# taz.de -- Vetternwirtschaft in Polen: Parteienfilz, Skandale und Korruption
       
       > Der neue Landwirtschaftsminister Stanislaw Kalemba verdankt sein Amt
       > Vetternwirtschaft in der Bauernpartei. Er soll gegen genau diese
       > Missstände vorgehen.
       
 (IMG) Bild: Korrupter Koalitionspartner: Polens Premier Donald Tusk muss sich Fragen lassen, was er gewusst hat.
       
       WARSCHAU taz | Ein Minister, der seinen Posten der Vetternwirtschaft in der
       eigenen Partei verdankt, die er nun bekämpfen soll – so etwas kann es nur
       in Polen geben, sagen die Polen. Stanislaw Kalemba (64), der neue
       Landwirtschaftsminister ist nur „Minister auf Probe“, sagt wiederum Premier
       Donald Tusk und vermeidet es, dem gerade vereidigten Minister aus der
       Bauernpartei die Hand zu geben.
       
       Als Kalemba vor der Presse die Karriere seines Sohnes in einer
       Landwirtschaftsagentur zu loben beginnt, die der neue Minister nun mit
       hartem Besen auskehren soll, führt ihn der Chef der Bauernpartei Waldemar
       Pawlak mit sanftem Druck in ein Hinterzimmer. So sagt der Minister erst
       einmal nichts.
       
       Vetternwirtschaft, Korruption und Filz sind ein Problem, mit dem bislang
       keine Regierung Polens klar kam. Zwar hatte 2005 die rechtsnationale
       Regierung unter Jaroslaw Kaczynski mit dem Slogan „Recht und Gerechtigkeit“
       der Korruption den Kampf angesagt, doch war sie dann selbst mit den
       Koalitionspartnern – der nationalistischen Liga der polnischen Familien und
       der radikalen Bauernpartei „Samoobrona“ – in einen peinlichen Sex- und
       Korruptionsskandal verwickelt. Zuvor war bereits die Regierung aus dem
       linken Lager unter Leszek Miller an Korruptionsskandalen gescheitert.
       
       Als Donald Tusk mit seiner liberal-konservativen Bürgerplattform 2007 die
       vorgezogenen Wahlen gewann, wusste er, dass Filz und Vetternwirtschaft auch
       in seiner Regierung zum Problem werden könnten. Zumal der Koalitionspartner
       – die liberale Bauernpartei – eine reine Klientelpartei ist. Als ein erster
       Korruptionsfall hochkochte, die Glücksspielaffäre, entließ Tusk sofort alle
       betroffenen Minister und kündigte hartes Durchgreifen an. Das rettete ihm
       den Kopf. Im Jahr 2011 wählten die Polen erneut die PO und PSL.
       
       ## Kritik an Regierungschef Donald Tusk
       
       Doch die „Band-Affäre“, die ihren Namen einem heimlich mitgeschnittenen
       Gespräch zwischen Funktionären der Bauernpartei verdankt, wirft auch auf
       Tusk ein schlechtes Licht. „Er muss von dieser riesigen Vetternwirtschaft
       unter den PSLern gewusst haben“, werfen ihm Kritiker vor. „Warum hat er
       nicht eher eingegriffen?“
       
       Allerdings beginnen auch erst jetzt die Medien Polens mit genaueren
       Recherchen. Plötzlich jagen sich die „Filz“-Skandale, was aber bei den
       Polen keine große Aufregung hervorruft. Vor allem interessiert der
       Megaskandal im Landwirtschaftsministerium: Wie viele hoch dotierte Pöstchen
       haben der Exlandwirtschaftsminister Marek Sawicki, seine Stellvertreter,
       Abteilungsleiter und landwirtschaftlichen Agenturchefs an
       PSL-Bauernfunktionäre vergeben?
       
       Sawickis Nachfolger Kalemba gilt seit seinem Protest gegen den EU-Beitritt
       Polens 2004 nicht nur als EU-Gegner, sondern hat sich sein ganzes Leben
       lang ausschließlich in PSL-Kreisen bewegt.
       
       Er soll nun nicht nur das Landwirtschaftsbudget in der EU mitverhandeln,
       sondern auch Filz und Korruption in den eigenen Reihen bekämpfen. Kein
       Wunder, dass sein Parteichef ihn schon bei seiner ersten öffentlichen Rede
       unterbrach. Der Herbst könnte heiß werden für die Koalitionsregierung
       Polens.
       
       7 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
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