# taz.de -- Italiens Stürmer Mario Balotelli: Der Krieger
       
       > Die EM spiegelt die Karriere von Mario Balotelli in komprimierter Form.
       > Über alles Mögliche wird gesprochen, nur über ihn als Fußballer erfährt
       > man nichts.
       
 (IMG) Bild: Immer noch das ganz große Talent: Mario Balotelli macht vieles falsch.
       
       KIEW taz | Der will nicht nur spielen. Italiens Stürmer Mario Balotelli
       sucht die Wahrheit nicht nur auf dem Platz. Er will auch neben dem Platz
       wirken. Er gibt sich als Krieger, tut so, als könne er nicht lächeln. Er
       zieht durch Kneipen, obwohl er am nächsten Tag in der Liga ein Spiel
       bestreiten muss.
       
       Er ist mit seinen 21 Jahren zwar schon besser als so manch anderer, aber
       ein ausgewachsener Fußballer ist er noch lange nicht, obwohl er sich selbst
       schon mal als Genie bezeichnet hat. Und er hat keine Lust mehr, immer
       wieder Opfer rassistischer Beleidigungen zu sein. Er will sich wehren.
       
       All das, was seine kurze, aber erfolgreiche Karriere – er war schon
       italienischer und ist englischer Meister – ausgemacht hat, ist während der
       EM in komprimierter Form zum Ausdruck gekommen.
       
       Schon vor dem ersten Anpfiff in Warschau war Balotelli omnipräsent. Als die
       Diskussion über rassistische Fußballanhänger in den Gastgeberländern
       begann, da schaltete sich der Italiener mit ghanaischen Wurzeln schnell
       ein. Er würde den Platz verlassen, wenn einer mit einer Banane nach ihm
       werfen würde, hat er gesagt. Dann kam der Krieger in ihm durch. Er sagte,
       dass er Rassisten töten werde.
       
       Tatsächlich wurde er von kroatischen Fans als Affe verhöhnt. Balotelli hat
       natürlich niemanden getötet. Er wird sich geärgert haben, so wie über die
       Karikatur, die im Corriere dello Sport vom Dienstag zu sehen war. Die zeigt
       Balotelli als King Kong, der auf dem Big Ben sitzend Bälle, die auf ihn
       geschossen werden, abzuwehren versucht. Ein gut gemeinter Tiefschlag des
       Karikaturisten Valerio Marini. Wieder muss über Rassismus diskutiert
       werden, dabei sah es nach dem ansehnlichen Spiel der Italiener im
       Viertelfinale gegen England fast so aus, als könnte man endlich auch einmal
       über den Fußballer Balotelli sprechen.
       
       ## Es wird schwer für Hummels und Badstuber
       
       Der könnte auch gegen Deutschland zusammen mit Antonio Cassano das
       italienische Sturmduo bilden und weiter an der Neuausrichtung des
       italienischen Fußballs arbeiten. Italiens Trainer Cesare Prandelli
       jedenfalls war nach dem Erreichen des Halbfinales überaus zufrieden mit
       Balotelli. In der Tat war es Balotelli immer wieder gelungen, sich gegen
       die nun wahrlich nicht üblen Innenverteidiger John Terry und Joleon Lescott
       durchzusetzen. Das wird schwere Arbeit für Mats Hummels und Holger
       Badstuber.
       
       Balotelli, der immer ein wenig so dreinblickt, als schleppe er einen Kater
       von einem seiner letzten Kneipenbesuche mit über den Platz, hat gezeigt,
       wie schnell auch er reagieren kann, wie schnell er laufen kann.
       
       Das war nicht immer so. Im Turnier ebenso wenig wie in den Spielen, die er
       für Inter Mailand und Manchester City bestritten hat. Oft müssen die Fans
       die Augen verdrehen, wenn Balotelli wieder einmal nicht rechtzeitig auf
       einen guten Pass reagiert. Wenn er allerdings reagiert, dann kann er den
       Ball verarbeiten wie kaum ein anderer, weil er Ideen umsetzen will, auf die
       kein anderer kommen würde. Sich selbst den Ball zum Fallrückzieher
       vorzulegen, wie er es eigentlich gut bewacht gegen England getan hat, kann
       wirklich nicht jeder. Und doch hat er gegen England erst im
       Elfmeterschießen getroffen.
       
       ## Er macht noch viel falsch
       
       Balotelli ist eben immer noch nicht viel mehr als ein ganz, ganz großes
       Talent. Er macht einfach noch viel falsch auf dem Platz. Das hat Daniele de
       Rossi im Spiel gegen England so aufgeregt, dass es in der Halbzeit zum Zoff
       gekommen ist. Balotelli hatte ein schlechte Flanke geschlagen, was de Rossi
       maßlos geärgert hat. Der Mittelfeldspieler hatte schon vor diesem Sieg
       gesagt, Balotelli müsse endlich einmal „erwachsen“ werden. Er hat dabei
       nicht auf den Wohnungsbrand angespielt, den Balotelli mit Silvesterraketen
       ausgelöst hatte, genauso wenig wie auf die Prostituierten, die er sich mit
       Teamkameraden in England angeblich hat kommen lassen, oder auf eine von ihm
       geschrottete Luxuskarre.
       
       Nicht zu Unrecht hatte er sich Sorgen gemacht, dass sein Kollege auf dem
       Feld wieder einmal ausrasten, dass er zur Unzeit den Krieger herauskehren
       könnte. Balotelli gilt als leicht reizbar. Allein in der abgelaufenen
       Saison hat er in der englischen Premier League vier Rote Karten gesehen. Es
       ist oft etwas los auf dem Platz, wenn Balotelli spielt.
       
       Und was macht der gerne so genannte Skandalprofi vor dem Halbfinale? Am
       Dienstag ist er in der Krakauer Innenstadt in einer Shisha-Bar gesehen
       worden. Es war helllichter Nachmittag, er war bloß eine Stunde drin und
       Huren verkehren in dem Schuppen auch nicht. Bemerkenswert: keine Eskapaden.
       Er könnte in Form sein gegen die Deutschen.
       
       28 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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