# taz.de -- Kommentar Bedrohte Tierarten: Die Lonesome-George-Formel
       
       > Der einsame George hat Potenzial: Der Tod der letzten Pinta-Schildkröte
       > des Planeten gemahnt, dass der Erhalt der Lebensgrundlagen Dringlichkeit
       > hat.
       
       Lonesome George funktioniert. Am Sonntag starb die letzte Pinta-Schildkröte
       des Planeten in ihrer Zuchtstation auf den Galapagosinseln. Emotional tief
       bewegt zeigt sich darüber eine ganz andere Klasse von Landwirbeltieren, der
       Homo sapiens. George ist eben einer von uns.
       
       Sein Blick weise und melancholisch wie der eines alten Philosophen, der
       über die Vergänglichkeit alles Irdischen nachdenkt. Sex war auch ein Thema,
       klappte nicht mehr so. George war der Gandhi unter den bedrohten Tierarten,
       ein vegetarischer Pazifist.
       
       Das ist tatsächlich vermenschlichender Kitsch. Aber auch ohne
       Kindchen-Reaktionsschema sind George und die Galapagosinseln eine globale
       Metapher. Hier entwickelte Darwin seine Theorie, die den Menschen von der
       Krone der Schöpfung zu einem zufälligen Protagonisten evolutionärer
       Spielchen degradierte. Eine vermutlich vernunftbegabte Primatenart ohne
       Fell, die anhand von Georges Heimatinseln vorgeführt bekommt, was es auf
       dem Globus zu erhalten gilt. Stattdessen zerstören wir den Planeten mit
       einer Wucht, wie es erdgeschichtlich gesehen nur Kometen oder plötzliche
       Klimaumschwünge schaffen.
       
       Derzeit sterben so viele Arten aus, es gibt täglich Dutzende Lonesome
       Georges – nur sind sie nicht so süß. Nun ist es genau dieses Süßfinden, das
       den Menschen einzigartig macht. Empathie nicht nur gegenüber Artgenossen,
       sondern auch gegenüber so etwas Schrulligem wie einer einsamen Schildkröte.
       Eigentlich ein gutes Zeichen, dass nicht nur George „funktioniert“, um im
       Mediensprech einer guten Story zu bleiben.
       
       Wahrscheinlich gibt es einen emotionalen Code, der über kulturelle
       Barrieren hinweg funktioniert: Tiere ausrotten ist nicht gut. Natur
       zerstören auch nicht. Neben das Gefühlige gesellt sich ein banales,
       simples, tausendfach vorgetragenes Argument: Natur kaputtmachen heißt,
       unsere eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Stellt sich die Frage, die
       einen verzweifeln lässt: Warum bringen wir die Sachen nicht einfach in
       Ordnung?
       
       Es kann doch, ganz naiv gesprochen, nicht so schwer sein, einen
       umfassenden, globalen Rahmen zum Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen zu
       schaffen, eine Sache, die logisch wie emotional jedem Erdenbürger
       einleuchten dürfte. Zumindest zeigt der einsame George, dass es das
       Potenzial zu dieser Erkenntnis gibt.
       
       25 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
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