# taz.de -- Infrastrukturprojekte in China: Regierung zahlt zu
       
       > Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich für chinesische Verhältnisse
       > dramatisch. Premierminister Wen Jiabao will das ändern – genug Geld in
       > der Staatskasse hat er.
       
 (IMG) Bild: Die chinesische Regierung hat mal schnell ein paar Autobahnen in Auftrag gegeben.
       
       TIANJIN taz | Edle Holzvertäfelung, futuristische Ledersessel und neueste
       Veranstaltungstechnik – im Kongresszentrum von Tianjin deutet nichts darauf
       hin, dass die Volksrepublik wirtschaftlich schwächelt. „Dieses luxuriöse
       Ambiente darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass China noch immer ein armes
       Land ist“, warnt jedoch der ehemalige Berater der chinesischen Zentralbank,
       Li Daokui. „Und wir werden es noch eine ganze Weile bleiben.“
       
       Auf dem diesjährigen Sommertreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in der
       ostchinesischen Hafenstadt Tianjin ist die Stimmung unter den rund 2.000
       Teilnehmern sehr viel getrübter als in den Jahren zuvor.
       
       Der Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab hatte das sogenannte „Sommer-Davos“
       als chinesischen Ableger des Davoser Weltwirtschaftsforums ins Leben
       gerufen, um vorab schon mal die Bedeutung Chinas als künftig größter
       Wirtschaftsmacht der Welt zu betonen. Doch mit Blick auf die aktuellen
       Wirtschaftsdaten ist sich so mancher Ökonom inzwischen nicht mehr sicher,
       ob China diese führende Rolle wirklich so bald einnehmen wird.
       
       Die Wirtschaft der Volksrepublik schwächelt. Nicht zuletzt aufgrund der
       müden Nachfrage in Europa und den USA ist der chinesische Export im Juli
       über Wochen fast gar nicht mehr gewachsen. Der Binnenmarkt kommt ebenfalls
       nicht in Schwung.
       
       ## Bald nur eine Sechs vor dem Komma
       
       Das Wirtschaftswachstum insgesamt lag im zweiten Quartal nur noch bei 7,6
       Prozent, so niedrig wie seit drei Jahren nicht. Einige Experten sehen aufs
       ganze Jahr gerechnet sogar nur noch eine Sechs vor dem Komma. Für China,
       das zweistellige Raten gewohnt ist und in vielen Teilen des Landes auch
       noch erheblichen Nachholbedarf hat, wäre das zu wenig.
       
       Der chinesische Ökonom Zhu Min, inzwischen Vizedirektor beim
       Internationalen Währungsfonds, betonte, dass China am Wendepunkt stehe.
       „Das Wachstum zu stabilisieren und nicht die Strukturreformen aus den Augen
       zu verlieren, hat höchste Priorität“, sagte Zhu Min auf dem Forum in
       Tianjin. Kommen diese Reformen nicht zustande, sehe er in China eine ebenso
       hohe Gefahr für die Weltwirtschaft wie derzeit Europa oder die USA.
       
       Der ebenfalls auf dem Forum anwesende chinesische Ministerpräsident Wen
       Jiabao widersprach in seiner Rede dem Argument, dass Chinas Wachstum zu
       einem Ende gekommen sei. Wen, der nach zehn Jahren im Amt zum Jahreswechsel
       ausscheidet, versprach: „Wir werden der Stabilisierung des wirtschaftlichen
       Wachstums größere Priorität einräumen.“ In den Haushaltskassen seines
       Landes seien genug Mittel, und er werde nicht zögern, diese auch
       einzusetzen.
       
       ## Infrastrukturprojekte im Schnellverfahren
       
       Tatsächlich hat Chinas Regierung zur Ankurbelung der Konjunktur in den
       vergangenen Tagen im Schnellverfahren gleich eine Reihe neuer
       Infrastrukturprojekte in die Wege geleitet. Das in China einflussreiche
       Entwicklungs- und Reformministerium hat den Neubau von weiteren 2.000
       Kilometern Autobahnen beschlossen. Hinzu kommen sollen 25 U-Bahn-Linien,
       vier neue Flughäfen sowie über hundert Wind- und Solarparks. Die
       Gesamtsumme der Investitionen wird auf 250 Milliarden Euro geschätzt.
       
       Von Konjunkturprogramm redet die chinesische Regierung aber inzwischen
       nicht mehr gern – zu sehr weckt der Begriff Erinnerungen an das 400
       Milliarden Euro schwere Programm von Ende 2008. Eine allzu großzügige
       Kreditvergabe hatte der chinesischen Wirtschaft und der Weltwirtschaft
       insgesamt zwar zu einem gewaltigen Auftrieb verholfen, in China selbst
       allerdings auch zu einer Überhitzung des Immobilienmarktes geführt. Diesen
       Effekt will Chinas Führung nicht noch einmal. Sie investiert nun lieber
       direkt selbst.
       
       In Tianjin wurden auch die Probleme des chinesischen Bankensystems
       diskutiert. Der Chef der Bank of China, Xiao Gang, äußerte sich besonders
       besorgt über das stark entwickelte, aber unkontrollierte
       Schattenbankensystem. Die lange aufgeschobene Bankenreform müsse endlich
       vorangetrieben werde, hieß es in einer viel beachteten Diskussionsrunde.
       Auch der Aktienmarkt sei schlecht entwickelt. Die Aufsicht und das
       Wertpapierrecht müssten verbessert werden.
       
       13 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## TAGS
       
 (DIR) China
 (DIR) Deflation
       
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