# taz.de -- Kommentar Grünen-Spitze: Das Versagen der Alphamännchen
       
       > Drei Frauen und ein Mann ringen um die Spitze der Grünen. Dass sich kein
       > Mann außer Trittin nach vorne traut, ist der Ausdruck eines sehr
       > männlichen Versagens.
       
 (IMG) Bild: Außer Trittin trauen sich keine Männer einen Führungsanspruch anzumelden.
       
       Seltsam, seltsam. Plötzlich drängeln bei den Grünen mit Claudia Roth,
       Renate Künast und Katrin Göring-Eckardt gleich drei Frauen nach vorn, um
       einen Platz im Spitzenteam zu ergattern. Und nur ein einziger Mann hat
       Interesse an dieser herausgehobenen Rolle – Fraktionschef Jürgen Trittin.
       Bei einer genderverliebten Partei, die wegen der Gleichberechtigung alle
       Pöstchen traditionell doppelt vergibt, mutet das auf den ersten Blick
       absurd an.
       
       Wo sind sie nur, die machtbewussten Männer? Haben sie das Prinzip der Quote
       schon so verinnerlicht, dass sie ihren Kolleginnen freiwillig den Vortritt
       lassen? Wollen sie nicht?
       
       Mitnichten. Es gibt auch bei den Grünen im Bund und in den Ländern viele
       ambitionierte Alphamännchen. Dass sich außer Trittin niemand traut, einen
       Führungsanspruch anzumelden, ist jedoch kein Zufall. Es ist der Ausdruck
       eines sehr männlichen Versagens.
       
       Da wäre zum Beispiel das Drama, das sich seit dem vergangenen Jahr im
       Realo-Lager der Partei abspielt. Renate Künast verlor in Berlin das Rennen
       um das Bürgermeisteramt, fuhr aber ein durchaus respektables Ergebnis ein.
       Statt aber ihre Spitzenfrau zu stützen und nach außen zu verteidigen,
       hatten Vertreter ihres eigenen Lagers nichts Besseres zu tun, als sie
       möglichst gründlich zu demontieren. Oft waren es Männer.
       
       Nun sind interne Machtkämpfe nach verlorenen Wahlen legitim und nur
       natürlich. Doch die Realo-Meisterstrategen hatten zwei Dinge nicht vom Ende
       her gedacht: Da wäre zunächst die starke Machtposition Jürgen Trittins. Der
       Fraktionsvorsitzende ist unumstritten. Er agiert wie ein knallharter
       Realpolitiker, gehört aber formal den Linken an. Kein grüner Realo-Mann
       traut sich, den starken Linken herauszufordern.
       
       Am ehesten käme dafür Parteichef Cem Özdemir in Frage, er wäre auch
       derjenige, der nach Künasts Abwertung die Meinungsführerschaft bei den
       Realos beanspruchen könnte. Doch Özdemir hat früh signalisiert, sich aus
       dem Spitzenkandidaturstreit herauszuhalten. Weil er sich gegen Trittin
       keine blutige Nase holen will, und weil er lieber auf die nächste Chance
       wartet. Özdemir will zwar mehr Macht, traut sich aber an Trittin nicht
       heran.
       
       ## Lassen sich die Frauen instrumentalisieren?
       
       Nun kommt die zweite Fehlleistung der Realos ins Spiel: Wer mit Künast eine
       Leitwölfin wegputschen will, wer keinen ebenbürtigen Mann gegen Trittin
       aufstellen kann, der muss eine neue Frau als Führungsfigur aufbauen. Dies
       ist der Grund, warum Katrin Göring-Eckardt – oft von Männern – bekniet
       wurde, ihren Anspruch aufs Spitzenteam anzumelden. Sie soll Künast
       verhindern, so das Kalkül ihrer Unterstützer. Gleichzeitig würde sie den
       Flügelproporz wahren und die linken Führungsfiguren Roth und Trittin
       kontern.
       
       Die Situation bei den Grünen lässt sich also im Moment so beschreiben: Die
       Realo-Männer stehen an der Seitenlinie und kommentieren fleißig, die Frauen
       tragen das Spiel aus. Sind also grüne Spitzenpolitikerinnen dumm genug,
       sich von Männern instrumentalisieren zu lassen?
       
       Ach was. Wer dies behauptet, unterschätzt Roth, Künast und Göring-Eckardt
       dramatisch – und verkennt die Eigendynamik des Wahlverfahrens, das nun
       folgt. Denn angesichts der Bewerberlage ist eine Urwahl unausweichlich.
       
       Egal wie diese ausgeht, bereits jetzt steht fest: Die drei Frauen ducken
       sich nicht weg, sondern sie übernehmen Verantwortung. Sie gehen volles
       Risiko, sie stellen sich dem demokratischen Votum der Partei. Selbst wenn
       sie unterliegen, stärkt allein dieser Mut ihre Position im grünen
       Machtgefüge. Und im Gerangel um die Meinungsführerschaft bei den Realos
       wird es noch enger, weil die Konkurrenz wächst. Denn mit Göring-Eckardt
       betritt eine weitere Playerin die Bühne. Das wäre vorerst die letzte
       strategische Meisterleistung der ehrgeizigen Männer.
       
       18 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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