# taz.de -- Streit um Zuschussrente: Merkel rückt von Arbeitsministerin ab
       
       > Die Kanzlerin geht auf Distanz zur Zuschussrente. Ursula von der Leyen
       > bleibt dennoch optimistisch. Und die FDP präsentiert ein eigenes
       > Rentenkonzept.
       
 (IMG) Bild: Die Kanzlerin geht auf Distanz.
       
       BERLIN taz | Mit Blick auf den unionsinternen Streit um die Zuschussrente
       hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Mäßigung gemahnt. Die
       Rentendiskussion müsse „mit Behutsamkeit“ geführt werden, sagte sie am
       Mittwoch nach Teilnehmerangaben während der Klausur der
       Unionsfraktionsspitze in Berlin. Wichtig sei es, dass die Union die
       richtigen „Grundentscheidungen“ treffe. Merkel betonte zugleich, das
       Rententhema sei nun angerissen worden und müsse deswegen auch behandelt
       werden.
       
       Merkel sagte laut Bild vor der Kabinettssitzung: „Bis zum Wochenende habe
       ich noch gedacht, das ist eine gute Sache. Aber je besser ich die Zahlen
       kenne, desto stärker wachsen meine Zweifel“.
       
       Unterdessen lanciert auch die FDP in der Debatte um das
       Zuschussrentenmodell von Ursula von der Leyen (CDU) einen eigenen
       Vorschlag. Die Liberalen wollen, dass private Alters- oder Betriebsrenten
       bis zu einer bestimmten Höhe nicht auf die Altersgrundsicherung von derzeit
       688 Euro angerechnet werden. „Wir wollen mindestens 120 bis 150 Euro nicht
       abziehen“, sagte Rainer Brüderle, Chef der FDP-Bundestagsfraktion, am
       Mittwoch dem ZDF. So komme man auch auf 850 Euro monatliche Rente.
       
       Auf 850 Euro will von der Leyen die Niedrigrente von Geringverdienern
       maximal aufstocken, wenn diese privat, beispielsweise mit einer
       Riester-Rente, vorgesorgt haben und 30, später 35 Jahre
       Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)
       nachweisen können.
       
       Ihren Vorschlag hatten die Liberalen bisher nicht öffentlich gemacht. Von
       der Leyen auszubremsen, sehen sie offenbar jetzt den Zeitpunkt gekommen.
       Anders als die Arbeitsministerin würde sich die FDP nicht von den
       Grundsätzen der GRV abkehren. Von der Leyen will zumindest teilweise das
       Äquivalenzprinzip aufweichen, das lautet: „Jeder bekommt nur so viel
       heraus, wie er eingezahlt hat.“ Die FDP jedoch will daran festhalten. Alles
       andere verstoße „gegen die Gerechtigkeit“, sagte Brüderle.
       
       Das FDP-Konzept würde das Riestern für einige Geringverdiener zumindest
       theoretisch attraktiver machen. Denn kommt man im Alter mit Minirente und
       Riester-Erspartem nicht über 688 Euro und braucht daher die staatliche
       Grundsicherung, werden bisher sämtliche Auszahlungen aus der Riester-Rente
       darauf angerechnet, also abgezogen. So entlastet die private Vorsorge zwar
       den Staatshaushalt, bedeutet aber kein individuelles Extra für den
       Lebensabend. Das soll sich laut FDP ändern.
       
       ## Geringverdiener kaum private Altersvorsorge betreiben
       
       Allerdings zeigen Untersuchungen von Johannes Geyer am Deutschen Institut
       für Wirtschaftsforschung (DIW), dass Geringverdiener kaum private
       Altersvorsorge betreiben. Ende 2010 riesterten nur 22 Prozent der Personen
       im untersten Einkommensfünftel. Im obersten Quintil – wo man meist ohnehin
       abgesichert ist – waren es 33,9 Prozent. Derzeit gibt es über 15 Millionen
       Riester-Verträge.
       
