# taz.de -- Geschäfte mit der Kunst: Das kühle Schimmern
       
       > Der internationale Kunstmarkt boomt, die Preise klettern wieder in die
       > Höhe. Nur wenige Künstler und Galeristen haben etwas davon.
       
 (IMG) Bild: Der Markt boomt: 46,1 Milliarden Euro wurden 2011 weltweit mit Kunst umgesetzt.
       
       KÖLN/BERLIN taz | Als Jürgen Grölle seinen Kleintransporter spät am Abend
       am Kölner Rheinufer entlangsteuert, kommt wieder so ein Moment, in dem ihm
       bewusst wird, wo er steht, wo er hinwill und was alles dazwischen liegt.
       Der Galerist lenkt den Wagen in eine Seitenstraße, ein scharfkantiges
       Gebäude blinkt auf. Die Galerie Hammelehle und Ahrens ist noch hell
       erleuchtet. Er richtet den Blick auf die Glasfassade und sagt wie zu sich
       selbst: „Die sind ne Nummer weiter als ich. Die sind ziemlich fett drin.“
       
       Wolfgang Flad fragt sich manchmal, ob die Pläne aufgehen werden, die er
       sich für sein Leben zurechtgelegt hat. Der Künstler steht in seinem Atelier
       in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Milchiges Sonnenlicht bricht durch
       die hohen Fenster, ringsum farbig glänzende Wandreliefs und grazile
       Skulpturen. Es ist gut gelaufen für Wolfgang Flad; seine Arbeiten sind
       inzwischen eine ganze Menge wert. Sie hängen in Firmensammlungen, in Museen
       oder bei reichen Privatkäufern. Und trotzdem. „Ich muss immer noch sehen,
       wie ich meine Rechnungen bezahle.“ Auf eine Art, sagt der Künstler, ist er
       ein Bindeglied zwischen der obersten Schicht und der untersten. Zwischen
       High Society und Hartz IV.
       
       Jürgen Grölle und Wolfgang Flad sind zwei kleine Akteure auf einem
       gewaltigen Markt. 46,1 Milliarden Euro sind 2011 weltweit mit Kunst
       umgesetzt worden. Sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Erst im Mai wurde bei
       Sotheby’s in New York das teuerste je bei einer Auktion verkaufte Bild
       versteigert: „Der Schrei“ von Edvard Munch, für fast 120 Millionen Dollar.
       Immer wieder machen Rekordgewinne und Spitzenpreise von sich reden; die
       Frage ist, was solche Superlative für die breite Masse der Künstler und
       Galeristen bedeuten. Für diejenigen, die den größten Teil des Marktes
       ausmachen. Die Suche nach Antworten führt weg von der hippen
       Kreativmetropole Berlin, hinein in die wirtschaftsstarken Regionen.
       Dorthin, wo es gewachsene, bürgerliche Strukturen gibt. Zum Beispiel ins
       Rheinland.
       
       ## Fehlende Sammler
       
       Jürgen Grölle, genannt Bolle, springt aus seinem Wagen; die Berliner
       Künstlerin Isabel Kerkemeier klettert hinter ihm aus dem Laderaum. Jürgen
       Grölle hat vor zwei Jahren in Wuppertal seine Galerie pass:projects
       eröffnet. An diesem Wochenende wird Isabel Kerkermeier dort ihre Arbeiten
       zeigen. Vorher aber müssen die beiden in der Galerie Hammelehle und Ahrens
       im Norden Kölns vorbei, wo die Künstlerin unter Vertrag ist. „In Berlin“,
       sagt sie, „gibt es immer noch nicht die Schicht an Sammlern, die diese
       ungeheure Menge an Kreativität auffangen würden.“
       
       Die Vernissage bei Hammelehle und Ahrens ist fast zu Ende. An einem Tisch
       nahe dem Eingang sitzen noch einige überwiegend junge Leute und trinken
       Tannenzäpfle-Bier. Überall Hornbrillen und pastellfarbene Röhrenjeans. An
       den Wänden hängen Ölbilder mit energisch hingeworfenen Farbschlieren, für
       bis zu 176.000 Euro. Sven Ahrens löst sich aus der Schar der Gäste und
       lächelt. Seine Galerie hat ein gutes Gespür für junge, viel versprechende
       Kunst. „Wir sind eine Galerie, die schon im Akademiekontext Witterung
       aufnimmt“, sagt er, „wir haben das Ohr dicht am Gleis.“
       
