# taz.de -- Olympia-Reporter Sigi Heinrich: „Die Spiele sind nicht mehr frei“
       
       > Der Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich spricht über
       > Feigenblattjournalismus, komische Kleidervorschriften und Kommerz bei den
       > Olympischen Spielen.
       
 (IMG) Bild: „Unsere Stärke ist der Wettkampf“, sagt Sigi Heinrich, Olympia-Kommentator bei Eurosport
       
       taz: Herr Heinrich, sind Sie die Stimme Olympias? 
       
       Sigi Heinrich: Angefangen habe ich 1992 in Barcelona. Seitdem saß ich bei
       allen Olympischen Sommer- und Winterspielen hinter dem Mikrofon. Dieses
       Jahr feiere ich mein 20-jähriges Jubiläum. Wenn Sie so wollen, bin ich
       schon so eine Art Unikum.
       
       2008 gab es den deutschen Fernsehpreis für Sie und Ihren Kollegen für die
       Berichterstattung aus Peking. Die öffentlich-rechtlichen Kollegen
       reagierten, sagen wir mal, überrascht. Werden Sie belächelt? 
       
       Heute sind wir akzeptiert. Ich empfinde mich schon lange fachlich auf
       Augenhöhe. Für ARD und ZDF sind wir in gewisser Hinsicht die lokalen
       Sendeanstalten, insofern waren einige schon geschockt, dass nun gerade wir
       den Fernsehpreis bekommen haben. Unser Kommentieren ist ein ganz anderes
       als bei den Öffentlich-Rechtlichen.
       
       Inwiefern? 
       
       Unsere Stärke ist der Wettkampf, die auf den Moment fokussierte
       Liveberichterstattung – ohne großes Brimborium. Und wir haben früh gelernt,
       den eigenen Patriotismus zurückzustellen. Bei uns sind alle gleich. Aber
       klar, wenn deutsche Athleten antreten, wird man schon ein bisschen
       euphorischer.
       
       Ein bisschen? 
       
       Einen Hundertmeterlauf kommentiere ich so, als würde ich mitlaufen. Ich war
       selbst Leistungssportler, da ist es doch nachvollziehbar, dass ich mitgehe
       und der Sender mir dies auch zugesteht. Der Sportler hat deutlich sichtbare
       Emotionen, und die gilt es neben der Atmosphäre zu transportieren. Der
       Zuschauer war lange nichts anderes gewohnt als vornehme Zurückhaltung.
       
       Kommerz und Olympia – geht Ihnen das nicht auch auf die Nerven? 
       
       Für mich sind die Olympischen Spiele kein freies Sportereignis mehr. Die
       eigene Begeisterung lässt nach. Bei den Winterspielen in Vancouver ist es
       uns passiert, dass Dirk Thiele und ich zuerst nicht ins Stadion kamen, weil
       wir unsere privaten Trainingsjacken und nicht die des Hauptsponsors trugen.
       Wir waren vor Kurzem bei der Junioren-WM in Barcelona.
       
       Trotz tropischer Temperaturen war es nur mit großer Mühe möglich, mal eine
       Flasche Wasser vom Veranstalter zu bekommen. Es kommt noch so weit, dass
       das IOC uns Klamottenvorschriften macht und ich T-Shirts tragen muss, auf
       denen „Thomas Bach forever“ steht [Chef des Deutschen Olympischen
       Sportbundes; d. Red.]. 
       
       Dann hätten wir noch das Thema Doping. Ihre Meinung? 
       
       Es gibt Athleten, bei denen ist der soziale Aufstieg nur über den Erfolg
       möglich. Der Druck im Nachwuchsbereich ist bereits immens. Und fraglos
       berichten die Medien immer noch zu wenig über das Thema Doping. Man steckt
       als Berichterstatter immer in einem Dilemma. Natürlich müsste man
       Wettbewerbe meiden, die verseucht sind – dann aber bitte konsequent.
       
       Ich kann nicht den Radsport ausklammern und Olympia mitnehmen: Das ist
       Feigenblattjournalismus. Wenn ein Jason Gatlin [der US-Sprinter wurde
       mehrfach des Dopings überführt, ist aber in London dabei; d. Red.] in
       London Gold holen sollte, kann ich mich nicht mehr richtig freuen.
       Jemandem, der einen fairen Konkurrenten um den Sieg betrügt, gebe ich nicht
       mehr die Hand.
       
       1 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Scheper
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