# taz.de -- Berlin und sein Wasser: Alles fließt - zurück
       
       > Berlin kann sich glücklich schätzen. Ihr Trinkwasser produziert die
       > Metropole selbst. Sieben Anmerkungen zum Verhältnis der Berliner zu ihrem
       > köstlichen Nass.
       
 (IMG) Bild: Nun darf sogar drin geschwommen werden: Berliner Wasser (Spree!).
       
       Die erste 
       
       Sieben Uhr, der Wecker klingelt. Der erste Griff gilt dem Glas mit
       Leitungswasser auf dem Nachttisch. Gut, dass ich nicht in Warschau lebe, wo
       das Leitungswasser braun ist wie die Weichsel. Das Berliner Leitungswasser
       ist nicht nur trinkbar. Es hat sogar das Gütesiegel „Gut plus“ bei einem
       Vergleich des Wassers in 270 deutschen Städten bekommen.
       
       Mein Mitleid gilt all denen, die einmal die Woche eine Kiste Bonaqa in die
       Wohnung schleppen. Auch das ist Leitungswasser, nur hübsch in Flaschen
       verpackt. Mein „gutes Wasser“ ist noch besser als das etikettierte Wasser
       aus dem Wasserwerk Echthausen an der Ruhr. Mit 10,4 Milligramm pro Liter
       steckt ordentlich Magnesium drin. Das ist gut für die Gesundheit, aber
       schlecht für den Wasserkocher. Also gilt meine zweite tägliche Begegnung
       mit dem Berliner Wasser dem Entkalken. Erst dann schmeckt der Tee nach Tee.
       
       Die zweite 
       
       Hat der Mensch Wasser im Überfluss, denkt er gewöhnlich nicht darüber nach.
       Es sei denn, das Wasser wird teurer. Warum aber soll Wasser teurer werden,
       wenn es keinen Mangel gibt? So wie in Berlin. Anders als in Wien, wo das
       Trinkwasser aus zwei sogenannten Hochquellleitungen in die Stadt gepumpt
       wird, wird es in Berlin aus dem Grundwasser gewonnen. Uferfiltrat heißt
       dieses Wasser, das als Niederschlag oder Oberflächenwasser aus Spree,
       Havel, Dahme, Müggelsee oder Tegeler See durch die Kies-, Sand- und
       Tonschichten sickert und sich in 150 Meter Tiefe in sogenannten
       Süßwasserstockwerken sammelt. Von dort wird es mit 700 Pumpen in die neun
       Berliner Wasserwerke gepumpt, die sich allesamt an Flüssen und Seen
       befinden. Wasser wird in Berlin also nicht importiert – Berlin sitzt auf
       einer Wasserader. Das fällt mir ein, als ich auf dem Weg zur Arbeit am
       Schlossplatz die Spree überquere.
       
       Die dritte 
       
       Gleich nebenan, am Neptunbrunnen, war das Thema Wasser schon immer
       politisch. Der Bildhauer Reinhold Begas hat in diesem Geschenk an Wilhelm
       II. mit einer Allegorie imponieren wollen, die von der Größe des Deutschen
       Reiches kündet. Deshalb wird Neptun von bildlichen Darstellungen des
       Rheins, der Elbe, der Oder und der Weichsel flankiert. Aus dem Büro des
       Regierenden Bürgermeisters kann man auf den Neptunbrunnen schauen. Sein
       Wasser hat der Senat 1999 an einen westdeutschen und französischen Konzern
       verkauft. Am Dienstag wurde das Geschäft rückgängig gemacht. Vielleicht
       wird ersatzweise ja der Neptunbrunnen verkauft.
       
       Die vierte 
       
       Es fängt an zu regnen. In diesem Sommer fängt es oft an zu regnen. Berliner
       Tropensommer mit abendlicher Gewitterneigung. Extreme Wetterlagen sind auch
       extreme Wasserlagen. Regnet es zu viel, laufen Regen und Abwasser aus der
       Mischkanalisation in die Spree. Dann zeigen die Fische ihre weißen Bäuche.
       Regnet es wochenlang nicht, fängt die Kanalisation an zu stinken.
       
       Für den Wasserhaushalt in Berlin wäre Regen besser. Wie Brandenburg zählt
       die Stadt zu den gewässerreichen, aber wasserarmen Regionen Deutschlands.
       Mit dem Projekt „Inka BB“ will das Forschungsministerium deshalb
       „klimaangepasste Wassermanagementsysteme“ erproben und möglichst viel
       Wasser in der Region halten. Das werden die Hamburger nicht gern hören,
       denen wir das kostbare Nass über die Elbe schicken. Aber Hamburg hat Hilfe
       gar nicht nötig. Die Hamburger haben ihr Wasser nämlich behalten. Während
       das Wasser in Berlin 2,169 Euro pro Kubikmeter kostet, sind es in Hamburg
       1,64 Euro.
       
       Die fünfte 
       
       Berlin kauft sein Wasser zurück und zahlt Millionenbeträge. Nicht nur die
       Initiative Wassertisch ist da sauer. Wäre Berlin kein Land, sondern ein
       Staat, wäre die Gegenfinanzierung ganz einfach, wie ein kleiner
       Rechercheausflug an den Mehringdamm zeigt. Gegenüber den Tempelhofer
       Hangars sitzt die unnützeste Behörde der Hauptstadt: das Wasser- und
       Schifffahrtsamt (WSA) Berlin. Das ist unternehmerisch so transparent wie
       die Fifa von Joseph Blatter – und teuer ist es mit 50 Millionen Euro im
       Jahr auch. Schließlich sind die 528 Mitarbeiter nur für ein paar
       Miniwasserstraßen zuständig.
       
       Wohl auch deshalb will der Bundesverkehrsminister die ostdeutschen WSA
       abspecken. Nicht nur für den Gebührenzahler, sondern auch für den
       Steuerzahler soll Wasser künftig billiger werden.
       
       Die sechste 
       
       Es ist Feierabend, die Sonne hat sich zurückgekämpft. Unter der
       Schlossbrücke tuckern Ausflugsdampfer. Spreeathen ist wieder auferstanden.
       Sie lieben ihren Fluss, die Berliner. Zum Wasser in Berlin gehören auch die
       Wasserlagen. Der Erfolg von „Mediaspree versenken“ hat Berlin einen Impuls
       gegeben. Wasser darf keine Ware sein: nicht im Hahn und nicht am Ufer.
       
       Die siebte 
       
       Endlich Sommer. Schnell in die S-Bahn und raus an den See. 33.000
       Flusskilometer und 3.000 Seen hat Brandenburg. Die, die nach der Wende an
       den Bund gingen, sollen zurückgekauft werden. Wer aber wird sie übernehmen?
       Um das Wasser soll es keine Kriege geben, heißt es. Stimmt zumindest für
       die Region. Die Konflikte aber gehen weiter: Am 1. Mai werden wieder die
       Wasserwerfer auffahren.
       
       18 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
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