# taz.de -- Kolumne Nebensachen aus Genf: Beten gegen Klimawandel
       
       > Jahrhundertelang betete die Schweizer Gemeinde Fiesch, dass der
       > Alletschgletscher schmelzen möge. Angesichts des Klimawandels beten sie
       > jetzt für seinen Erhalt.
       
 (IMG) Bild: Einwohner der Gemeinde Fiesch bei einer Prozession zum Gebet für den Alletschgletscher.
       
       Der Glaube an Gott kann Berge versetzen, heißt es sinngemäß in der Bibel
       (Matthäus, Kapitel 17, Vers 20). Zumindest kann der Glaube Berge zum
       Schrumpfen, aber auch wieder zum Wachsen bringen. Davon jedenfalls sind die
       knapp 1.000 mehrheitlich katholischen EinwohnerInnen der Gemeinde Fiesch im
       Schweizer Kanton Wallis fest überzeugt. Diese Überzeugung beruht auf
       340-jähriger Erfahrung.
       
       Im frühen 17. Jahrhundert wurde das im oberen Rhonetal südlich des
       berühmten Jungfraujochs gelegene Dorf mehrfach durch Wassermassen
       verwüstet. Das Wasser kaum aus dem rund 15 Kilometer entfernten, über 3.000
       Meter höheren Aletschgletscher.
       
       1678 legten die Fiescher KatholikInnen deshalb ein von Papst Innozenz XI.
       genehmigtes Gelübde ab, den Naturgewalten ein Ende zu setzen. Seitdem zogen
       sie jedes Jahr am letzten Julitag zur Kapelle im nahe gelegenen Ernerwald
       und beteten für die Abschmelzung des Gletschers. Mit großem Erfolg. Seit
       1678 wurde Fiesch von durch Gletscherwasser verursachten Katastrophen
       verschont.
       
       Der Aletsch gehört seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe und ist der größte
       Gletscher der Alpen: über 23 Kilometer lang, mit einer Eisdicke von bis zu
       900 Metern und einem Gesamtgewicht von 27 Milliarden Tonnen. Würde man das
       gesamte Gletschereis abtauen, könnte man mit dem Schmelzwasser jeden der
       knapp 7 Milliarden ErdbewohnerInnen über sechs Jahre täglich mit einem
       Liter Wasser versorgen.
       
       Jüngere Messungen haben aber ergeben, dass der Gletscher seit Mitte des 19.
       Jahrhunderts an den Seiten und im Zungenbereich um mehrere Quadratkilometer
       geschrumpft ist. Die Eisdicke hat seit 1850 um über 100 Meter abgenommen.
       Nach 1983 hat sich die Schrumpfung des Gletschers deutlich beschleunigt.
       Inzwischen fürchten die Fiescher nicht mehr Überschwemmungen mit
       Gletscherwasser, sondern sie sorgen sich um den Erhalt des Aletsch als
       Trinkwasserreservoir und als Touristenattraktion.
       
       Dass die Abschmelzung des Gletschers Folge der globalen Erderwärmung ist,
       ist den Fieschern zwar nicht ganz unbekannt, doch sie setzen weiterhin auf
       ihren Glauben. Auf ihre Bitte hin genehmigte Papst Benedikt XVI., dass das
       Gelübde aus dem Jahr 1678 nun umgewandelt wird. Seit diesem Sommer
       wallfahren und beten die Fiescher Katholiken nun alljährlich dafür, dass
       der Aletschgletscher wieder wächst.
       
       6 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schweiß
       
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