# taz.de -- Kolumne Am Gerät: Die Matte
       
       > Die Männer bei den Waldschmidts sind seit jeher Ringer. Auch für das
       > neuste, frisch dem Mutterleib entstiegene, Mitglied der Familie gilt: ab
       > auf die Matte.
       
 (IMG) Bild: Bei Familie Waldschmidt wird gekuschelt und geklotzt – allerdings nur auf buntem Ringergeläuf
       
       Ein Junge! Da freut sich der ganze Verein. Der muss auf die Matte, hat
       Vater Waldschmidt gesagt, da war noch nicht einmal der Kopf des Kleinen
       ganz raus aus der Mutter. Die erste SMS aus dem Kreißsaal ging an den
       Präsidenten des SV Germania. Dann können die schon einmal anstoßen, erklärt
       er seiner Frau. Die nickt und schaut sich ihren Jungen ganz genau an.
       
       Die winzigen Hände, den kugeligen Bauch, das Köpfchen mit den Ohren, und
       stellt fest, dass der neue Waldschmidt nicht sehr viel von seinem Vater
       hat. Das wird schon noch, sagt der und zeigt auf seine Ohren. Die
       Waldschmidts sind Ringer seit alters her. Sie haben Germania einst
       gegründet, und seitdem tragen sie den Klub. Der Uropa des neuen
       Waldschmidts macht bei den Kampfabenden den Hallensprecher.
       
       Der Opa ist der Physiotherapeut, den auch die bulgarischen Ringer schätzen,
       die zu den wichtigen Ligakämpfen eingeflogen werden. Der eine Onkel führt
       die Geschäfte und überzeugt die örtlichen Mittelständler immer wieder, Geld
       für die erste Mannschaft lockerzumachen.
       
       Der andere Onkel ist der Jugendtrainer von Germania, stolz auf seinen
       starken Sohn, der ein ganz großer werden soll und dem er immer wieder gern
       erzählt, wie es war damals, als er deutscher Vizemeister geworden ist.
       Gerungen haben sie alle. Man sieht es ihnen an den Ohren an. Der neue
       Waldschmidt wird sie auch bald haben, Blumenkohlohren.
       
       ## Ringen ist reine Männersache
       
       Die Mutter des neuen Waldschmidt hat bis zum Schluss gehofft, dass es ein
       Mädchen wird. Die Mädchen müssen bei Germania nicht auf die Matte. In ihrem
       Ort, in dem noch vieles ist wie früher, ist Ringen reine Männersache. Die
       Mädchen dürfen mitmachen, wenn für die Jugendabteilung Altpapier gesammelt
       wird.
       
       Zu den Klubabenden dürfen sie auch und unter dem großen Bild von Wilfried
       Dietrich feiern, dem Kran von Schifferstadt, der 1960 Gold bei den Spielen
       in Rom gewonnen hat und der verehrt wird wie ein griechisch-römischer Gott,
       seit er 1972 den 4 Zentner schweren US-Koloss Chris Tayler auf die Matte
       gelegt hat.
       
       Die Ohren des Krans sind auf dem Bild nicht zu erkennen, unter dem auch die
       Kindsmutter schon gefeiert hat. Sie weiß Bescheid. Wenn die Blutergüsse von
       den Kämpfen nicht sofort behandelt werden, wandeln sie sich in Bindegewebe
       um. Die Ohren seien dann dauerhaft verunstaltet, hat ihr ein Arzt gesagt.
       
       Sie schaut ihren Kleinen an. Vielleicht will er ja gar nicht auf die
       Ringermatte, denkt sie sich. Nein, er ist ein Waldschmidt: Er wird wohl
       wollen müssen. Er hat keine Wahl, der Kleine.
       
       1 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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