# taz.de -- Fleisch aus Biodruckern: Druck mal das Mittagessen aus
       
       > Ställe und Schlachter adé: Zukünftig soll Fleisch aus 3-D-Druckern und
       > Bioreaktoren kommen. Einen Biodrucker gibt es bereits.
       
 (IMG) Bild: Saftiges Hühnchen. Sieht aus wie eine Farbkopie, ist aber echt.
       
       BERLIN taz | Dreidimensionales Drucken verändert die Welt. Schicht um
       Schicht wachsen in der Industrie Prototypen, lassen Designer Unikate von
       Lampen, Stühlen oder Schalen entstehen, und erste Konditoren nutzen
       3-D-Drucker, um formvollendete Pralinen zu kreieren.
       
       Gewebezucht – „Tissue Engineering“ – verändert die Welt. Verbrannte Haut,
       vom Joggen zermürbte Knorpel, ja sogar Herzen, Lebern und Nieren wollen
       Forscher in Petrischale und Bioreaktor züchten. Ersatzteile für malade
       Menschen. Und auch Fleischkonsum verändert die Welt. Schon heute
       beansprucht Fleischproduktion drei Viertel der landwirtschaftlich nutzbaren
       Fläche weltweit. Bis 2050 wird der Fleischkonsum sich laut
       Welternährungsorganisation FAO verdoppeln. Entweder wird Fleisch bis dahin
       sehr viel effizienter produziert. Oder jemand muss noch eine halbe Erde
       auftreiben.
       
       Gabor Forgacs, Biophysiker an der University of Missouri, und sein Sohn
       Andras, Exbanker und ehemaliger McKinsey-Berater, suchen keine neue Erde.
       Doch was sie vorhaben, ist nicht minder skurril. Sie wollen die Welt
       verändern, indem sie 3-D-Druck, Tissue Engineering und Fleischkonsum zu
       einer Lösung fusionieren.
       
       Zuchtfleisch aus Drucker und Bioreaktoren. Das Prinzip ist schnell erklärt.
       Die Forgacsens wollen tierische Muskel-, Fett- und Bindegewebezellen per
       3-D-Drucker auf Nährgel auftragen, in Bioreaktoren zu Muskelklumpen reifen
       und diese Muskeln mit sanften Stromstößen und mechanischer Belastungen
       trainieren.
       
       ## Ohne Schlachter und Schlachthof
       
       Wie im echten Leben, nur ohne Schlachter und Schlachthof. Am Ende soll das
       In-vitro-Fleisch in Würstchen, Nuggets & Co. verarbeitet werden. Vater und
       Sohn haben für ihr Vorhaben hoch spezialisierte Wissenschaftler der Uni
       Missouri um sich geschart und das Start-up Modern Meadow gegründet. Nicht
       ihr erstes Unternehmen. Die beiden stecken auch hinter der 2009 gegründeten
       Organovo, Inc., mit der sie den weltweit ersten kommerziellen
       3-D-Biodrucker entwickelt haben. Er druckt aus menschlichen Zellen Gewebe,
       das bisher für Medikamentenforschung eingesetzt wird. Das Fernziel ihres
       NovoGen MMX Bioprinter: funktionstüchtige Organe drucken.
       
       Vorerst soll das Gerät der Fleischzucht dienen. In einem Förderantrag an
       das National Institute of Food and Agriculture (Nifa) des
       US-Landwirtschaftsministeriums erklären die Gründer, dass sie als
       Prototypen etwa 2 x1 x 0,5 cm große Fleischklumpen züchten und dabei den
       Nachweis führen wollen, dass gedrucktes In-vitro-Fleisch technisch und
       ökonomisch machbar und ökologisch sinnvoll ist. „Unser Ansatz adressiert
       eine ganze Reihe gesellschaftlicher Bedürfnisse“, schreiben sie.
       
       Das Marktpotenzial sei enorm, sofern es gelinge, Konsumenten von ihrem
       Produkt zu überzeugen. Als potenzielle Erstkunden nennen sie Vegetarier,
       die aus ethischen Gründen auf Fleisch verzichten, und experimentierfreudige
       Feinschmecker. Später, wenn Massenproduktion den Preis senkt, wollen sie
       Juden, Moslems und Hindi „erlaubtes“ Fleisch liefern. Als Endstufe ihrer
       Geschäftsentwicklung schwebt den Gründern vor, auch die Ärmsten der Armen
       mit tierischen Proteinen zu versorgen. Noch sind das Visionen.
       
       Aus dem Förderantrag geht hervor, dass die Rezeptur der „Biotinte“, die
       Muskel-, Fett- und Bindegewebezellen enthalten soll, ebenso ungeklärt ist
       wie die Art der Muskelstimulation und das eigentliche Zuchtverfahren nach
       dem Druck. Die Forgacsens scheinen also nicht weiter zu sein als jene zwei
       Dutzend anderen Forscherteams, die sich vor allem in den USA, den
       Niederlanden und in Skandinavien mit der Fleischzucht im Labor befassen.
       
