# taz.de -- „South-By-Southwest“-Festival in Texas: Im Sog des Branding
       
       > Superstars schauen vorbei, die Kommerzialisierung ist allgegenwärtig, das
       > Programm unüberschaubar. Zu Besuch beim „South By Southwest“-Festival.
       
 (IMG) Bild: Ob mit oder ohne Promis: Gefeiert wird an jeder Ecke.
       
       AUSTIN taz | Wo anfangen, um ein gefräßiges Monster wie das Festival South
       By Southwest (SXSW) zu beschreiben? 1987 gegründet, konzentrierte man sich
       in Austin, der inoffiziellen US-Musikhauptstadt, zunächst auf Musik, bevor
       zuerst ein Filmprogramm als zweites Standbein hinzukam und später das
       mittlerweile zum großen Zugpferd gewachsene Interactive Segment.
       
       Heute ist das von seinen Besuchern liebevoll South By genannte Festival, in
       Anlehnung an den Trip in den warmen Süden der USA, den es am Ausklang eines
       kalten Winters darstellt, zu einer Art Kultur-Marathon geworden, der sich
       über insgesamt elf Tage zieht. Da drängt sich der Gedanke auf, dass es ein
       allgemeingültiges Resümee des SXSW gar nicht geben kann. Allein das
       Musikprogramm, um das es hier gehen soll, ist eine Festival gewordene
       Überforderung. An fünf Tagen spielen mehr als tausend Künstler in Bars,
       Clubs, Hinterhöfen und an Orten, in die eine Anlage passt, rund um die
       Sixth Street, die Reeperbahn von Austin.
       
       Flankiert werden diese Konzerte von einem Kongress, der breit angelegt,
       aber schwach besucht, versucht, den Status quo einer Branche im Umbruch zu
       reflektieren, sowie einer Messe, deren Trostlosigkeit an die Popkomm
       erinnert.
       
       ## Musikalische Reizüberflutung
       
       Wer also ein Festival wie Rock Am Ring als für zu groß und zu
       unübersichtlich empfunden hat, darf seine Sensoren neu justieren.
       Strategien, dem Programm von South By gerecht zu werden, könnten
       dementsprechend unterschiedlich ausfallen.
       
       Mancher Journalist geht mit einem exakten Zeitplan an die Aufgabe heran, so
       dass kaum Zeit für soziales Geplänkel, aber im besten Fall für 20 bis 30
       Konzerte pro Tag bleibt. Keine schöne Vorstellung, aber da es sich ja um
       ein Showcase-Festival handelt, eine sehr professionelle Herangehensweise.
       Labels, Vertriebe und Bookingagenturen stellen ihre aktuellen Künstler vor.
       
       Ergänzt durch die diversen internationalen Exportbüros; so entsandte zum
       Beispiel die Initiative Musik für Deutschland Künstler wie Dillon und Coma
       nach Austin. Wer das Feld auf diese Weise sichtet, nimmt viel mit. Ob er es
       so empathisch aufgeladen tut wie das andere Extrem, jene SXSW-Besucher, die
       sich willenlos dem Sog des Festivals ergeben und in den Fluss der
       Ereignisse fallen, sei dahingestellt.
       
       ## Bunte Promi-Hochburg
       
       Dennoch, die aufregendsten Ereignisse finden sich zumeist am Wegesrand. Wo
       sonst kann man nachts in einem kleinen verranzten Club unvermittelt auf den
       New Yorker Rapper Raekwon vom Wu-Tang Clan stoßen, der gerade ein dem
       Ol’Dirty Bastard gewidmetes Best-of-Set spielt. Plötzlich taucht
       Nirvana-Bassist Krist Novoselic neben einem auf, der es sich nicht entgehen
       lassen will, wie seine einstigen Sub-Pop-Label-Kollegen Afghan Whigs
       gemeinsam mit Usher und Ahmed Gallab von Sinkane aufzutreten.
       
       Oder eben Nirvana-Drummer Dave Grohl, der in einem Panel-Vortrag sein Leben
       als musikalische Reise auf einer Tour de Force von Hardcorepunk-Tagen bis
       zum Stadion Rock ausbreitet. Auch Superstars ließen es sich dieses Jahr
       nicht nehmen, in Austin vorbeizuschauen. Einfach, da der Veranstaltung bei
       aller Spring-Break-Mania, die sie ausstrahlt, eben auch eine Coolness
       anhaftet, die man in der dahinsiechenden Musikbranche meist vergeblich
       sucht.
       
       So spielte Depeche Mode eine exklusives Clubkonzert. Prince und Frank Ocean
       traten gemeinsam bei einer Fanshow auf, für die man die Tickets jeweils nur
       im Netz gewinnen konnte. P. Diddy schaute für zwei Songs unangekündigt bei
       French Montana vorbei, und Justin Timberland performte exklusiv für My
       Space.
       
       ## Kommerzieller Ausverkauf?
       
       Womit der erste Markenname gefallen ist – relativ spät für einen Artikel
       über ein derart durchkommerzialisiertes Festival wie SXSW, bei dem sich
       2013 die Macht der Marken extrem manifestiert präsentiert hat. So extrem,
       dass viele schon gar nicht mehr davon gesprochen haben, welche Band sie
       sich anschauen wollen, sondern zu welchem Marken-Event sie gleich
       weiterziehen.
       
       Diese dritte Kategorie Festival-Besucher ist relativ neu beim SXSW und
       nicht unbedingt der Musik zuträglich. Denn diese spüren, sensibel wie sie
       als Künstler sein sollten, dass Publikum nicht gleich Publikum ist, gerade
       beim South By. So veröffentlichte beispielsweise die Band DIIV – Künstler
       des experimentellen Car-Park-Labels – im Netz ein Pamphlet gegen den
       SXSW-Habitus des Kommerzes.
       
       Auch die britische All-Girl-Band Savages, die mit ihrem Metalbeinflussten
       Post-Punk zu den Highlights des Festivals gehörte, kündigte an, nicht
       erneut nach Austin kommen zu wollen. Nun, das haben schon viele geschworen,
       und doch wächst Jahr für Jahr der Besucher- und Bandstrom nach Austin.
       
       21 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Venker
       
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