# taz.de -- Schmähungen der Politik: Es lebe der Basar!
       
       > Mahner aller Parteien jammern: Egal ob Betreuungsgeld oder Fiskalpakt, es
       > würde gehandelt wie auf dem Basar. Aber ist das verwerflich? Nein. So
       > funktioniert Politik.
       
 (IMG) Bild: Tsetsetse... das sind ja Sitten: Ja, Politik ist ein einziger großer Basar.
       
       Wer sich besonders abfällig über den politischen Gegner äußern will, kommt
       anscheinend um eine bestimmte Metapher nicht herum: den Basar-Vergleich.
       Der- oder diejenige verhandle ja wie auf dem Basar, lautet die ultimative
       Schmähung, gerne kombiniert mit scheinbar passenden Ergänzungen („Gezerre
       wie auf dem“, „orientalisch“ et cetera). Die Einsatzmöglichkeiten des
       Vergleichs sind unerschöpflich, der Basar passt für jede politische
       Situation, für jedes politische Thema.
       
       Beim Fiskalpakt fühlte sich jüngst etwa Gregor Gysi von der Linkspartei an
       ihn erinnert, während Rainer Brüderle von der FDP umgekehrt die
       streitlustige Opposition mahnte, die Verhandlungen dürften keinesfalls in
       einen solchen abgleiten. Auch Zeitungskommentatoren bauten so munter
       Marktstände in ihren Analysen zu dem europäischen Sparpaket auf, als würden
       sie dafür bezahlt.
       
       Dabei treibt der Vergleich in der gesamten deutschen Politik sein Unwesen.
       Es gilt – in Abwandlung von Godwin’s law – das eherne Gesetz: Eine
       politische Verhandlung muss nur lang genug sein, irgendwann kommt der
       Basar-Vergleich. Garantiert.
       
       Die NutzerInnen verteilen sich dabei gleichmäßig auf alle Parteien, und ihr
       Motiv ist immer das gleiche: Sie wollen ihr Gegenüber herabsetzen. Der
       Gegner agiere unseriös, lautet der Subtext, er trickse, ihm hafte ganz
       allgemein der Ruch der Täuschung, des Betrügerischen an.
       
       ## Ein dumpfes Klischee
       
       Nun ließe sich schon über dieses unterschwellige Ressentiment viel sagen:
       Warum gilt hierzulande Feilschen als unseriös? Ist der deutsche
       Markthändler mit seiner nicht verhandelbaren Marge im nicht verhandelbaren
       Preis ehrlicher als ein türkischer Basarhändler, der den Kunden am
       Verhandeln teilhaben lässt?
       
       So dumm das sprachliche Klischee also ist, so untauglich ist es zudem als
       politische Schmähung. Wer mit dem Basar-Vergleich auf hämische Lacher und
       politikverdrossenes Nicken beim Publikum zielt, verkennt, dass Politik ein
       einziges Aushandeln von Interessen ist. Und Politiker, die andere heute als
       Basarhändler beschimpfen, feilschen morgen wie die Weltmeister.
       
       Um es ganz klar zu sagen: Ja, Politik ist ein einziger großer Basar, auf
       dem Gruppen miteinander handeln. Und nein, das ist nicht verwerflich.
       Sondern es ist der Sinn von Politik.
       
       Deshalb ist es legitim, wenn sich SPD, Grüne und die Bundesländer beim
       Fiskalpakt so lange wie möglich querstellen. Und das für sich Bestmögliche
       herausholen. Schließlich stehen hinter ihnen relevante Bevölkerungsgruppen,
       die sie bei der Wahl beauftragt haben, ihre Interessen wahrzunehmen. Zudem
       sieht das parlamentarische System offensives Handeln ausdrücklich vor, ja
       fördert es sogar: Was wäre der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und
       Bundesrat anderes als ein Marktplatz, auf dem die Länder noch mal richtig
       feilschen könnten? Das gern kritisierte „Gezerre wie auf dem Basar“ ist
       also nichts Verachtenswertes, sondern die Konsequenz demokratischer
       Teilhabe.
       
       ## Verlogene Kritik
       
       Umgekehrt ist es verlogen, wenn SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas
       Oppermann das koalitionsinterne Dealen um das Betreuungsgeld als
       „Teppichhandel“ verunglimpft. Die politische Geschichte der Bundesrepublik
       ist eine Aneinanderreihung mehr oder weniger sinnvoller Kuhhandel, die
       Koalitionspartner miteinander schlossen.
       
       Als Rot-Grün an der Regierung war, verfuhr man mit den eigenen Projekten
       genauso. Auch dies ist nur sinnvoll: Ein Interessenausgleich zwischen
       gewählten Partnern lässt sich gar nicht anders organisieren, als ab und an
       auch sachfremde Themen gegeneinander zu tauschen.
       
       Und gar nicht mal selten wird Politik durch ausgiebiges Handeln sogar
       besser. Es ist folgerichtig, dass die Länder bei der Kinderbetreuung oder
       der Grundsicherung einen Finanzausgleich für den Fiskalpakt bekommen –
       anders hätten sie die Sparauflagen nicht stemmen können. Und auch den
       Unionsfrauen, die sich gegen das miefige Betreuungsgeld stemmen, ist zu
       wünschen, dass sie zumindest ein paar Verbesserungen für Mütter
       herausholen, denen nach langer Erziehungspause die Altersarmut droht. Der
       Basar ist also keine Schiebung, sondern er produziert Kompromisse, die
       Machtverhältnisse spiegeln. Kurz, es lebe der Basar!
       
       25 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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