# taz.de -- Steigende Energiekosten: Bekennt euch zu hohen Preisen!
       
       > Aus Angst vor dem Wähler scheut die Politik klare Ansagen und wir hören
       > überall: Die Strompreise sind zu hoch. Da waren wir schon mal weiter.
       
 (IMG) Bild: Die „Geiz ist geil“-Mentalität auf Strompreise übertragen: Also den alten Kühlschrank endlich abwracken.
       
       Die FDP jubelt. Mit der Debatte über die Strompreise hat sie endlich ein
       Wahlkampfthema und eine vermeintliche Existenzberechtigung gefunden: Öko
       viel zu teuer, die Energiepreise viel zu hoch, die Energiewende viel zu
       schnell. Vieles stimmt da nicht, aber so ist Politik.
       
       Das Problem ist nicht Philipp Röslers Rechenschwäche. Das Problem sind die
       anderen. Ein Bundesumweltminister, der sagt: Die Strompreise sind zu hoch.
       Die Verbraucherschützer, die sagen: Die Strompreise sind zu hoch. Die
       Roten, Grünen und Andersfarbigen, die sagen: Die Strompreise sind zu hoch.
       Die Forschungsinstitute und Umweltverbände, die sagen … – genau.
       
       Da waren wir schon mal weiter.
       
       Denn als vor einem guten Jahrzehnt die Ökosteuer eingeführt wurde, galt
       quer durch die Parteien der Grundsatz: Energie muss teurer werden. Schluss
       mit der Verschwendung. Die beste Energie ist die, die nicht erzeugt werden
       muss. Und wenn man doppelt so viel für den Liter Benzin oder die
       Kilowattstunde Strom bezahlt, aber nur die Hälfte verbraucht – na und? Egal
       für die Brieftasche, gut für die Umwelt. So redet heute keiner mehr. Und
       auch wenn Energieeffizienz in den Reden des offiziellen
       Energiesparministers Rösler immer ganz oben steht: Da bewegt sich kaum
       etwas. Bundesregierung und EU-Kommission schreiben tolle Zielzahlen vor,
       die niemals erreicht werden.
       
       ## Zittrige Ökos
       
       Nun bibbert die gesamte Ökogemeinde vor der Kostenkeule und sucht nach
       halbgaren Auswegen: Sozialtarife, Steuererleichterungen, weniger
       Privilegien für die Industrie. Kanzlerin und Umweltminister schleichen
       durchs Land und flüstern: „Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif.“
       Anstatt laut zu sagen: „Ja, wir wollen, dass der verdammte Strompreis
       steigt! Damit ihr endlich aufhört, mit dem alten Elektroherd eure
       Dreizimmerwohnung zu heizen!“
       
       Die Erfahrung der Grünen vom Wahlkampf 1998 sitzt allen in den Knochen: Als
       die Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark beinahe das Ende der
       Ökopartei bedeutet hätte. Aber fünfzehn Jahre später ist immer noch wahr:
       Steigende Preise führen zu mehr Effizienz.
       
       Wenn Energie teuer wird, bekommen Energiefresser Probleme. Warum soll sich
       die „Geiz ist geil“-Mentalität nicht auch auf den Stromverbrauch übertragen
       lassen? Also: Ja zu eng begrenzten Sozialtarifen mit Energieberatung, ja
       zur Abwrackprämie für alte Kühlschränke. Dann aber deutlich und langfristig
       an der Preisschraube drehen, bis es quietscht – und bis die Kunden endlich
       wissen, wie hoch ihre Stromrechnung ist. Wissen Sie, wie viel und wo Ihr
       Haushalt Strom schluckt?
       
       ## Alles so teuer!
       
       Wer die Argumente des Gegners übernimmt, kann nur verlieren. Das merken die
       Ökos gerade. Das Gegenteil führt zum Ziel: Erst wer sich zu hohen
       Energiepreisen bekennt, kann das Energiesparen wirklich einfordern und
       umsetzen. Und erst wer das Sparen lernt, kann darüber nachdenken, auch in
       der Summe weniger Ressourcen zu verbrauchen, damit die Kühlschrankersparnis
       nicht gleich wieder an der Playstation verdaddelt wird.
       
       Wer Ernst machen will mit der Effizienz, der muss für den Kostendruck
       sorgen. Unsere Autos sind auch dank Ökosteuer langsam effizienter geworden.
       Aber da schreien uns auch an jeder Ecke die Preistafeln der Tankstellen zu:
       „Benzin ist teuer!“
       
       Das brauchen wir auch beim Strom – ein Schild über jeder Steckdose: „Strom
       ist teuer und wertvoll – solange nicht die ganze Welt 100 Prozent Ökostrom
       hat, müssen wir sparen!“ Dazu eine monatliche Rechnung, auf der Verbrauch
       und Preis schön fett ausgedruckt sind. Das brächte uns weiter. Jedenfalls
       weiter als der zittrige Versuch, höhere Strompreise schönzurechnen.
       
       15 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Energiewende
 (DIR) Energieeffizienz
 (DIR) Volkswagen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte um Energiewende: Sozial ist kompliziert
       
       Die Energiewende kostet. Aber das lässt sich regeln. Bloß wie? Die
       Klima-Allianz hätte da den ein oder anderen Vorschlag - aber kein
       Patentrezept.
       
 (DIR) Lohnt sich sanieren?: Dämm it
       
       Deutschland könnte in den nächsten Jahrzehnten Milliarden Euro sparen, wenn
       Gebäude besser isoliert werden. Der Energieverbrauch würde erheblich
       gesenkt.
       
 (DIR) 1-Liter-Auto geht in Kleinserie: Umstrittene Verbrauchsrechnung
       
       Volkswagen eröffnet in Osnabrück eine Manufaktur für den flachen
       Sportflitzer XL1. Greenpeace sieht das Auto mit Steckdosenanschluss als
       Rückschritt.
       
 (DIR) Kosten der Energiewende: Strom schneller grün als gedacht
       
       Alle jammern über hohe Preise – trotzdem steigt der Anteil an Ökostrom.
       Schon 2020 könnte Erneuerbare Energien die Hälfte der Stromversorgung
       ausmachen.
       
 (DIR) Stromfirmen wollen Preise erhöhen: Der Verbraucher zahlt sich grün
       
       Die meisten Versorger kündigen an, die steigenden Kosten der EEG-Umlage
       direkt weiterzugeben. Dabei sinken die Einkaufspreise für Strom an der
       Börse.
       
 (DIR) Gesamtbilanz der EEG-Umlage: Mehr Nutzen als Kosten
       
       Die EEG-Umlage wird immer teurer. Doch die Vorteile des Ökostroms durch
       Vermeidung von Umweltschäden wiegen die Ausgaben auf.
       
 (DIR) Kosten der erneuerbaren Energien: Die 5-Cent-Hürde
       
       Die EEG-Umlage gilt den Gegnern der Energiewende als Totschlagargument
       dafür, dass Ökostrom zu teuer sei. Dabei taugt sie kaum als Preisschild.
       
 (DIR) Strom billiger machen: Licht auch in der kleinsten Hütte
       
       Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist teuer. Das ist für Arme bald
       unbezahlbar, warnt die Regierung. Dabei gibt es reichlich Vorschläge zur
       Entlastung.