       ## Aufgeheizter Markt
       
       Ahrens ist seit bald 20 Jahren im Geschäft. Der Markt zieht wieder an.
       Trotz Eurokrise. Oder gerade deswegen. Nach wie vor gibt es Menschen mit
       Geld, und die haben nun „ein Anlageproblem“, wie er sagt. Das heißt: Sie
       haben das Vertrauen in Aktien verloren. Nun suchen sie Greifbares, Wert,
       der sich nicht nur in Zahlen fassen lässt. „Der Markt ist aufgeheizt“, sagt
       Ahrens, „aber das ist ja nicht schlecht.“
       
       Nicht, wenn das Interesse der Käufer nachhaltig ist. Schwierig wird es,
       wenn Investoren kommen, die getrieben sind von der Gier nach immer neuen
       Hypes und schnellen Gewinnen. So war es in den Jahren vor der Finanzkrise
       2008. Viele junge Talente sind damals steil nach oben geschossen und dann
       wieder verglüht. „Ich habe Kollegen, die haben Preise erzielt, davon träume
       ich heute noch. Aber nach denen fragt heute keiner mehr“, sagt Wolfgang
       Flad.
       
       Er schlendert an seinen Arbeiten entlang, ein hoch gewachsener Mann von 38
       Jahren mit schmalem Gesicht und blondem Vollbart. Sein Blick tastet fast
       zärtlich über die kühl schimmernden Wandreliefs. Die lackierten Platten
       sind mit Rillen und Kratern gesprenkelt, die an Wasserspritzer erinnern. Wo
       sie sich auftun, ist die Struktur von Schichtholz zu erkennen. „Das gefällt
       mir, diese coole, sexy Oberfläche“, sagt er, „der Kontrast zwischen dem
       Artifiziellen und dem Organischen.“
       
       Flad stammt aus dem schwäbischen Metzingen; er ist einer von 5.000
       bildenden Künstlern in Berlin. Einer der wenigen, die davon leben können.
       „Meine Preise sind langsam gestiegen, Stück für Stück“, sagt er. Flad hat
       die Regeln dieses Marktes verstanden, der im Grunde funktioniert wie jeder
       Markt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, und wenn die Kurve zu
       schnell steigt, dann bilden sich Blasen.
       
       ## Neue Künstlergeneration
       
       „Ich möchte ein seriöses Ding aufbauen“, sagt Flad. Er gehört einer neuen
       Generation von Künstlern an, für die sich Kunst und Erfolg im bürgerlichen
       Leben nicht ausschließen. Strategisches, marktwirtschaftliches Denken,
       meint er, gehört heute mit dazu. „Ich sehe das so, dass meine Arbeit erst
       vollendet ist, wenn sie bei ihrem Gegenüber ist.“
       
       Am Morgen steht Jürgen Grölle in seiner Galerie in einer stillgelegten
       Fabrik und fegt den Boden. Isabell Kerkermeiers Arbeiten hängen bereits,
       seltsame, anmutige Gebilde aus ineinander verkeilten Stühlen und
       Wäscheständern. Grölle wirkt müde; sie haben in Köln noch lange
       beisammengesessen, mit Sammlern, Kuratoren und ein paar Kritikern aus
       Berlin. Grölle schnaubt: „Einer von denen dachte, Wuppertal liegt bei
       Frankfurt.“
       
       Grölle ist drahtig, 54 Jahre alt, mit blauem Hemd und Haaren, die in der
       Stirn schon etwas licht geworden sind. Er tritt in den Innenhof und lässt
       sich auf einen Stuhl sinken. Es ist warm und sonnig, einer der letzten
       Sommertage. Grölle streckt die Beine von sich und streift seine Schuhe ab.
       Er war selbst Künstler, durchaus mit Erfolg. Doch vor einigen Jahren hörte
       er auf, weil der Kunstmarkt so, wie er war, ihm nicht mehr gefiel. „Mich
       hat’s angekotzt, das ganze Theater drumherum“, sagt er. Es frustrierte ihn,
       dass es immer mehr um Namen und Preise ging und immer weniger um Inhalt und
       Qualität. „Ich bin da vielleicht ein bisschen romantischer“, sagt er.
       
       Deswegen hat er seine eigene Galerie aufgebaut, einen Ort, an dem er die
       Regeln festlegen kann. Isabel Kerkermeier kommt hinzu, sie sagt: „Der
       Jürgen und ich, wir begegnen uns auf der selben Ebene: nicht die
       Marktgesetze über die Arbeit zu stellen.“ – „Darum geht’s“, sagt Grölle. Er
       ist in den 70er Jahren sozialisiert worden, geprägt vom fröhlichen
       Idealismus der Hippies. Doch auch er hat begriffen, wie der Markt
       funktioniert. Er will mitspielen, nur eben auf seine Art. „Das hier ist
       kein Off-Raum“, stellt er klar. Ob es gelingen kann, ist noch nicht klar.
       Er hat seine ersten Deals abgeschlossen, doch einzelne Verkäufe tragen noch
       lange keine Galerie.
       