       „Bei Arbeitslosen liegt die Vorsorgequote noch niedriger“, sagt Geyer. „Es
       ist zweifelhaft, ob die FDP ein ernsthaftes Angebot vorlegt.“ Viele hätten
       kein Geld, um zu riestern, sagt Geyer. Und dabei sei das Riestern wegen
       staatlicher Zulagen unter Geringverdienern noch am weitesten verbreitet.
       Betriebsrenten spielten eine noch kleinere Rolle.
       
       Rentenforscher Volker Meinhardt hält das Riestern für „grundsätzlich
       verfehlt“: „Die Leute bekommen eine schlechtere Rendite als im
       Umlageverfahren der gesetzlichen Rente.“ Dafür führt er drei Gründe an:
       Saftige Gebühren der Versicherer, die Kalkulation mit zu hohen
       Lebenserwartungen sowie sinkende Gewinne an den Kapitalmärkten schmälerten
       die Renditen der privaten Vorsorge. Wolle man Altersarmut vermeiden, müsse
       man zudem Maßnahmen für alle Betroffenen ergreifen, „nicht nur für wenige
       Riester-Sparer“.
       
       Von der Leyen betonte am Mittwoch erneut: „Ich gehe fest davon aus, dass
       die Zuschussrente kommt.“ Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU)
       warnte dagegen davor, „jetzt neue Sozialleistungen zu beschließen, die in
       den kommenden Jahren zu einem immer größer werdenden finanziellen Kraftakt
       für den Staat aufwachsen“.
       
       5 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte um Zuschussrente: Von der Leyen will nicht mehr streiten
       
       Die Sozialministerin möchte eine parteiübergreifende Initiative gegen
       Alterarmut. Sie begrüßte das Konzept der SPD. Aus der CSU kommt Kritik am
       Modell der Zuschussrente.
       
 (DIR) Diskussion um Zuschussrente: Von der Leyen gesteht Fehler ein
       
       Ihre Zuschussrente kann nur ein kleines Teil des Rentenproblems lösen, sagt
       die Bundessozialministerin. Auch CSU-Chef Seehofer steigt jetzt in die
       Debatte ein.
       
 (DIR) Kommentar Zuschussrente: Von der Leyens Renten-Waterloo
       
       Die Arbeitsministerin ist mit ihrem Vorschlag zur Zuschussrente alleine.
       Das ist zum Teil ihre Schuld, zeugt aber auch von Planlosigkeit.
       
 (DIR) Debatte Zuschussrente: Altersarmut bleibt weiblich
       
       Von der Leyens Zuschussrente hilft nicht. Gerade die Frauen, die ihr
       angeblich am Herzen liegen, werden durch den Rost fallen.
       
 (DIR) Rentenpläne der CDU: Alle gegen Von der Leyen
       
       Arbeitsministerin Ursula von der Leyen steht alleine da. Nach Kanzlerin und
       FDP lehnt nun auch ihre eigene Unions-Fraktion die Zuschussrente ab.
       
 (DIR) Von der Leyen kämpft für Zuschussrente: Der Finger auf der Wunde
       
       Ursula von der Leyen verteidigt die Zuschussrente. Die Union lässt ihre
       Ministerin auflaufen und will den Streit aus dem Wahlkampf heraushalten.
       
 (DIR) Kommentar Zuschussrente: Hört auf, euch zu beschweren!
       
       Momentan besteht finanzieller Spielraum im Rentensystem – von der Leyens
       Pläne könnten eine Gelegenheit bieten. Vermutlich wird sie an ihren eigenen
       Leuten scheitern.
       
 (DIR) Debatte Zuschussrente: Dilemma der Generationen
       
       Der aktuelle Streit über die Aufstockung von Minirenten zeigt: Die
       Rentenfinanzierung vor allem mit den Beiträgen der jungen ArbeitnehmerInnen
       ist am Ende.