# taz.de -- Abrüstung von Atomwaffen: Statt Taten nur Rhetorik
       
       > Statt zu verschrotten, modernisieren Kernwaffenstaaten ihre Arsenale. Das
       > zeigt der Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri. Die Zahl der
       > Friedenseinsätze stagniert.
       
 (IMG) Bild: Eine Atombombe mal in hübsch: Der Typ B 53 nach der Verschrottung in Amarillo im US-Bundessatatt Texas.
       
       STOCKHOLM taz | 19.000 Atomwaffen lagerten Anfang 2012 in den Arsenalen der
       acht Kernwaffenstaaten – USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China,
       Indien, Pakistan und Israel. Das sind 1.500 weniger als vor einem Jahr.
       Doch von einer realen Abrüstung könne keine Rede sein, konstatiert das
       [1][Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri] in seinem am Montag
       erscheinenden Jahrbuch. Verschrottet würden nur veraltete Atomwaffen,
       während gleichzeitig mit modernen nachgerüstet werde.
       
       „Kein Kernwaffenstaat zeigt mehr als rhetorischen Willen, seine
       Atomwaffenarsenale aufzugeben“, sagt der US-amerikanische
       Sipri-Nuklearwaffenforscher Shannon Kile. Die Abnahme in den letzten zwei
       Jahren beruhe fast ausschließlich darauf, dass die USA und Russland im
       START-Abkommen von 2010 eine Reduzierung ihrer strategischen Nuklearwaffen
       vereinbart hätten. Russland habe binnen einem Jahr 1.000 Sprengköpfe
       verschrottet und besitze noch 10.000. Die USA hätten um 500 auf 8.000
       reduziert. Sofort einsatzbereit seien in den USA 2.150 und in Russland
       1.800 atomare Sprengköpfe.
       
       Die USA und Russland hätten umfassende Programme zur Modernisierung ihrer
       Atomwaffenarsenale beschlossen, Indien und Pakistan aber – die nicht
       Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags sind – neue Raketensysteme
       entwickelt, die Atomwaffenbau befördern können. Zudem bauten sie ihre
       Kapazitäten aus, um spaltbares Material zum Waffengebrauch zu produzieren.
       
       Bei diesen Staaten sei, ähnlich wie bei Israel, die Lage der Information
       über den Atomwaffenbestand schwierig. Doch geht Sipri davon aus, dass in
       Indien und Pakistan zwischen 80 und 110 und in Israel 80 Atomsprengköpfe
       einsatzbereit sind. Nordkorea habe offenbar die technischen Voraussetzungen
       zur Herstellung von Atomwaffen, doch sei nicht verifiziert, dass es diese
       Waffe besitze.
       
       ## Nuklearterrorismus eindämmen
       
       Die Möglichkeit zukünftiger Fortschritte der atomaren Abrüstung beurteilt
       Sipri eher pessimistisch. Russland und die USA hätten klargemacht, dass
       eine Voraussetzung hierzu auch die Einbeziehung der anderen Unterzeichner
       des Atomwaffensperrvertrags von 1968 sei. Das dürfte vor allem an China
       scheitern. Peking sei offenbar dabei, sein Atomwaffenarsenal aufzurüsten,
       wenn auch nur langsam. Oberste Priorität habe daher, zunächst eine weitere
       Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern und das Risiko des
       Nuklearterrorismus einzudämmen.
       
       Neben Sicherheitsanalysen und aktuellen Zahlen über Waffenhandel,
       Militärausgaben und Waffenproduzenten veröffentlicht das Sipri-Jahrbuch
       auch eine Bilanz der weltweiten friedensbewahrenden und auf Konfliktlösung
       gerichteten Einsätze. Ähnlich wie beim Stagnieren der Rüstungsausgaben
       mache sich auch hier die globale Finanzkrise bemerkbar. Für die
       Friedenssicherung sei 2011 weniger Geld vorhanden gewesen, weil die
       nationalen Regierungen ihre Budgets gekürzt hätten und nur „schlankere
       Operationen“ hätten finanziert werden können.
       
       Die Zahl der „Friedensoperationen“ 2011 sei mit 52 die zweitniedrigste der
       letzten 10 Jahre, während 262.000 Personen zum Einsatz gekommen seien – die
       zweithöchste Anzahl in derselben Periode. Diese beziehe sich auf
       Nato-Operationen und hierbei vor allem auf die Isaf-Truppe in Afghanistan.
       
       4 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.sipri.org/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Vernichtung von Atomwaffen: Moskau bremst nukleare Abrüstung
       
       Die USA stellten Russland Milliarden Dollar für die atomare Abrüstung zur
       Verfügung. Die Bedingungen zur Verlängerung des Programmes gefallen Moskau
       nicht.
       
 (DIR) Schwarz-gelber Koalitionsvertrag: Atombomben bleiben in Deutschland
       
       Bei einem wichtigen außenpolitischen Ziel ist die Bundesregierung
       gescheitert: dem Abzug von US-Atombomben. Der Grund ist eine
       NATO-Erklärung.
       
 (DIR) Kommentar Waffenhandel: Es riecht nach doppelter Moral
       
       Seit gut zwanzig Jahren dauert nun schon der Kampf, die Kontrolle des
       Waffenhandels auf die Tagesordnung der EU zu setzen. Jetzt ist es endlich
       soweit.
       
 (DIR) Kommentar U-Boot-Lieferung: Wo Grass recht hat
       
       Dass Deutschland U-Boote an Israel liefert, die atomar aufgerüstet werden
       können, hat bislang für wenig Entrüstung gesorgt. Ganz im Gegensatz zu
       Grass' missglücktem Gedicht.
       
 (DIR) Kommentar Rüstungsausgaben: Ein halbes Prozent für den Hunger
       
       1.738.000.000.000 Dollar – soviel haben die Staaten weltweit im vergangenen
       Jahr für ihr Militär ausgegeben. Das entspricht 249 Dollar pro Mensch auf
       diesem Planeten.
       
 (DIR) Gespräche zu Irans Atomprogramm: Keiner will nachgeben
       
       Am Ende der Gespräche in Bagdad über das iranische Atomprogramm steht nur
       ein Folgetermin. Die US-Regierung will Teheran keine Zusagen machen.
       
 (DIR) Debatte Iran: Im Schatten der Bombe
       
       Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit, einen Krieg abzuwenden zwischen
       Israel und dem Iran. Am Mittwoch wird in Bagdad erneut über das iranische
       Atomprogramm verhandelt.
       
 (DIR) US-Rüstungsexperte Seay über Atomwaffen: „Politisch eine schlechte Idee“
       
       Der Rüstungsexperte Edward Seay erklärt den geringen militärischen Nutzen
       der in Europa stationierten US-Atomwaffen. Und sagt, warum sie trotzdem
       nicht abgezogen werden.
       
 (DIR) Nordkorea: Droht der nächste Atomtest?
       
       Südkoreanische Sicherheitskreise und ein interner Informant in Pjöngjang
       rechnen schon bald mit einem nächsten Atomtest in Nordkorea. Auch Seoul
       rüstet auf.