# taz.de -- Opposition in Venezuela: „Chávez muss weg“
       
       > Anhänger der Opposition ziehen mit ihrem Kandidaten zum
       > Wahlkampfabschluss in die Hauptstadt. Sie wollen Hugo Chávez am Sonntag
       > aus dem Amt wählen.
       
 (IMG) Bild: Henrique Capriles Radonski ist die große Hoffnung der Chávez-Gegner
       
       CARACAS taz | Schon am frühen Sonntagmorgen ist die Simon-Planas-Straße in
       der venezolanischen Hauptstadt Caracas in die Oppositionsfarben Gelb und
       Blau getaucht. Fahnen und Transparente flattern im milden Morgenwind. Am
       kommenden Sonntag ist Präsidentschaftswahl, und die beiden
       Mittelschichtsviertel Santa Monica und Los Chaguaramos sind Hochburgen der
       Opposition und ihres Kandidaten Henrique Capriles Radonski. „Cada vez son
       miles, miles y miles, que estan con Capriles“ – jedes Mal sind es tausend,
       Tausende und Tausende, die für Capriles sind, reimt es den Ohrwurm in
       voller Lautstärke aus den Lautsprechern.
       
       Auf Capriles richten sich die Hoffnungen, den amtierenden Präsidenten Hugo
       Chávez nach 14 Jahren aus dem Amt zu drängen. Der 40-Jährige hatte sich im
       Februar bei den Vorwahlen der Opposition eindeutig durchgesetzt. Es war das
       erste Mal seit 13 Jahren, dass sich die mehr als 20 Oppositionsparteien auf
       einen gemeinsamen Kandidaten einigten.
       
       Danelle Iwasaki ist schon seit dem frühen Morgen unterwegs. Mit gelbem
       Basecap und gelbem T-Shirt. Capriles’ Konterfei strahlt von ihrer
       Umhängetasche. Seit zwei Monaten zieht sie daraus unermüdlich die
       Wahlwerbung für ihren Kandidaten. Freiwillig und ohne Entgelt, betont sie.
       
       „Ich war nie eine Anhängerin von Chávez, habe ihn nie gewählt, und darüber
       bin ich heute sehr froh“, sagt sie. Sie ist überzeugt, dass Capriles am
       Sonntag die Mehrheit der 19 Millionen Wahlberechtigten gewinnt. „Capriles
       ist das Gegenteil von Chávez. Er ist ehrlich, er polemisiert und
       polarisiert nicht.“ Die Augen leuchten, wenn die 35-Jährige über ihren
       40-jährigen Kandidaten spricht.
       
       ## Der Hagere
       
       Capriles ist auch optisch das Gegenteil von Chávez. El Flaco, der Hagere,
       ist sein Spitzname. Der smarte Junggeselle und Unternehmersohn kommt bei
       Frauen gut an. „Schon als ich ihn das erste Mal erlebt habe, war ich hin
       und weg.“
       
       Die Lautsprecher legen noch einige Volume drauf. „Hay un camino“ – es gibt
       einen Weg, schallt jetzt der andere Wahlsong über die Menge. Bis zehn hat
       sich der Straßenzug gefühlt. Dann geht es ins Zentrum auf die große Avenida
       Bolívar. Dort vereint sich der Sternmarsch aus acht Richtungen zur letzten
       Capriles-Veranstaltung in Caracas. „Das ist heute vor allem eine
       Demonstration. Wir wollen zeigen, dass wir keine Angst haben“, sagen viele.
       Tags zuvor waren drei Capriles-Anhänger bei einer Veranstaltung im
       Bundesstaat Barinas von mutmaßlichen Chávez-Anhängern erschossen worden.
       
       Auf der schmucken Plaza Venezuela ist das Fotoshooting in vollem Gang.
       Unermüdlich posieren gut gekleidete Familienmitglieder vor den
       knipsbereiten Blackberrys. Capriles zieht die Oberschicht auf die Straße.
       „Viele hier sind das erste Mal bei so etwas unterwegs“, sagt Guillermo.
       „Gegen Chávez“, betont der gut Sechzigjährige im standesgemäßen
       Lacoste-Outfit. Er sei Bauunternehmer und weniger an Politik interessiert.
       Ob sich mit Capriles was ändert? „Mmhh, weiß nicht. Chávez muss weg, sonst
       geht hier noch alles den Bach runter.“
       
       Capriles’ Rede bringt nichts Neues. Wenn er Chávez angreift, fuchtelt er
       mit dem Zeigefinger, und er ballt die Faust, wenn er verkündet, dass ab
       nächsten Sonntag vieles anders wird. Nach der Hälfte beginnt das Publikum
       sich zu unterhalten. Doch wer zuhört, hört sein Verständnis für die, die
       einmal für Chávez waren, hört, dass die staatlichen Sozialmaßnahmen nicht
       gestrichen werden, der Mindestlohn erhöht wird und das Geld dafür da ist,
       weil künftig kein Öl mehr ans Ausland verschenkt wird.
       
       Die Umfragen der Regierung sehen Chávez klar vorne, die der Opposition
       sprechen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
       
       1 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Recherchefonds Ausland
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Recherchefonds Ausland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Venezuelas Präsident erneut erkrankt: Chávez empfiehlt seinen Nachfolger
       
       Staatspräsident Chávez hat wieder Krebs und muss operiert werden. Er hat
       bereicht seinen Nachfolger gekürt: Vizepräsident Maduro.
       
 (DIR) Die Wahlverlierer in Venezuela: „Wir haben fest an den Sieg geglaubt“
       
       Die Anhänger des Oppositionsführers Capriles sind nach dem Wahlsieg von
       Präsident Chavez am Boden zerstört. Von seiner kommenden Amtszeit erwarten
       sie nichts Gutes.
       
 (DIR) Chavez gewinnt Wahl in Venezuela: „Es lebe Bolívar“
       
       Hugo Chávez hat die Präsidentschaftswahlen in Venezuela gewonnen. Und ruft
       „ein neues Zeitalter der bolivarianischen Revolution“ aus.
       
 (DIR) Wahl in Venezuela: Morgenröte im Tropen-Sozialismus
       
       Präsident Hugo Chávez gibt den starken, unverzichtbaren Sozialisten. Sein
       bürgerlicher Herausforderer Henrique Capriles hat gute Chancen.
       
 (DIR) Venezolanische Indigene: Kein Massaker an Yanomami
       
       Augenzeugenberichte eines Massakers an Yanomami-Indianern in Venezuela sind
       offenbar falsch. Auch Hilfsorganisationen bestätigen das nun.
       
 (DIR) Massaker in Venezuela: Indigene kritisieren Dementi
       
       Hugo Chávez gerät wegen eines mutmaßlichen Massakers an 80 Yanomami immer
       mehr in die Kritik. Er weist alle Hinweise darauf zurück.
       
 (DIR) Kommentar Venezuela und Menschenrechte: Desaster für die Menschenrechte
       
       Venezuela steigt aus dem Interamerikanischen Menschenrechtssystem aus. Für
       Menschenrechtler vor Ort ist das eine Katastrophe.
       
 (DIR) Venezuela verlässt Gerichtshof: Marsch aus der unangenehmen Instanz
       
       Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat angekündigt, sofort aus dem
       Interamerikanischen Menschenrechtssystem auszusteigen. Andere Länder
       könnten folgen.