       ## Wuppertaler Bürgertum
       
       „Wuppertal war immer eine sprottige Stadt, ruppig und gespalten“, sagt er.
       „aber es gibt viele alteingesessene Unternehmerfamilien und eine lange
       Tradition des Kunstsammelns.“ Grölle versucht, den Wuppertaler Wohlstand in
       seine Galerie zu lotsen. Was ihm hilft, ist seine Gabe, eine Atmosphäre zu
       schaffen, von der sich Leute aller Schichten angezogen fühlen. Das klappt
       aber nur, weil er Künstler zeigt, die auf hohem professionellem Niveau
       arbeiten.
       
       Die meisten hat ihm Wolfgang Flad vermittelt. Der Künstler und der Galerist
       kennen sich schon lange. Flad war noch Student, als ihm die Bilder Grölles
       auffielen. Er war so begeistert, dass er ihn treffen wollte. Eines haben
       die beiden gemeinsam: das Talent zum Netzwerken, ohne das auf diesem Markt
       so gut wie nichts geht. „Ich fand den Jürgen von Anfang an super, als
       Künstler und als Typen“, sagt Wolfgang Flad. Bald wird er selbst in
       Wuppertal ausstellen, auch wenn er seine Arbeiten sonst in viel
       renommierteren Galerien zeigt.
       
       Der Künstler hat sich an seinen Schreibtisch gesetzt; sein Büro ist
       nüchtern und ordentlich. Manchmal wünscht er sich, er könnte die Sache
       etwas entspannter angehen. Doch er hat vier Kinder, ein fünftes ist
       unterwegs. Gerade Berlin macht es Künstlern nicht leicht, sich zu
       behaupten, vor allem langfristig. „So viel Kunst – was soll man damit?“,
       fragt er sich. Überall Vernissagen, zu denen keiner kommt, außer den
       Freunden der Künstler. „Viel zu viele wahren den schönen Schein und warten
       auf die coolen, fetten Sammler, den großen Reibach“, sagt er. „Alle
       spekulieren und hoffen. Doch Geldverdienen ist in Berlin schwierig.“
       
       ## Geld gleich Qualität
       
       In Wuppertal legt sich der Abend über den Innenhof vor Jürgen Grölles
       Galerie. Langsam füllt sich der Innenraum der alten Fabrik. Zwischen
       Isabell Kerkermeiers Skulpturen flanieren Herren im Polohemd und Damen mit
       Perlen am Hals, aber auch Künstler, Studenten und Nachbarn. Rolf
       Hengesbach, mit randloser Brille und grauen Haaren, bahnt sich seinen Weg
       durch die Leute. Der Galerist hat in Wuppertal angefangen und seinen
       Hauptsitz vor einigen Jahren nach Berlin verlegt. „Man muss in Berlin
       gesehen werden, von Kritikern und Museumsleuten.“
       
       Doch seinen Kunstraum in Wuppertal hat er nicht aufgegeben. Denn hier sind
       seine Stammkunden, oberer Mittelstand, keine Leute, die zu Vernissagen nach
       Berlin jetten. „Der Kunstmarkt wird immer stärker von Milliardären
       bestimmt, die über einige wenige Galerien fokussiert auf den Markt der
       jungen Künstler einsteigen“, sagt er. Hengesbach ist ein angesehener
       Galerist, doch mit dieser Welt hat auch er keine Berührung.
       
       Ganz in der Nähe schleicht ein Mann Mitte 50 um ein aberwitziges Konstrukt
       mit den Ausmaßen eines Kleinwagens. Es kostet 12.000 Euro. „Von diesen
       ganzen Dingern wird er nix verkaufen“, sagt der Mann, der seinen Namen
       nicht nennen will. Er ist Arzt, hat gerade zu sammeln begonnen. Jürgen
       Grölle berät ihn dabei. „Als Käufer hat man die Chance, mit seinem Geld
       eine Wirkung zu erzielen“, sagt er. „Über den Einfluss von Geld wird
       entschieden, was Qualität ist und was nicht. Wie sollte es auch anders
       sein?“
       
       Allmählich wird es Nacht. Gegenüber wird eine Party gefeiert; Neonlicht
       pulsiert im Hinterhof. Der bunte Schein erleuchtet Grölles knochiges
       Gesicht. „Kunst ist ein Geschäft mit der Eitelkeit“, sagt er, „doch das
       Ganze wird nicht von den zwei, drei Fettblasen getragen, die oben treiben.“
       Als die letzten Gäste aufbrechen, hat er eine Arbeit verkauft, ein kleines
       Bild, an den Arzt, für 1.600 Euro.
       
       18 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriela M. Keller
       
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 (DIR) Kunst
       
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       nichts zu tun hat.