# taz.de -- Pflicht zum Religionsunterricht: Zum Beten verdonnert
       
       > Ein Gericht in der Eifel verurteilt zwei Kinder zum Religionsunterricht
       > und Gottesdienst. Es schränkt dafür das Sorgerecht der Mutter ein.
       
 (IMG) Bild: Hände raus zum Gebet, denn alles andere schadet dem Kindeswohl, meint zumindest ein Richter in Monschau.
       
       KÖLN taz | Kesternich ist eine kleine Ortschaft in der Nordeifel. Es gibt
       eine Grundschule, eine Kirche, einen Friedhof und viel katholischen
       Glauben. Zu den 1.500 Einwohnern zählt auch die 47-jährige Susanne W. mit
       ihren Zwillingen.
       
       Wenn in knapp einem Monat die Sommerferien enden, werden die beiden
       Sechsjährigen, obwohl konfessionslos, in der Schule am Religionsunterricht
       und am Gottesdienst teilnehmen müssen. So zumindest will es das Amtsgericht
       Monschau.
       
       Angerufen hatte es der Kindsvater. Seit ihrer Trennung vor fünf Jahren
       teilen sich Susanne W. und ihr Exehemann Thorsten E. das Sorgerecht. Doch
       einig darüber, was dem Wohl der Kinder am besten entspricht, sind sie sich
       selten.
       
       Aktuell zoffen sie sich darüber, ob Sohn und Tochter nach ihrer Einschulung
       am katholischen Religionsunterricht und am Schulgottesdienst teilnehmen
       sollen. Zwar sind die Eltern konfessionslos und haben auch die Zwillinge
       nicht taufen lassen. Doch jetzt ist Thorsten E. dafür, dass seine Kinder
       etwas vom katholischen Glauben mitbekommen, Susanne W. weiterhin dagegen.
       
       Der Vater glaubt, seine Kinder würden sonst „aus Gründen der Befreiung vom
       Religionsunterricht aus dem Klassen- und Schulverband ausgegrenzt“.
       Außerdem könnten sie sonst „an wesentlichen Gemeinschaftsveranstaltungen
       der Schule nicht teilnehmen“, beispielsweise den Gottesdiensten zur
       Einschulung oder an Feiertagen.
       
       Susanne W. will ihre Kindern hingegen „weiterhin offen für sämtliche
       Religionsanschauungen halten, bis diese in einem Alter sind, selbstständig
       eine Entscheidung zu treffen, ob und welcher Konfession sie sich zugehörig
       fühlen“. Deswegen wehrt sie sich gegen eine einseitige „Aufoktroyierung
       einer Glaubensrichtung“. Immerhin handele es sich nicht um einen Unterricht
       über Religionen, sondern einen, der „in Übereinstimmung mit den Lehren und
       Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt“
       wird, wie es die nordrhein-westfälische Landesverfassung festlegt.
       
       ## Die Kinder wollen nicht
       
       Ende Mai verhandelte das Amtsgericht Monschau den skurrilen Fall. In
       nichtöffentlicher Sitzung hörte sich Richter Robert Plastrotmann die
       Argumente beider Seiten an und befragte auch die Kinder, die sich gegen
       ihre Teilnahme am Religionsunterricht aussprachen.
       
       Dann traf Plastrotmann eine Entscheidung: Er schränkte das Sorgerecht der
       Mutter ein und übertrug dem Vater „während der Grundschulzeit die
       Entscheidung über den Besuch des Religionsunterrichts und die Entscheidung
       über den Besuch der Schulgottesdienste für die Kinder“.
       
       Unter Abwägung aller Umstände „erscheint es für das Kindeswohl förderlich
       und auch notwendig, den Besuch des Unterrichts und der Schulgottesdienste
       zu ermöglichen“, heißt es in dem abenteuerlichen Beschluss. Die
       Nichtteilnahme stelle aufgrund von „Ausgrenzung“ „eine Gefährdung des
       Kindeswohls dar“.
       
       Nach Ansicht des Gerichts sei zu „berücksichtigen, dass die Kinder
       außerhalb der mütterlichen Wohnung sich in einem ländlich-katholisch
       geprägten Umfeld bewegen und christliche Symbole und Rituale für die Kinder
       nichts Fremdes darstellen, diese vielmehr als Teil des Alltags anzusehen
       sind“. So sei die Teilnahme am Religionsunterricht und an Gottesdiensten
       „lediglich eine Fortsetzung des Kontaktes mit Religion, den die Kinder
       bislang außerhalb der Haushalte der Eltern erlebt haben“.
       
       Noch ist die Gerichtsentscheidung nicht rechtskräftig. Die Anwältin von
       Susanne W. hat Berufung eingelegt. Unklar bleibt auch, inwiefern sich die
       Rechtsauffassung des Gerichts mit der grundgesetzlich verbrieften
       Religionsfreiheit verträgt, die zum einen auch das Recht auf die Freiheit
       von Religion umfasst und zum anderen nicht nur in säkular geprägten
       Großstädten gilt. Mit dieser Frage wird sich wohl demnächst das
       Oberlandesgericht Köln auseinandersetzen müssen.
       
       23 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
       ## TAGS
       
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