# taz.de -- Kolumne Männer: Ein Freund von mir
       
       > Die Geschlechterfrage eignet sich, um die Beschneidungsdebatte
       > anzuheizen: Was wäre, ginge es dabei nicht um Jungs, sondern um Mädchen?
       
 (IMG) Bild: Noch Fragen?
       
       Mein Penis ist wie ein guter Freund. Damit meine ich keinen dieser alten
       Schulfreunde, denen man launig auf die Schulter klopft, wenn man sie einmal
       im Jahr in der heimischen Kneipe trifft. Penisse reagieren ja empfindlich
       auf Druck.
       
       Mein Penis ist vielmehr ein treuer Begleiter im Alltag. Wir sehen uns
       regelmäßig, da macht man nicht jedes Mal ein großes Hallo. Wenn ich ihn
       brauche, ist er da. Nie käme ich auf die Idee, meinem Penis Leid zuzufügen.
       Beispielsweise dadurch, dass ich ihm ein Stück abschneide.
       
       Seit Monaten wird diskutiert über Pro und Contra der Beschneidung von
       Jungen. In der Zeit veröffentlichten vor zwei Wochen zwei Rabbiner einen
       Meinungsbeitrag. Darin hieß es: „Hitler und seine Vollstrecker ermordeten
       1,5 Millionen jüdische Kinder. Auch das erklärt, warum jüdische Eltern
       nicht bereit sind, bei der Beschneidung ihrer Jungen acht Tage nach ihrer
       Geburt moralische Vorhaltungen oder Vorschriften irgendwelcher Behörden in
       Deutschland hinzunehmen.“
       
       Womöglich ist also die Debatte darüber, ob das Abschneiden der Vorhaut von
       Babys und kleinen Jungen einen strafbaren Akt der Körperverletzung
       darstellt, ein kleines bisschen aufgeheizt.
       
       Vieles gerät hier aneinander: Religions- und Staatsverständnis. Das Recht
       auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Religionsausübung. Wie
       wäre es, wenn man es noch mit der Geschlechterfrage verknüpft? Ich kümmere
       mich mal drum.
       
       Sähe die Beschneidungsdebatte anders aus, ginge es dabei um das religiös
       begründete Entfernen eines Stücks der äußeren Schamlippen weiblicher Babys
       oder sieben- bis zehnjähriger Mädchen? Ich meine damit nicht die Entfernung
       der Klitoris. Dieser Akt wird zu Recht immer seltener als „Beschneidung“
       bezeichnet, sondern als „Genitalverstümmelung“. Nein, nehmen wir einen
       vergleichbar entbehrlichen Fitzel Haut. Als das wird die Vorhaut zumindest
       von ihren Schmähern ja angesehen: als ein Teil vom Ebenbild Gottes, aber
       merkwürdigerweise vom Allmächtigen fehlerhaft montiert.
       
       Ginge es um kleine Mädchen, denen Männer mit Messern zu Leibe rückten, um
       deren Verbundenheit mit Gott zu besiegeln – der Frontverlauf sähe wohl
       anders aus. Juden, vor allem aber Muslime gälten als religiöse Irre, die
       unschuldige Mädchen traumatisieren. Die Beschneidung würde als weiterer
       Nachweis angesehen, dass Religionen vorgestrige, patriarchalische Vereine
       sind, die ihre weiblichen Mitglieder mit irrwitzigen Begründungen
       unterdrücken.
       
       Was ich mit diesem Gedankenspiel sagen will: Unter Mühen ist hierzulande
       die Sensibilität für Verstöße gegen die körperliche Selbstbestimmung von
       Frauen gewachsen. Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar, Abtreibung
       weitgehend erlaubt, Frauenschläger werden geächtet. Das ist wichtig und
       gut. Nur: Warum wird ähnliche Kritik nicht laut, wenn es um den Schutz von
       Jungen geht? Gegenüber männlichen Körpern und Psychen mangelt es an
       ähnlicher Sensibilität. Dabei kann kein Zweifel bestehen: Jungs sind im
       Allgemeinen ebenso ängstlich, schmerzempfindlich und schutzbedürftig wie
       Mädchen.
       
       29 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Trittin
       
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