# taz.de -- Atomtransporte im Norden: Die Angst vor dem Atomdrehkreuz
       
       > Bremen hat Atomtransporte an seinem Hafen verboten. Nun könnte die
       > Regierung auf einen Privathafen in Nordenham ausweichen. Dort regt sich
       > Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Die Sorge hängt über Nordenham: abgebranntes Brennelement.
       
       NORDENHAM taz | Im niedersächsischen Nordenham wächst die Sorge, das 27.000
       Einwohner-Städtchen könnte zur Drehscheibe für internationale
       Atomtransporte werden. Wie erst im Nachhinein bekannt wurde, wurde bereits
       Ende Juli Atommüll im Nordenhamer Hafen umgeschlagen, für September und
       November sind weitere Transporte geplant.
       
       Die örtlichen Grünen wollen das mit einer gemeinsamen Resolution aller
       Stadtratsfraktionen verhindern. Für kommende Woche hat SPD-Bürgermeister
       Hans Francksen zu einem interfraktionellen Gespräch zum Thema geladen. 25
       abgebrannte Brennelemente aus dem früheren Forschungsreaktor Geesthacht und
       Plutonium-Beryllium-Quellen aus der ehemaligen DDR, die bis dahin bei der
       Nukleartechnikfirma Eckert und Ziegler in Braunschweig lagerten, wurden
       Ende Juli von Nordenham in die USA verschifft, wo sie weiterverarbeitet
       werden sollen.
       
       Ein Transport, der in Nordenham für Irritationen sorgte: Erst im Nachhinein
       hatten Landrat, Stadt- und Kreistagsabgeordnete in der Lokalzeitung davon
       erfahren. Von einer „Nacht- und Nebel-Aktion unter der Hand“, spricht die
       Nordenhamer Grünen-Landtagsabgeordnete Ina Korter. Nur zeitweise sei der
       Transport von der Polizei begleitet worden. Korter will das auch im Landtag
       zum Thema machen: Ob „korrekt nach Recht und Gesetz vorgegangen wurde“,
       will sie in einer Anfrage an die schwarz-gelbe Landesregierung wissen.
       
       Auch die nächsten Transporte stehen im privat betriebenen Hafen von
       Nordenham schon an: Im September und November sollen insgesamt 16
       plutoniumhaltige Mischoxid-Brennelemente aus der Wiederaufbereitungsanlage
       im englischen Sellafield für das Eon-Atomkraftwerk in Grohnde angeliefert
       werden. Die Genehmigung ist bereits erteilt, wie das zuständige Bundesamt
       für Strahlenschutz (BfS) auf Anfrage bestätigt.
       
       Das könnte „der Einstieg in den künftig verstärkten Umschlag von besonders
       gefährlichen radioaktiven Stoffen in Nordenham“ sein, fürchtet Korter. Denn
       bislang waren derlei Transporte über Bremerhaven gelaufen – gleich
       gegenüber an der Wesermündung gelegen. Da Rot-Grün in Bremen im Januar ein
       Verbot für Atomtransporte über seine Häfen eingeführt hat, könnte Nordenham
       jetzt zur Alternative werden, so die Sorge.
       
       ## Kein Verbot wie Bremen
       
       Verhindern soll das eine Resolution im Stadtrat: „Nordenham darf keine
       Atomdrehscheibe werden“, heißt es in einem entsprechenden Grünen-Antrag.
       Beraten werden soll der in einer öffentlichen Sitzung, wie Korter erklärt.
       Dazu sollen auch das für die Atomaufsicht zuständige Umweltministerium, die
       Genehmigungsbehörde BfS und kritische Experten geladen werden. „Die
       Menschen müssen wissen, welchen Strahlungsgefahren sie ausgesetzt werden“,
       sagt sie.
       
       Auch die Landesregierung müsse sich „Gedanken machen, was sie mit ihren
       Häfen macht“. Ein Atom-Verbot wie in Bremen mag Korter aber nicht fordern.
       Gerade erst hat die Europäische Kommission eine Überprüfung des Vorstoßes
       angekündigt, beim Staatsgerichtshof ist eine Klage der CDU gegen die
       entsprechende Änderung der Hafenordnung anhängig. Die rechtlichen
       Möglichkeiten, niedersächsische Häfen für Atomtransporte zu sperren,
       müssten zunächst „abgeklopft werden“, sagt Korter.
       
       Beim Umweltministerium in Hannover dürfte selbst diese Forderung wenig
       Aussicht auf Erfolg haben: Man sei „froh“, Universalhäfen zu haben und beim
       Transport von Atommüll nicht auf Bremen angewiesen zu sein, heißt es dort.
       Umweltminister Stefan Birkner (FDP) selbst nennt das Bremer Verbot „vor
       allem unsolidarisch“. „Nationale Aufgabe“ sei der Transport von Atommüll,
       der entziehe sich Bremen einfach „aus ideologischen Gründen“.
       
       Und auch die Kritik aus Nordenham am Nacht- und Nebel-Umschlag Ende Juli
       weist das Umweltministerium entschieden zurück: Mit den vorgeschriebenen
       Auflagen sei der Transport vom BfS genehmigt, höchste Sicherheit
       gewährleistet gewesen, heißt es dort.
       
       16 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Atommüll
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schlamperei mit Atommüll: Falsch deklariert
       
       In einem bereits 1981 eingelagerten Fass mit Atommüll sind nicht erlaubte
       Inhaltsstoffe entdeckt worden. Insgesamt lagern in Leese zurzeit 5.000
       Atommüllfässer.
       
 (DIR) Ermittlungen wegen AKW-Video: Der Pirat mit der Kamera
       
       Pirat Meinhart Ramaswamy hat im AKW Grohnde gefilmt. Jetzt will ein
       Unternehmenskommunikator das Video aus dem Netz und der Welt klagen.
       
 (DIR) Atomtransport nach Grohnde: „Alles schön und friedlich“
       
       Ein Plutoniumlieferung aus dem britischen Sellafield hat das AKW Grohnde
       erreicht. Die Brennelemente wurden ohne Zwischenfälle per Schiff und
       Lastwagen transportiert.
       
 (DIR) Atomtransporte über norddeutsche Häfen: Klage für Atomtransporte
       
       Die Bremer CDU klagt gegen das Verbot, "Kernbrennstoffe" über die Häfen des
       Landes umzuschlagen - und findet damit in allen Küstenländern Beachtung.
       
 (DIR) Gesetz gegen Atomtransporte: Bremen sperrt sich gegen Brennstäbe
       
       Bremen will nicht länger die norddeutsche Drehscheibe für internationale
       Atomtransporte sein. Deswegen wurde die Hafenordnung geändert.