# taz.de -- Kopftuchstreit beim Zahnarzt: Drei Gehälter für Diskriminierung
       
       > Eine junge Frau verklagte einen Zahnarzt, der sie nur wegen ihres
       > Kopftuchs nicht einstellen wollte. Nun erhält sie Schadenersatz.
       
 (IMG) Bild: Dürfen das Kopftuch auch im Berufsleben tragen, zumindest beim Zahnarzt: Muslima in Deutschland.
       
       FREIBURG taz | Ein Berliner Zahnarzt muss Schadenersatz an eine junge
       Muslimin zahlen. Er hatte sie als Auszubildende abgelehnt, weil sie bei der
       Arbeit ein Kopftuch tragen wollte. Das sei eine Diskriminierung, entschied
       das Berliner Arbeitsgericht in einem Urteil, das erst jetzt bekannt wurde.
       
       Die junge Frau hatte sich im Juli 2011 um eine Lehrstelle als
       Zahnarzthelferin beworben. Der Zahnarzt zeigte sich beim
       Vorstellungsgespräch sehr interessiert, immerhin hatte die junge Frau die
       Hochschulreife und schien gut ins Team zu passen. Nur eine Bedingung
       stellte er ihr: Sie müsse bei der Arbeit auf ihr Kopftuch verzichten. Dazu
       war die junge Frau nicht bereit, am Ende blieb die Stelle unbesetzt.
       
       Die Frau klagte daraufhin mit Hilfe des Türkischen Bunds Berlin – und hatte
       Erfolg. Das Arbeitsgericht sah das seit 2006 geltende Allgemeinen
       Gleichstellungsgesetz (AGG) verletzt. Danach dürfen private Arbeitgeber bei
       der Einstellung und Beförderung keine Unterschiede aufgrund der Religion
       machen. Das Tragen des Kopftuchs sei aber „ein Akt der Religionsausübung“ –
       und der einzige Grund, weshalb sie aussortiert wurde.
       
       ## Kopftuch nicht unhygienischer als Haare
       
       Der Arbeitgeber hatte sich auf die Kleiderordnung in seiner Praxis berufen:
       weiße Hosen, weiße Hemden, T-Shirts oder Blusen. Das überzeugte die Richter
       nicht: Ein Kopftuch lasse sich damit ja kombinieren. Auch aus hygienischen
       Gründen sei ein Kopftuch gegenüber offenen Haaren kein Nachteil.
       
       Die Richter bezeichneten das AGG als „gesellschaftliches
       Erziehungsprogramm“ und fügten etwas flapsig an: „auch wenn der rot-grüne
       Gesetzgeber nie die Traute besaß, das offen auszusprechen“. Damit wollten
       sich die Richter aber keineswegs vom AGG distanzieren, denn sie bezeichnen
       Fremdenfeindlichkeit als „menschliches Grundübel“, das es auch im
       fortschrittlichen Gewand gebe. „Die Frau mit Kopftuch gilt als
       unemanzipiert und rückständig. Dabei ist sie in Wahrheit nicht verkehrt,
       sondern nur anders.“
       
       Die junge Frau bekommt nun drei Monatsgehälter als Entschädigung, insgesamt
       rund 1.500 Euro (Az.: 55 Ca 2426/12). Das Urteil, das schon im März fiel,
       ist inzwischen rechtskräftig. Der Zahnarzt hat keine Berufung eingelegt.
       Der Türkische Bund Berlin begrüßte das Urteil. „Es soll Menschen, die
       Diskriminierung erfahren, ermutigen, sich zur Wehr zu setzen. „Das ist ein
       Urteil mit Signalwirkung“, so Christine Lüders, die Leiterin der
       Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
       
       ## Generelles Verbot an Schulen unberührt
       
       Das Bundesarbeitsgericht hatte schon 2002 – also vor Inkrafttreten des AGG
       – entschieden, dass eine Kaufhausverkäuferin nicht allein wegen ihres
       Kopftuchs gekündigt werden darf. Es müsse zumindest zu Umsatzeinbußen oder
       anderen konkreten Nachteilen für den Arbeitgeber kommen.
       
       Bei Lehrerinnen können die Bundesländern seit einer Entscheidung des
       Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2004 allerdings ein generelles
       Verbot religiöser Kleidungsstücke anordnen, um Konflikte zu vermeiden. Rund
       die Hälfte der Bundesländer hat solche Gesetze beschlossen.
       
       18 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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