# taz.de -- Betreuung II: Lästige Sommerferien
       
       > Kitas in Ladenwohnungen dienen nicht nur der Kinderbetreuung, sondern
       > auch dem Lebensstil erwachsener Kreativer. Ein Frontbericht
       
 (IMG) Bild: Prägnanter Befehlston in den Kita-Mails.
       
       Die E-Mails aus der Kita bestechen meist durch einen prägnanten Warn- oder
       Befehlston. Die Berliner Schulferien hatten begonnen, und nach einigen
       Tagen begriffen einige Eltern immer noch nicht, wie der Hase läuft. „liebe
       eltern bitte denkt daran dass wir erst um 9 uhr öffnen wenn es keine
       anmeldung vorher gab“, lautete der diesmal überraschend freundliche Hinweis
       an alle Eltern, wie üblich ohne dass jemand mit seinem Namen für diese
       Nachricht bürgte. E-Mails aus der Kita haben die nicht-unterzeichnete
       Absolutheit von Straßenschildern.
       
       Nun war es einerseits erst im vergangenen Jahr eine beträchtliche
       Herausforderung für die Elternschaft gewesen, als die Bringzeit im kleinen
       Kinderladen mit 25 Kindern morgens von zehn auf halb zehn vorverlegt worden
       war. Es gelingt nicht allen Menschen am Prenzlauer Berg, sich und sein Kind
       zu solchen Tageszeiten aus dem Bett herauszupräparieren.
       
       Andererseits leben nun einmal nicht alle als freischaffende
       WerbegrafikerInnen, Computersystemsteuerer oder DrehbuchautorInnen. Es gibt
       sie noch, die lohnabhängig Beschäftigten zwischen Bötzowviertel und
       Mauerpark, die tatsächlich vor halb elf anfangen zu arbeiten. Sie fangen
       sogar vor halb zehn an zu arbeiten. Eine Schulferien-bedingte Bringzeit ab
       neun Uhr empfinden sie als Problem. Sie haben einfach nicht die gleichen
       Urlaubsansprüche wie die Berliner Schulkinder und nicht die gleichen
       Arbeitszeiten wie all die freischaffenden WerbegrafikerInnen,
       Computersystemsteuerer oder DrehbuchautorInnen ringsherum.
       
       Sie müssen spätestens um neun im Büro sitzen und dort auch rund acht
       Stunden bleiben. Zur größten Verwunderung der anderen Erwachsenen im
       Kita-Kosmos können sie ihre Kind deshalb auch nicht selbst um vier abholen
       (danach herrscht praktisch nur noch Notbetrieb), weshalb es ihnen auch
       nicht selbstverständlich vorkommt, montags zu kochen, dienstags Laternen zu
       basteln, mittwochs die Spielgeräte zu schnitzen und am Wochenende zu
       putzen.
       
       Sie möchten dafür aber auch weder bemitleidet noch verachtet werden. Sie
       empfinden sich noch nicht einmal als unterjocht, auch wenn sie einen
       Arbeitgeber haben. Sie möchten sich aus diesem Zustand deshalb auch nicht
       unbedingt mithilfe der Erzieherinnen und der Elternschaft ihrer Kita
       befreien. Die Betroffenheitspause, als sie sich auf dem Elternabend trauen
       zu fragen, ob jemand über einen Ersatz nachgedacht hat, wenn es zu weiteren
       Ausfällen dank Brückentagen, Fortbildungen, Freizeiten oder eben
       Schulferien kommt, verursacht Herzklopfen. Vor Ärger.
       
       Vielleicht hätte man es wissen müssen, als man den Kitaplatz gesucht hat.
       Aber es war ja das erste Kind, und so viele Leute mit Kindern kannte man
       dann doch nicht. Man wusste auch nicht, dass anderer Leute Omas stets in
       Reichweite sind. Außerdem musste man lange suchen, bevor sich überhaupt ein
       Platz auftat.
       
       Prenzlauer Berg, eben. Geschmückt durch all die kleinen,
       vereinsorganisierten, so intim anmutenden Kitas in der Ladenwohnung an der
       Ecke. Die aber sind mindestens so sehr Lebensstil wie Betreuungsangebot.
       Gedacht für Leute, die sich ihre Arbeit selbst einteilen. Für die anderen
       Menschen, die das nicht tun, gibt es sicherlich andere Möglichkeiten. Eines
       Tages. Anderswo.
       
       8 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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