# taz.de -- Diplomaten misshandeln Angestellte: Das Recht der Sklaven
       
       > Schützt diplomatische Immunität Menschenschinderei? Die Frage hätte ein
       > Prozess um Misshandlung von Hausangestellten beantworten können. Tat er
       > aber nicht.
       
 (IMG) Bild: Wird durch Immunität die Ausbeutung von Angestellten bei Diplomaten geduldet?
       
       Selbst bei schwersten Menschenrechtsverletzungen bleibt Justitia blind: Wer
       im Haushalt eines Diplomaten ausgebeutet und misshandelt wird, hatte
       bislang vor Gericht keine Chance auf Gerechtigkeit – der diplomatischen
       Immunität sei Dank. Ein Musterprozess, ins Rollen gebracht von deutschen
       Menschenrechtlern, sollte das ändern.
       
       Nun ist er kurz vor dem Verhandlungstermin am Bundesarbeitsgericht
       gescheitert. „Die Macht liegt klar auf der Seite der Diplomaten“, resümiert
       Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschrechte, das den Prozess
       finanzierte.
       
       Der Fall der Indonesierin Dewi Ratnasari* erregte im Sommer 2011 die
       Öffentlichkeit. Anderthalb Jahre lang soll sie im Berliner Haushalt eines
       saudischen Botschaftsangehörigen bis zu 18 Stunden am Tag ohne Lohn
       gearbeitet haben. Die Familie habe ihr den Namen „Scheiße“ gegeben.
       Ratnasari sei misshandelt und beschimpft worden, bevor der damals
       30-Jährigen die Flucht gelang.
       
       Im Fall Dewi Ratnasari sollte erstmals ein deutsches Gericht entscheiden,
       ob die diplomatische Immunität selbst schwere Menschenrechtsverletzungen
       aufwiegt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte strebte einen
       Musterprozess an, der zu einer höchstrichterlichen Grundsatzentscheidung
       führen sollte. „Die Immunität ist im Sinne des Gemeinwohls richtig, aber
       sie darf nicht auf dem Rücken einzelner, schwacher Menschen ausgetragen
       werden“, sagte Rechtsanwalt Jürgen Kühling zu Prozessbeginn. Im Zweifel
       müsse die Bundesregierung für den Schaden der Angestellten einspringen.
       Eine ähnliche Entscheidung fiel 2011 in Frankreich.
       
       Die ersten Instanzen hatten die Klage wegen diplomatischer Immunität
       abgewiesen. Nun liegt der Fall beim Bundesarbeitsgericht, das am 22. August
       verhandeln wollte. Danach wäre der Weg frei gewesen für eine
       Verfassungsbeschwerde und eine Grundsatzentscheidung des höchsten deutschen
       Gerichts. Doch es kam anders.
       
       ## Lohn und Schadensersatz in Aussicht
       
       Kurz vor dem Verhandlungstermin teilte der Anwalt A.s mit, sein Mandant sei
       nicht länger als Diplomat akkreditiert. Er genießt also nicht mehr
       Immunität vor Strafverfolgung, die das Wiener Übereinkommen seit 1961 allen
       Botschaftsangehörigen im Ausland zusichert. Das Bundesarbeitsgericht ist
       damit nicht mehr zuständig. A. kann stattdessen in einem regulären
       Verfahren zur Verantwortung gezogen werden. „Eine Klärung für künftige
       Fälle wird es also nicht geben“, bedauert Heike Rabe, die den Prozess
       begleitet.
       
       Zumindest Dewi Ratnasari kann nun darauf hoffen, dass das Arbeitsgericht
       ihr Lohn und Schadenersatz zuspricht. Weil die Ereignisse aber inzwischen
       fast zwei Jahre her sind und sowohl A. als auch Dewi Ratnasari das Land
       längst verlassen haben, stehe der Prozess „auf sehr schwachen Beinen“, so
       Rabe. Selbst wenn die Klage Erfolg hat, ist fraglich, ob jemals Geld
       fließt. A.s Heimatland Saudi-Arabien hat mit Deutschland nicht einmal ein
       Rechtshilfeabkommen.
       
       Was bleibt also am Ende von den Hoffnungen auf den Musterprozess?
       Ratnasaris Schicksal hat die Situation von Hausangestellten in
       Diplomatenhaushalten zum Thema gemacht – bei Betroffenen wie Akteuren. Auf
       den zunehmenden öffentlichen Druck musste auch das Auswärtige Amt
       reagieren: Ende 2011 änderte es seine Bestimmungen für Arbeitsverhältnisse
       in Diplomatenhaushalten geringfügig und versprach, künftig mehr
       persönlichen Kontakt zu den Hausangestellten zu pflegen. Menschenrechtler
       fordern mehr: insbesondere die Einrichtung einer unabhängigen
       Beschwerdestelle, wenn schon den Opfern der Weg zu einem deutschen Gericht
       versperrt sei.
       
       Doch auch die Hoffnung auf eine Grundsatzentscheidung gibt man beim
       Institut für Menschenrechte nicht auf: „Wir werden einen neuen Fall
       finden“, sagt Heike Rabe. Zynisch klinge das, aber das Schicksal von Dewi
       Ratnasari sei eben kein Einzelfall.
       
       *Name geändert
       
       20 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
       
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