# taz.de -- Interview über die Agrarindustrie: "CDU ist radikale Minderheit"
       
       > Nur eine Agrarwende kann Niedersachsens Höfesterben stoppen, sagt
       > Christian Meyer, Vize der Landtags-Grünen. Mit der CDU sei das nicht
       > denkbar.
       
 (IMG) Bild: Zweitgrößte Industrie Niedersachsens: Hähnchenmaststall im Kreis Diepholz.
       
       taz: Herr Meyer, SPD-Spitzenkandidat Stefan Weil will die Agrar-Politik in
       ein Europa- und Regionenministerium eingliedern … 
       
       Christian Meyer: Ein erweitertes Agrarministerium darf nicht mehr
       Schutzpatronin der Massentierhaltungslobby sein. Das ist richtig. Jetzt
       muss es aber erst einmal darum gehen, die schwarz-gelbe Regierung
       vollständig abzulösen.
       
       Ach, das war gar kein Vorstoß Weils, Sie von vornherein als
       Minister-Kandidaten zu verhindern? 
       
       Nein. Über Personalien entscheiden die Parteien nach der Wahl. Klar ist:
       Energie, Bildung und Landwirtschaft sind für die Grünen Kernressorts, wenn
       es darum geht, in Niedersachsen mehr Klimaschutz, eine bessere
       Bildungspolitik und eine ökologische Agrarwende einzuleiten.
       
       Macht die nicht vielen Angst? 
       
       Das sehe ich anders: Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt riesige
       Agrarfabriken mit Tausenden eingepferchter Schweine und Hunderttausenden
       Hühnern ab. Und das gilt auch für die traditionell konservativen Regionen:
       Laut Umfragen sind die Grünen mittlerweile die Partei, der in
       landwirtschaftspolitischen Fragen ebenso wie im Umwelt und
       Verbraucherschutz die größte Kompetenz zugesprochen wird. Wir sind die
       Mitte der Gesellschaft. Die CDU-Landesregierung vertritt mit ihrem Einsatz
       pro Massentierhaltung eine radikale Minderheit.
       
       Na, diese radikale Minderheit stellt noch immer mehr Landräte als die
       Grünen. Und der in Uelzen kommt jetzt auch nicht durch Massen-Kundgebungen
       in Bedrängnis, sondern er wird per Personalrecht attackiert: Nur weil er
       gesagt hat, er kann einen Großstall, der beantragt werden soll, nicht
       verhindern. 
       
       Wahr ist, dass das schwierig ist: Deshalb fordern ja viele Kommunen – auch
       CDU-regierte – ein Ende des Baurechts-Privilegs für agrarindustrielle
       Anlagen.
       
       Ja eben. Und ein Landrat, der das mal ausspricht, dass es halt nicht geht,
       die Ställe zu stoppen – sieht sich direkt mit einer
       Dienstaufsichtsbeschwerde konfrontiert: Wird das jetzt der Stil der
       Agrarwende? 
       
       Wenn ein Landrat als Kopf der Genehmigungsbehörde noch bevor ein Antrag
       gestellt ist, den Ausgang des Verfahrens im Sinne des Investors
       vorwegnimmt, obwohl er an diesem Verfahren selbst nicht teilnehmen darf…
       
       … weil sein Bruder Anwalt des Investors ist… 
       
       Wenn sich dieser Landrat hinstellt und sagt: Die Anlage muss ohnehin
       genehmigt werden, dann hat er den Pfad der Unparteilichkeit schon
       verlassen, auf den er als Kopf der Genehmigungsbehörde verpflichtet wäre.
       Und dann haben die BürgerInnen allen Grund, sich dagegen zu wehren. Zumal
       er ja die Rechtslage nicht korrekt zusammengefasst hat.
       
       Inwiefern? 
       
       Es ist schwierig, aber möglich, über Immissions, Brand oder Tierschutz als
       Kommune regelnd in ein solches Vorhaben einzugreifen – und es sogar zu
       verhindern. Eine ganze Reihe größerer Anlagen sind ja so gerichtsfest
       gestoppt worden.
       
       Aber das ist doch problematisch: Der Agrarsektor ist Niedersachsens
       zweitgrößte Industrie. Und die wollen Sie blockieren… ?! 
       
       Die Agrarindustrialisierung ist kein Segen für die Volkswirtschaft, ganz im
       Gegenteil. Eine ökologische Agrarpolitik würde zu mehr Lebensqualität im
       ländlichen Raum führen, für mehr Wertschöpfung sorgen und deutlich mehr
       Arbeitsplätze schaffen.
       
       Wer soll Ihnen denn das glauben? 
       
       Das hat die Landesregierung gerade erst zugeben müssen: Seit 2003 sind in
       der Landwirtschaft in Niedersachsen fast 30.000 Arbeitsplätze verloren
       gegangen.
       
       Das wird durchs Wachstum bei der Veredelung kompensiert. 
       
       Von wegen: Auch in der Lebensmittelindustrie sind über 12.000 Stellen
       abgebaut worden. Die Billigpreisstrategie von CDU und FDP verursacht nur
       ein gewaltiges Höfesterben: Wer das bremsen will, muss sich für eine
       ökologische Agrarwende einsetzen.
       
       … die Sie offenkundig nicht mit der CDU machen wollen? 
       
       Bei uns gibt es keine Stimmen, die sich mit dieser Niedersachsen-CDU
       verständigen könnten, die Massentierhaltung propagiert, die mit Uwe
       Schünemann einen der bundesweit inhumansten Abschiebeminister auf den
       Schild hebt, gemeinsames Lernen verhindert und in der Atompolitik ein
       Endlager Gorleben weiter für möglich hält. Eine schwarz-grüne Koalition ist
       in Niedersachsen nicht vorstellbar.
       
       Dabei wollen sowohl SPD als auch Ministerpräsident McAllister mit Ihnen
       koalieren. 
       
       Die Grünen kämpfen als einzige für eine vollständige Ablösung der
       schwarz-gelben Landesregierung. Nur wer uns wählt, weiß: Er landet am Ende
       nicht mit David McAllister im Bett. Bei der SPD sieht das derzeit anders
       aus. Diesen Schmusekurs in Richtung großer Koalition sollte sie beenden.
       
       16 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
       
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