# taz.de -- Korruptionsskandal in Österreich: Käufliche Konservative
       
       > Österreichs Ex-Innenminister Ernst Strasser ist wegen Bestechlichkeit
       > angeklagt. Gegen weitere Mitglieder der früheren ÖVP-Regierung laufen
       > Ermittlungsverfahren.
       
 (IMG) Bild: 100.000 Euro hat Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser angenommen.
       
       WIEN taz | Die ÖVP, der konservative Juniorpartner der österreichischen
       Bundesregierung, bekommt seit Wochen weit mehr Raum in den Medien als die
       Kanzlerpartei SPÖ. Froh wird Parteichef und Vizekanzler Michael
       Spindelegger darüber nicht. Denn es sind fast ausschließlich Skandale, die
       die Öffentlichkeit beschäftigen.
       
       Als die Korruptionsstaatsanwaltschaft Ende letzter Woche Anklage wegen
       Bestechlichkeit gegen Exinnenminister Ernst Strasser erhob, war ein neuer
       Tiefpunkt erreicht. Spindelegger wird auf den Mann nicht gern angesprochen:
       „Strasser ist lange nicht mehr in der Partei.“
       
       Das stimmt. Wenige Monate nachdem er von der ÖVP als Delegationsleiter ins
       EU-Parlament geschickt wurde, saß Strasser 2011 zwei
       Undercover-Journalisten der Sunday Times auf und bot sich an, gegen 100.000
       Euro ein Gesetz in deren Interesse zu beeinflussen. Die heimlich
       aufgenommenen Videos, in denen Strasser mit seinen Lobbykontakten protzt,
       haben auf YouTube längst Kultstatus.
       
       Selbst den Parteifreunden reichten die wackligen Aufnahmen als Beweis.
       Amtsenthebung und Parteirauswurf folgten. Aber die Menschenkenntnis in der
       ÖVP-Führung hat sich seither nicht verbessert. Bis zuletzt will
       Spindelegger dem Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz geglaubt haben, er hätte
       nichts mit illegaler Parteienfinanzierung zu tun. Nach dessen
       überraschendem Geständnis vor dem Klagenfurter Landesgericht Ende Juli war
       Spindelegger dann „persönlich zutiefst enttäuscht“.
       
       Auch die ehemalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat wird von der
       ÖVP noch gestützt. Gegen sie wird seit einigen Wochen ermittelt, weil sie
       2006, weit nach dem Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie, bei der deutschen
       Firma Dräger mehrere Millionen Grippemasken bestellte: ohne Ausschreibung
       und zu einem Stückpreis, der mehr als das Doppelte über dem von früheren
       Lieferungen lag.
       
       Was zunächst den Rechnungshof beschäftigte, rief die Korruptionsermittler
       auf den Plan, als das Magazin profil aufdeckte, dass Rauch-Kallats Ehemann,
       der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly, damals im Sold einer Dräger-Tochter
       stand. Ein Mann, der als Veranstalter von Jagdausflügen, wo Politiker mit
       Unternehmern zusammengebracht wurden, Dauergast im parlamentarischen
       Korruptionsuntersuchungsausschuss war.
       
       Nie ÖVP-Mitglied war zwar Karl-Heinz Grasser, unter dessen Ägide als
       Finanzminister enge Freunde schnell reich wurden. Doch amtierte der einst
       von Jörg Haider entdeckte begnadete Selbstdarsteller ab 2002 auf einem
       ÖVP-Ticket. Der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel wollte ihn als
       Nachfolger inthronisieren. Grasser war einst mit einer halben Million Euro
       in bar zwischen Österreich, Liechtenstein und der Schweiz unterwegs. Die,
       so sagte er später aus, hätten der Schwiegermutter gehört, die nur
       austesten wollte, ob er geschickt beim Vermögenanlegen sei. Auch ihm sitzen
       Steuerfahndung und Justiz im Nacken.
       
       Schüssel selbst hat sich verbittert aus der Politik zurückgezogen. Jetzt
       muss er sich keinen lästigen Reporterfragen stellen, warum große Teile der
       Mannschaft, die er einst ins Kabinett holte, sich vor Gericht wiederfinden.
       Die Leistungen seiner Regierung, wie die Entschädigung von Holocaustopfern,
       werden überdeckt von horrender Günstlings- und Parteibuchwirtschaft,
       Privatisierungsskandalen und der Schwächung der Justiz. Die einst
       staatstragende ÖVP ist in den Umfragen auf ein historisches Tief von knapp
       über 20 Prozent abgesackt. Parteichef Spindelegger hat seiner Partei jetzt
       einen Verhaltenskodex verordnet, der der Korruption vorbeugen soll.
       
       14 Aug 2012
       
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 (DIR) Ralf Leonhard
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