# taz.de -- Radeln II: "Berlin baut lieber Parkhäuser"
       
       > Im europäischen Vergleich steht Berlin ganz gut da, sagt
       > EU-Parlamentarier Michael Cramer. Doch der Senat verbessere häufig nur
       > die Infrastruktur für Autofahrer.
       
 (IMG) Bild: Berliner Radwege seien im Winter eine Katastrophe, sagt Cramer.
       
       taz: Herr Cramer, wie viele Fahrräder besitzen Sie? 
       
       Michael Cramer: Zwei. Die stehen zu Hause in Berlin unter der Treppe. Wenn
       ich in Straßburg bin, miete ich mir immer eines. Das Europaparlament stellt
       Fahrräder zur Verfügung. In Brüssel gehe ich zu Fuß. Da wohne ich 15
       Minuten vom Parlament entfernt und freue mich, wenn ich mal etwas länger an
       der frischen Luft bin.
       
       Was haben andere europäische Großstädte Berlin in Sachen Fahrrad voraus? 
       
       Berlin steht im europäischen Vergleich eigentlich ganz gut da. Ich würde
       sagen, es liegt in der Mitte. Der Fahrradanteil am Verkehrsaufkommen
       beträgt 14 Prozent. Von so einer Zahl träumen andere.
       
       Wo ist es ganz schlimm? 
       
       Im Süden. Sevilla ist die Ausnahme. In Athen wird zurzeit Fahrrad gefahren,
       aber nur aus Geldknappheit.
       
       Und von welchen Städten kann sich Berlin eine Scheibe abschneiden? 
       
       Im Norden ist es toll. Als ich im Winter in Helsinki war, haben sie mir ein
       Rad mit Spikes zur Verfügung gestellt. Und die Radwege werden natürlich
       auch im Winter von Schnee und Eis gereinigt. In Berlin ist da ja immer eine
       Katastrophe. Dann natürlich Kopenhagen, Amsterdam, die ganzen holländischen
       Städte.
       
       Die Niederlande haben einen Fahrradanteil am Verkehrsaufkommen von 27
       Prozent … 
       
       In Kopenhagen sind es fast 50 Prozent. Die ganze Stimmung ist da anders.
       Aber das ist auch eine kleinere Stadt. In Paris nimmt es zu, aber die
       Franzosen sind noch nicht weit wie Berlin.
       
       Was ist das Besondere an Berlin? 
       
       Ich habe weltweit noch keine andere Stadt gesehen, wo man sein Fahrrad rund
       um die Uhr ohne Sperrzeiten in U- und S-Bahnen mitnehmen kann.
       
       Berlin investiert in diesem Jahr insgesamt 5,5 Millionen Euro für den
       Ausbau und die Sanierung der Radverkehrs-Infrastruktur. Reicht dieser
       Betrag aus? 
       
       Das ist ein winziger Etat, wenn ich an das Flughafendesaster denke. Oder an
       die Stadtautobahn. Die Verlängerung der A 100 ist die teuerste Autobahn der
       Republik. Da spielt Geld keine Rolle – auch wenn der Bund das meiste
       bezahlt.
       
       Was fehlt Berlin auf dem Fahrradsektor? Anders gefragt: Was wäre eine
       wegweisende Neuerung? 
       
       Wir brauchen eine Fahrradstation am Bahnhof. Bern, Münster und Freiburg
       haben das, das ist eine große Fahrradverleihstation am Bahnhof. Ich kann
       auch mein eigenes Rad dort abgeben und einen bewachten Stellplatz mieten.
       Wenn ich drei Tage weg bin, stelle ich mein Rad nicht gern am Bahnhof ab.
       
       Da ist das Diebstahlsrisiko bekanntlich besonders groß. 
       
       Richtig. Stattdessen wurden am Hauptbahnhof und am Südkreuz Autoparkhäuser
       gebaut, die leer stehen und sich nicht rentieren.
       
       Was könnte man denn noch machen? 
       
       Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einführen. Auf 80 Prozent der Straßen
       gilt es ja ohnehin schon. Das hat Rot-Grün 1989/90 eingeführt, die
       Akzeptanz ist da. Und Einbahnstraßen sollten von Radfahrern grundsätzlich
       in beide Richtungen befahrbar sein.
       
       Was würden die Grünen anders machen, wären Sie jetzt an der Regierung? 
       
       Wir hätten den Haushaltstitel aufgestockt. Sehen Sie, in deutschen Städten
       sind 90 Prozent aller Autofahrten kürzer als 6 Kilometer. Das sind ideale
       Bedingungen, umzusteigen auf Bus, Bahn oder eben Fahrrad.
       
       Braucht es mehr Druck auf die Politik? 
       
       Mit Sicherheit. Viele Erfolge in diesem Bereich wurden durch Druck aus der
       Opposition oder direkt aus der Bevölkerung erreicht. Zum Beispiel, dass im
       Schlosspark Charlottenburg weitergefahren werden darf und der Radweg sogar
       ausgebaut wurde. Da hat die Politik reagiert. Was ich mir wünschen würde,
       ist, dass die Deutsche Bahn endlich mal auf den Druck eingeht und
       ermöglicht, in allen Zügen – auch im ICE – Fahrräder mitzunehmen. Das
       Europäische Parlament, der Bundesrat und der Bundestag fordern das ja. Wenn
       ich in den Urlaub fahre, will ich doch nicht 27-mal umsteigen.
       
       27 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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