       Alle haben Probleme, den Nährstofftransport zur einzelnen Zelle zu
       gewährleisten. Deshalb funktioniert die Zucht bisher nur in hauchdünnen
       Schichten. Hier verspricht der 3-D-Druck Fortschritte. Denn es dürfte
       möglich werden, feinste Nährstoff- und Zellschichten im Wechsel zu drucken
       beziehungsweise analog zu Blutgefäßen Nährstoffkanäle in die 3-D-Struktur
       einzulassen. Doch auch dann bleiben viele Herausforderungen: So ist
       In-vitro-Fleisch farblos und viele der sonst im tierischen Stoffwechsel
       gebildeten Nährstoffe und Geschmäcke fehlen.
       
       Agrar- und Lebensmitteltechnische Institute versuchen seit langem, dem
       Geschmack von Fleisch auf die Schliche zu kommen. Klar ist nur, dass
       Muskeln und Steaks biochemisch gesehen nicht das Gleiche sind. So betonten
       etwa die kanadischen Lebensmittelforscher Mirko Betti und Isha Datar, dass
       nach dem Schlachten biochemische Prozesse ablaufen, die maßgeblichen
       Einfluss auf Geschmack, Geruch, Textur und das Erscheinungsbild von Fleisch
       haben.
       
       Darunter die Bildung von Milchsäure, der anaerobe Abbau von Zuckern oder
       der Zerfall von Proteinen und Enzymen. „Es ist völlig unklar, ob diese
       Prozesse auch nach der Ernte von Zuchtfleisch auftreten werden“, schreiben
       sie. Ebenso unklar ist der Nährstoffgehalt. So müssen die Forscher dem
       Fleisch synthetische Vitamine und Eisen zusetzen, mit allen
       verfahrenstechnischen Schwierigkeiten. Und nicht zuletzt stellt sich die
       Frage, wie die notwendige Hygiene in einer Massenproduktion mit Bioprintern
       und Großreaktoren einzuhalten sein wird.
       
       Diesen Problemen stehen klare Vorteile gegenüber. Qual, Schlachtexzesse und
       nicht zuletzt der überbordende Antibiotikaeinsatz der Massentierhaltung
       entfallen, wenn Fleisch im Reaktor statt im Tier heranwächst. Auch deshalb
       hat die Tierschutzorganisation Peta vor fünf Jahren medienwirksam 1 Million
       US-Dollar für die Forscher ausgelobt, denen es gelingt, bis 2012
       marktfähiges Zuchtfleisch entwickelt.
       
       ## Effiziente Ressourcen
       
       Neben ethischen Aspekten spricht die Ressourceneffizienz für
       Retortenfleisch. So kommt eine aktuelle Studie der Uni Oxford im Auftrag
       der Fleischersatz-Lobbyisten von New Harvest zu dem Ergebnis, dass
       biotechnische Fleischerzeugung mit einem Bruchteil der Ressourcen
       konventioneller Viehzucht auskommt. Während diese fast ein Zehntel des
       globalen Wasserbedarfs beansprucht und mit 18 Prozent mehr zum
       Treibhausgasausstoß beiträgt als alle Verkehrsmittel zusammen, ist die
       Fleischproduktion im Reaktor äußerst genügsam. Laut Studie sinkt der
       Energiebedarf je nach Nutztierart um bis zu 45 Prozent, der Flächenbedarf
       um 99 Prozent und auch Wasserverbrauch und Treibhausgasausstoß nehmen um
       über 90 Prozent ab.
       
       Zwar ist die Studie angesichts des frühen Forschungsstadiums und der
       Interessenlage der Auftraggeber mit Vorsicht zu betrachten. Doch weil sich
       die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern nicht mehr mit Reis
       und Gemüse zufriedengeben, braucht es neue Wege der Fleischproduktion. Die
       Gründer von Modern Meadow sind entschlossen, danach zu suchen und ihre
       Visionen wahr zu machen. Einen prominenten Unterstützer haben sie bereits.
       
       IT-Milliardär Peter Thiel, der unter anderem Facebook-Investor der ersten
       Stunde war, bezuschusst das Start-up mit mehreren hunderttausend Dollar.
       Das Programm seiner Stiftung soll Gründungen in der Frühphase fördern, die
       zu radikal für den herkömmlichen Wissenschaftsbetrieb und zu visionär für
       den Markt sind. Modern Meadow passt in dieses Profil wie das Fleisch in den
       Drucker.
       
       26 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Trechow
       
       ## TAGS
       
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