# taz.de -- Kolumne Männer: Die Brücke
       
       > „Männer führen Kriege“, sang Herbert Grönemeyer einst. Also, ich mach ab
       > und an auch was anderes.
       
       Männer sind Täter, Frauen Opfer. Diese Behauptung ist offensichtlich
       Unsinn. Welcher denkende Mensch glaubt, er oder sie sei qua Geschlecht
       entweder böse oder machtlos? Wer möchte sein Schicksal unveränderbar daran
       gebunden sehen, ob man einen Penis oder eine Vagina hat? (Nun ja, fast
       unveränderbar.) Die Antwort: eine ganze Menge Leute.
       
       Neulich schrieb ich an dieser Stelle über den Umstand, dass in Nachrichten
       oft die Rede davon ist, bei einem Unglück seien so und so viele „Frauen und
       Kinder unter den Opfern“. Ich urteilte, offenbar werde es weithin als
       normal angesehen, wenn Männer, selbst als Zivilisten, eines gewaltsamen
       Todes sterben. Daraufhin schrieb mir eine Person, die sich „calamity jane“
       nannte: „und nächste woche bitte einen text über männliche
       kriegslüsternheit und waffengeilheit sowie ehre und vaterland.“ Ich frage
       mich, ob die anonyme Schreiberin den Namen der Wild-West-Frau wählte, weil
       Calamity Jane nach eigener Aussage bei Armeefeldzügen gegen amerikanische
       Ureinwohner mitritt und angeblich den Revolverhelden Wild Bill Hickock
       heiratete.
       
       Ganz offen bekenne ich: Ich finde Krieg doof. Echt. Nicht, weil ich als
       Mann durch gutes Zureden und Sanktionsdrohungen von meinem Hobby, dem
       Massenmord, abgehalten würde. Überraschenderweise finden die meisten
       Männer, meiner Erfahrung nach, einen frühen, blutigen Tod weniger reizvoll
       als ein langes Leben mit einem geliebten Menschen oder DVD-Recorder. Kriege
       gehen auch von Demokratien aus, deren Wahlbevölkerung zur Hälfte aus Frauen
       besteht. Allerdings schicken Staaten noch immer überwiegend Männer an die
       Front. Und diese Kerle glauben vermutlich selbst, Krieg sei etwas
       Männliches. Hätten die bloß „Die Brücke“ geguckt. Gibt’s auf DVD.
       
       Zu glauben, Konflikte entflammten ausschließlich an einer quasi natürlichen
       Kriegslüsternheit von Männern, ist hingegen ein von Denkfaulheit zeugender,
       folgenreicher Irrtum. Wie Faschismus, Sexismus oder Polyesterhemden.
       
       Männer sterben hierzulande im Schnitt fünfeinhalb Jahre früher als Frauen.
       Forschungen mit Nonnen und Mönchen zufolge geht höchstens ein Jahr davon
       aufs Konto biologischer Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wäre es
       umgekehrt, gäbe es ständig Talkshows zum Thema „Früher Frauentod – Wann
       wachen die Polit-Machos endlich auf?“. Anne Will, Frank Plasberg und ihre
       Gäste – Sahra Wagenknecht und Wolfgang Bosbach können ja zu allem was sagen
       – kämen gar nicht mehr raus aus den Studios. Was andererseits vielleicht
       ganz gut wäre.
       
       Hingegen wird der Umstand, dass Männer früher als Frauen sterben, gemeinhin
       hingenommen: selbst schuld, diese Kerle. Was müssen die sich auch ihres
       klassischen Männlichkeitsbildes versichern, indem sie Risikosport
       betreiben, körperlich anstrengende Berufe ergreifen, sich ungesund
       ernähren, Krankheitssignale ignorieren – und überdurchschnittlich oft Ziel
       physischer Gewalt werden. Mein DVD-Recorder und ich warten noch immer auf
       eine Talkshow mit dem Thema: „Zwei von drei Mordopfern sind Männer – Wo
       bleibt die Frauenquote?“
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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