die so erzeugten Strommengen können im
       Norden gar nicht verbraucht werden und müssen deshalb in den Süden. Wenn
       man den Ausbau auf See zunächst auf vier bis fünf Gigawatt begrenzte,
       brauchte man nur noch zwei neue Nord-Süd-Leitungen.
       
       Gehen dann in Süddeutschland die Lichter aus? 
       
       Nein. Rund zehn Gigawatt Seewindstrom-Leistung lassen sich durch den Ausbau
       der Windenergieanlagen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ersetzen.
       Dass das machbar ist, zeigt Rheinland-Pfalz.
       
       Warum funktioniert das bislang nicht überall? 
       
       In Süddeutschland, vor allem auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald,
       gibt es häufig Widerstand gegen Windräder. Denn es nützt ja nichts, diese
       in windschwache Täler zu stellen, sondern sie müssen auf Anhöhen stehen und
       auch höher sein als bislang. Da ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig.
       
       Geht die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg das Thema an? 
       
       In den süddeutschen Ländern haben sich bereits parteienübergreifend
       Politiker gegen Windkraftanlagen auf See und für Windräder in ihren
       Regionen ausgesprochen. Diesen Worten müssen jetzt Taten folgen. Letztlich
       ist das auch für die Bewohner vor Ort günstiger, denn die Erzeugung und
       Verteilung von Seewindstrom ist deutlich teurer als die von Landwindstrom.
       Am Ende werden ja sämtliche Kosten für Erzeugung und Netzausbau auf die
       Verbraucher umgelegt.
       
       Sollte man gänzlich die Finger vom Seewindstrom lassen? 
       
       Das ist nicht nötig. Wir brauchen aber eine angemessene Lernkurve. Das
       bedeutet, dass man nicht zu viele Anlagen auf einmal errichten kann.
       Beispielsweise gibt es noch zu wenig Erfahrung, ob statische oder
       Korrosionsprobleme durch einen jahrelangen Betrieb entstehen.
       
       Was sollte die Politik jetzt am besten tun? 
       
       Vernünftig wäre ein Bundesausbaugesetz für erneuerbare Energien, in dem
       sich die einzelnen Bundesländer auf die jeweiligen Ausbauziele
       verpflichten. Darauf aufbauend muss man dann die Netzentwicklungsplanung
       vorantreiben. Das bedeutet: Wir brauchen nicht nur neue Leitungen für den
       Ferntransport des Stroms, sondern müssen auch die Verteilungsnetze
       modernisieren, um die Last- und Nachfragesteuerung zu verbessern. Hierbei
       ist eine Zusammenlegung der bislang über 850 Netzeinheiten nötig. So lassen
       sich Kosten senken und die Versorgungssicherheit erhöhen. Auch müssen wir
       über Reservekraftwerke nachdenken.
       
       3 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Richard Rother
       
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