# taz.de -- Kommentar Facewatch-App in London: Datenschutz, aber warum denn?
       
       > In Großbritannien hat die Polizei eine Überwachungs-App entwickelt und
       > keiner protestiert. Warum nicht? Weil die Briten finden, Sicherheit gehe
       > vor.
       
       Eine Erfindung für Amateurspitzel – und niemand regt sich in Großbritannien
       darüber auf. [1][Scotland Yard hat eine App für Smartphones entwickelt],
       mit der man knapp 3.000 Fotos von mutmaßlichen Teilnehmern an den Londoner
       Krawallen im vergangenen August herunterladen kann. Erkennt man einen, soll
       man Namen und Anschrift melden.
       
       Warum protestiert niemand dagegen? Weil 80 Prozent der Briten finden, dass
       man persönliche Informationen im Dienste der Sicherheit oder der
       Schnäppchenjagd herausrücken muss. Die Nation füllt jedes Jahr rund 40
       Millionen Fragebogen von Marktforschungsinstituten und 54 Millionen
       Gutscheine für Preisnachlässe mit zum Teil sehr persönlichen Fragen aus.
       
       Mit den Kameras in den britischen Innenstädten, mit denen man lückenlos
       überwacht wird, hat man sich längst abgefunden. In keinem anderen
       westlichen Land käme eine Stadtverwaltung auf die Idee, sämtliche Gespräche
       von Taxi-Passagieren aufzeichnen zu lassen. Die Kommunalpolitiker in Oxford
       ließen die Pläne schließlich aus Kostengründen fallen.
       
       Sicher, es gibt Datenschutzgesetze. Aber solange Regierung und Behörden
       dermaßen sorglos damit umgehen, verkommt Datenschutz zum Witz. Die
       Unterlagen von Kindergeldempfängern, die Akten über al-Qaida und die
       Manipulation des Bankensystems zur Finanzierung des Terrorismus, die
       Papiere über die Sicherheitsvorkehrungen für den Flughafen Heathrow und
       über die Schutzmaßnahmen für den damaligen Innenminister David Blunkett
       wurden in Eisenbahnen, in Papierkörben oder vor Kneipen gefunden.
       
       Wo Datenschutz in den Köpfen der Regierung und der Bevölkerung so wenig
       verankert ist, führt das fast zwangsläufig zu Auswüchsen wie bei der News
       of the World, die Telefone von Prominenten, Mordopfern und Politikern
       angezapft hat. Auch mit der neuen App von Scotland Yard sind dem Missbrauch
       und dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet.
       
       26 Jun 2012
       
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